
Kommentar
Der Sultan und die Kaiserin
«Staatskrise» und «Regierungskrise», diese beiden Begriffe fielen vor Kurzem in Deutschland. Angesichts der riesigen Probleme, die wir haben, könnte der Anlass kaum absurder sein: Es geht um ein Gedicht, in dem ein Kabarettist auf brachiale Art den türkischen Präsidenten Erdogan beschimpft hat. Dieser fordert dessen Kopf – und hat, wie wir seit dem 14. April wissen, Bundeskanzlerin Merkel auf seiner Seite. Sie stellte sich gegen die Hälfte ihres Kabinetts und gab dem Antrag der türkischen Regierung auf Zulassung einer Klage nach Strafgesetzparagraf 103 («Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten») statt.
Die Frage, die diskutiert werden sollte, lautet nicht, ob «Satire alles darf» oder ob der Autor bestraft gehöre. In einem Rechtsstaat kann jeder jeden verklagen; zu entscheiden, ob die Klage gerechtfertigt ist und ob einem Beleidigten ggf. Schmerzensgeld zusteht, entscheiden Gerichte. Der Kläger muss dafür übrigens keinen…