

Essay
Extremnarzissmus im Zeitalter des vergötzten Ichs
Hier sei über Andreas L. wahrlich kein Stab gebrochen. Der selbstmörderische Kopilot, der 149 weitere Menschen in seinen Freitod mitnahm, war offenbar unzurechnungsfähig. So dürfte seine Tat wohl juristisch bewertet werden. Gleichwohl dürfen wir diesen Fall nicht ad acta legen; dafür sagt er viel zu viel über die Verfassung des vormals christlichen Abendlandes aus.
Halten wir fest: Ob seelenkrank oder nicht, so hat Andreas L. doch Gott gespielt. Er hat sich zum Souverän über Leben und Tod gemacht – über sein eigenes Leben und das der 149 anderen. Damit masste er sich ein Recht an, das mindestens 100 000 Deutsche – und eine Million Amerikaner – jedes Jahr in Anspruch nehmen, wenn sie ihr ungeborenes Kind töten lassen. Diese handeln weniger spektakulär, und die Zahl der Todesopfer ist im Individualfall geringer, nämlich meistens nur eines, nicht gleich 149. Überdies werden Menschen, die ihre Kinder aus dem Mutterleib absaugen lassen,…