FOKUS
GAMECHANGER
Wie die DFL die Offiziellen Spieldaten für den deutschen Profifußball weiterentwickelt.
Sie sind häufig nicht sichtbar und doch nahezu überall im Einsatz: bei den Clubs, in den Medien und auf den Endgeräten der Fans. Vor einem Bundesliga-Spiel, währenddessen und danach. Mit dem Anstoß entsteht ein für die Zuschauenden im Stadion unsichtbarer Strom, der, würde man ihn visualisieren, bei Abpfiff aus 3,6 Millionen – ausgeschrieben: 3.600.000 – Punkten bestehen würde: pro Begegnung! Die Rede ist von den Offiziellen Spieldaten. Und damit von Positionsdaten, Sprintgeschwindigkeiten, Torschüssen und jeglichen Ballaktionen. Der Mehrwert? Enorm! Für die Spielanalyse, die Trainingsgestaltung, die Berichterstattung der Medienpartner, den Social-Media-Content eines Clubs, die mögliche Neuverpflichtung eines Spielers und vieles mehr.
Seit 2011 erfasst die DFL die Offiziellen Spieldaten in der Bundesliga und 2. Bundesliga. Seit 2017 ist Sportec Solutions beispielsweise für die Erhebung, Speicherung, Qualitätssicherung und Auslieferung zuständig. Das DFL-Tochterunternehmen ist ein Joint Venture zwischen der DFL und Deltatre, einem weltweit führenden Anbieter für Medienanwendungen in der Sportberichterstattung.
Wir sind an einem Punkt angekommen, an dem Daten nicht mehr wegzudenken sind.“
DR. HENDRIK WEBER, DFL-DIREKTOR SPORT-TECHNOLOGIE & INNOVATION
Im Fokus der Zusammenarbeit steht der weltweite Vertrieb von Datenservices und -produkten. So ist Sportec Solutions neben der Bundesliga und 2. Bundesliga für die Erhebung und Auslieferung der Spieldaten in Wettbewerben des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) wie dem DFB-Pokal verantwortlich, aber seit kurzer Zeit auch Partner der nordamerikanischen Major League Soccer (MLS).
Die Weiterentwicklung der nationalen Angebote und Infrastruktur wird kontinuierlich vorangetrieben. Maßgeblich für diesen Prozess ist auch die Ende 2022 gegründete DFL-Direktion Sport-Technologie & Innovation, die eng mit Sportec Solutions zusammenarbeitet und von Dr. Hendrik Weber geleitet wird. „Wir verstehen unsere Aufgabe darin, gemeinsam mit den Clubs aus der Bundesliga und 2. Bundesliga das Sportprodukt und die Rahmenbedingungen für alle Beteiligten kontinuierlich zu verbessern“, sagt Weber, der seit 2011 verschiedene Positionen in der DFL-Gruppe bekleidete, unter anderem bei Sportec Solutions.
Data Hub
In der zentralen Spieldatenbank der DFL – dem Data Hub – laufen die während der Spiele erhobenen Daten ein. Hier werden sie gespeichert und verarbeitet, von hier aus werden Datenfeeds an Clubs, Medienpartner und weitere Abnehmer ausgeliefert oder in datengestützte Produkte eingespeist. Im Data Hub sind zudem die Offiziellen Spieldaten seit der Saison 2011/12 sowie Basisspieldaten seit den Gründungsjahren der Bundesliga und der 2. Bundesliga archiviert.
Match Analysis Hub
Der Match Analysis Hub ist ein umfassendes Online-Dashboard, das den Proficlubs und Medienpartnern der DFL einfachen Zugriff auf verschiedenste Elemente der Spielanalyse gibt. Neben zahlreichen Spieldatenvisualisierungen werden außerdem Downloads wie Spielreportings, Datenstorys oder auch Videosignale für Spielanalysten der Clubs bereitgestellt.
Ein Schwerpunkt der Arbeit: die Offiziellen Spieldaten. Sie sind die Grundlage für alle datengetriebenen Angebote und Produkte, die entwickelt und von Clubs, Medienpartnern und in der DFL-Gruppe genutzt werden. Sie liefern das Datengrundgerüst, das aus Stammdaten, den Spielinformationsdaten sowie Positions- und Ereignisdaten besteht.
Die Stammdaten beinhalten beispielsweise die Namen aller Spieler und Clubs. Die Spielinformationsdaten erfassen unter anderem Aufstellungen und Anstoßzeiten jeder Begegnung. Die Positionsdaten – mit einer Vielzahl an Kameras in jedem Stadion weitgehend automatisch erfasst – geben die Tracking-Daten aller Profis und des Balls wieder. Summiert ergeben sie die 3,6 Millionen Datenpunkte, die pro Partie in der Bundesliga und 2. Bundesliga erhoben werden. Die Ereignisdaten erfassen wiederum alles, was über die Bewegung von Spielern auf dem Platz hinausgeht – wie etwa Pässe, Flanken, Fouls oder auch Tore. 1.600 dieser sogenannten Events werden pro Spiel von einem Mitarbeitenden aus dem Stadion an die Kolleginnen und Kollegen in der Erhebungszentrale in München übermittelt (ab Seite 22).
