
Editorial
Liebe Leserin, lieber Leser
Kürzlich sprach mich jemand an, leicht von oben herab wegen meines Glaubens an das Wort Gottes, welches in der Bibel offenbart ist, und meinte, ich solle doch einmal das Buch «Der erfundene Jesus» lesen. Wie klug der Autor doch schreibe, und wie differenziert! Mein Gegenüber schien froh darüber zu sein, endlich zu wissen, dass der Glaube an den Jesus der Bibel «erwiesenermassen» einer Prüfung nicht standhält. An einer Erwiderung war mein Gegenüber nicht interessiert, jetzt, wo man endlich verstanden hatte, was «erwiesen» ist und was nicht. «Endlich bin ich diesen Jesus los!» – diese Erleichterung hörte ich heraus. Ich musste daran denken, dass es die Toren sind, die in ihrem Herzen sprechen: «Es ist kein Gott» (vgl. Psalm 14; Psalm 53). Seit Jahrtausenden bewegt und verwandelt die Bibel die Herzen der Menschen – während das Buch von dem «erfundenen Jesus» vergessen sein wird, bevor sein Papier gilbt.
Der Rabbiner Andrew Steimann hat einmal geschrieben: «Mit der Übergabe der Thora beginnt das Zeitalter der Verantwortung.» Mancher ist froh, wenn ihm einer einredet, er habe diese Verantwortung nicht. Allein, es nützt ihm nichts, im Gegenteil: «... die Toren werden an ihrer Torheit sterben» (vgl. Spr. 10,21). Dass so viele Menschen nicht der Stimme ihres Gewissens folgen, die sie doch hören, und der Verantwortung entsprechen, die mit dem Geschenk von Gottes Wort verbunden ist, das macht unsere Zeit so, wie sie ist. In seinem Beitrag «Lichtfunken in dunkler Zeit» zitiert Uwe Siemon-Netto den Theologen und Widerständler Helmut Thielicke, der gegen Ende des Zweiten Weltkrieges die Formulierung geprägt hat: «Ein Schuldverhältnis brütet über unserer Zeit.» Das trifft die damalige Situation, bezeichnet aber eigentlich die grundlegende Tragik des Menschen, der von Gott nichts wissen will.
Seit Jahrtausenden bewegt und verwandelt die Bibel die Herzen der Menschen – während Bücher der Kategorie «Der erfundene Jesus» vergessen sein werden, bevor das Papier gilbt.
In einem Beitrag, in dem es um die Bedrohungen unserer Zeit geht, um Terror und bange Erwartungen des Kommenden, las ich den Satz: «Unsere Seelen sind aufgescheucht.» Ein treffendes Bild. Der Autor des Beitrages, der Theologe Andreas Keller, verweist auf das geistliche Antiserum gegen Unruhe, Sorge und Angst, indem er Gottes Wort zitiert: «Der Psalmist spricht zu seiner flatternden Seele: ‹Kehre wieder, meine Seele, zu deiner Ruhestatt; denn der Herr erweist dir Gutes.›» Immer wieder ruft uns Gottes Wort auf, unser «aufgescheuchtes» Gemüt, unsere verzagten Seelen zur Ordnung zu rufen: «Kehre zurück, meine Seele, zu deiner Ruhestatt.» Das ist Umkehr.
Hagar, die ägyptische Magd Abrams, gebar ihm, mit dem Einverständnis seiner Frau Sarai, die nicht schwanger wurde, einen Sohn. Nachdem Hagar von Sarai in die Wüste geschickt wurde, wandte sich Gott ihr zu, worauf sie erkannte: «Du bist ein Gott, der mich sieht.» Sie hörte auf Gottes Wort und ging zurück zu Sarai und Abram und gebar ihr Kind, das auf Anweisung Gottes den Namen Ismael, «Gott hört», bekam. Gott stellt sich Hagar in der Not als der Gott vor, der hört, und sie erlebt ihn als den Gott, der sieht. Gott sieht auch in unserer Zeit, hört die Gebete der «aufgescheuchten Seelen», wirkt Wunder, verändert Herzen, schenkt Menschen Erkenntnis.
Von solchen Wundern ist auch in dem Buch der factum-Autorin Carmen Matussek die Rede. Sie hat mit Menschen in der islamischen Welt gesprochen, bei denen die ungeheuerliche Judenhetze, die in den Medien, in den Schulen allgegenwärtig ist, nicht verfangen hat oder die diese überwunden haben. Es sind erstaunliche, spannende Geschichten. Es ist wohltuend zu lesen, wie der Gott, der hört und sieht, Herzen verwandelt. Das Buch von Carmen Matussek («Israel, mein Freund – Stimmen der Versöhnung aus der islamischen Welt», SCM Verlag) kann ich wärmstens empfehlen.
Ihr Thomas Lachenmaier, Redaktionsleiter