Diese unterschiedlichen Spieldaten wurden in den vergangenen Jahren innerhalb der DFL-Gruppe auch in Zusammenarbeit mit Partnern wie Amazon Web Services (AWS) für Innovationen genutzt, die Medienpartnern und Clubs bei ihrer täglichen Arbeit helfen; die Bundesliga Match Facts powered by AWS sind ein prominentes Beispiel. Sie unterstützen die Kommentierenden der DFL-Medienpartner und im Internationalen Produktportfolio sowie Fans beispielsweise dabei, das Spiel noch besser einzuordnen (ab Seite 30). Mit den Spieldaten gearbeitet wird auch in den Clubs, wo Athletiktrainer, Spiel- oder Videoanalysten Begegnungen mithilfe der Daten noch besser vor- und nachbereiten können und diese auch in der Live-Analyse verwenden, um bereits während der 90 Minuten Impulse geben zu können.
Für solche und viele weitere Anwendungsfälle fließen die Offiziellen Spieldaten unter anderem in den sogenannten Match Analysis Hub, eine Online-Plattform, in der alle club- und spielerbezogenen Daten sowie die Bundesliga Match Facts auch schon während der Live-Spiele hinterlegt werden.
Medienpartner und vor allem Clubs sind Teil der Entwicklung. „In verschiedenen Arbeitsgruppen stimmen wir uns unter anderem mit Spiel- und Datenanalysten, Scouts und Athletiktrainern ab, um über Anforderungen und Bedürfnisse zu sprechen“, sagt Weber. „Wir wollen Input bekommen, um Neues zu entwickeln. Wir verstehen uns aber auch als Impulsgeber und bieten den Clubs in unserem Data-Science-Team entwickelte Datenprodukte an.“
Zwölf Jahre nach Beginn der Aufzeichnung Offizieller Spieldaten ist deren Bedeutung größer denn je. „Das Thema hat heute für viele Kolleginnen und Kollegen eine Relevanz, allen voran natürlich für die Bereiche Analyse und Scouting. Die Datenanalyse ist inzwischen viel detaillierter“, sagt etwa Simon Rolfes, Geschäftsführer Sport bei Bayer 04 Leverkusen, im Interview (ab Seite 26). Der frühere Nationalspieler hat während seiner Zeit als Profi bereits die Anfänge der Entwicklung erlebt: „Heute gibt es ein ganz anderes Verständnis: bei Clubs, Spielern und Fans.“
Diese Einschätzung teilt auch Dr. Hendrik Weber: „Wir sind an einem Punkt angekommen, an dem Daten nicht mehr wegzudenken sind.“
Die folgenden Seiten liefern umfassende Informationen zu den Offiziellen Spieldaten – von der Erfassung in den Stadien über die Sammlung, Verbreitung und Kontrolle in den Erhebungszentren bis hin zur Nutzung durch Proficlubs, internationale Medienpartner und die DFL-Gruppe selbst.
Internationales Produktportfolio (IPP)
Das IPP setzt sich zusammen aus einer großen Zahl vielfältiger Medienprodukte für die internationalen Medienpartner der DFL. Das Angebot existiert seit der Saison 2005/06 und umfasst unter anderem alle 306 Bundesliga-Spiele einer Saison mit englischsprachigem Kommentar sowie Highlight-Videos. Die Offiziellen Spieldaten finden sich in vielen Bereichen des IPP wieder, beispielsweise in Form von TV-Grafiken oder im Live-Kommentar.
Commentary Live System
Medienpartnern der DFL und insbesondere Live-Kommentierenden steht für die Spiele der Bundesliga und 2. Bundesliga mit dem Commentary Live System ein spezielles Redaktions-Tool zur Verfügung, das zahlreiche Inhalte maßgeschneidert für ihre Arbeit bereitstellt: Statistiken, Aufstellungen, Einzelheiten zu Spielern, Rankings sowie Hintergrundwissen.
Bundesliga Match Facts powered by AWS
Gemeinsam mit Amazon Web Services (AWS) generiert die DFL durch die Echtzeiterfassung und -analyse der Offiziellen Spieldaten sowie den Einsatz von Machine Learning Statistiken, die eine datenbasierte zusätzliche Perspektive auf das Spielgeschehen ermöglichen. Beispiele für Bundesliga Match Facts sind „Balleroberungsdauer“, „Gegnerdruck“ oder auch „Torwahrscheinlichkeit“.
Machine Learning
Es handelt sich um ein Teilgebiet der künstlichen Intelligenz. Lernende IT-Systeme sind in der Lage, Muster und Gesetzmäßigkeiten zu erkennen. In der Erhebungszentrale hilft Machine Learning den Tracking-Kameras unter anderem dabei, Spieler einwandfrei und schneller zu identifizieren.