LEBENSHILFE

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Es ist Marta, die zu Jesus rennt und ihrer Enttäuschung Luft macht. «Wärst du hier gewesen, so wäre mein Bruder nicht gestorben! Habe ich nicht nach dir rufen lassen?» – Das ist der Schrei vieler Glaubenden. Sie flehen, hoffen, glauben, aber die Lage spitzt sich zu. Das Unglück nimmt seinen Lauf: die Krankheit verschlimmert sich; der Sohn läuft weiter in sein Verderben; die finanzielle Lage wird immer kritischer. Jetzt, jetzt müsste Gott eingreifen. Warum nur tut er es nicht? Sieht er die Not nicht? Bin ich ihm gleichgültig? Habe ich mich in ihm getäuscht? Fragen, die sich wie Pfeile in unser Leben bohren. Das Schweigen Gottes und die Suche nach Antworten werden zur Qual.

Marta hat ihrem Herzen Luft gemacht, genauso wie viele andere gottesfürchtige Männer und Frauen in der Bibel, deren Erwartungen nicht erfüllt wurden. Aber sie machen das Richtige: Sie deponieren ihren Frust und ihre Enttäuschung an der richtigen Adresse. Auch Marta.

Blenden wir zurück. Was ist passiert? Lazarus, ihr Bruder, ist schwer krank. Marta und ihre Schwester Maria tun das Naheliegende, sie schicken zu Jesus, ihrem vertrauten Freund, der zwei Tagesreisen entfernt ist, und lassen ihn wissen: «Herr, der, den du lieb hast, ist sehr krank.»

Die Freundschaft zwischen Jesus und den drei Geschwistern muss sehr eng gewesen sein, denn Marta nennt nicht mal den Namen ihres Bruders. Wir würden annehmen, dass sich Jesus sofort auf den Weg zu seinem Freund macht. Hat er nicht unzählige Fremde, die seinen Weg kreuzten, geheilt? Jesus reagiert auf die traurige Nachricht für uns unverständlich. Er wartet zwei volle Tage, bis er sich in die Gegend aufmacht, wo sie ihn zuvor steinigen wollten. Im Gegensatz zu den Schwestern sieht er den Sinn des Geschehens: «Diese Krankheit ist nicht zum Tode, sondern zur Verherrlichung Gottes, damit der Sohn Gottes dadurch verherrlicht werde.» Aber, wie um dem Ganzen die Spitze zu nehmen, steht da noch: «Jesus aber hatte Marta lieb und ihre Schwester und Lazarus.»

«Fragen, die sich wie Pfeile in unser Leben bohren. Das Schweigen Gottes und die Suche nach Antworten werden zur Qual.»

Auch wenn wir Gottes Wege mit uns nicht verstehen – an seiner Liebe müssen wir nicht zweifeln. Manchmal scheint es, als hätte der Herr Verspätung, aber vielleicht sollen wir erst einmal etwas lernen, bevor der Herr eingreift – wie auch immer.

Während die Schwestern am Bett ihres schwerkranken Bruders sitzen, um sein Leben bangen und sehnlichst auf Jesus warten, stirbt Lazarus.

Irgendwann, nach einigen Tagen, haben sie keine andere Wahl, als ihn schweren Herzens zu begraben. Bitter enttäuscht müssen die Schwestern gewesen sein, als Jesus nach vier Tagen endlich auftaucht.

«Wärest du hier gewesen ...!» Aber gleich danach – vielleicht hat Marta in Jesu Augen die Liebe gesehen – stammelt sie ein unglaubliches Glaubensbekenntnis: «Aber auch jetzt weiss ich: Was du bittest von Gott, das wird er dir geben.» Und auf dieses Vertrauen antwortet Jesus: «Dein Bruder wird auferstehen.» Nicht erst am Jüngsten Tag, sondern jetzt. «Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt ... glaubst du das?» Marta glaubt, dass Jesus der Christus ist, aber da sind diese Fakten: «Herr, er stinkt schon, denn er liegt hier schon seit vier Tagen.»

Noch trauern die Schwestern. Als Jesus ihren Kummer sieht, erfüllen ihn Schmerz und Zorn. Es berührt mich stets von neuem, wenn es da heisst: Und Jesus weinte. Mitten im Schmerz der Trauernden und Verzweifelten ist der Herr da und leidet mit. Nicht nur bei Marta und Maria, auch bei uns, die wir ihm angehören.

Und dann, nach der Zwiesprache mit seinem Vater, ertönt der Ruf des Gottessohnes, der den Toten ins Leben zurückholt: «Lazarus, komm heraus!» Gebunden mit Grabtüchern steigt dieser aus der Gruft. Und viele, so heisst es, glaubten an Jesus. Das Wort wurde wahr: «Habe ich dir nicht gesagt, wenn du glaubst, wirst du die Herrlichkeit Gottes sehen?»

Liebe Leserinnen und Leser, Vertrauen ist nötig, Vertrauen zum Vater, der immer das Beste mit seinen Kindern im Sinn hat. Vertrauen darauf, dass Seine Wege – ob sie uns gefallen oder nicht – die einzig richtigen, die bestmöglichen sind. «Ist Gott für uns, wer kann wider uns sein? Der auch seinen eigenen Sohn nicht verschont hat, sondern hat ihn für uns alle dahingegeben – wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken?» (Röm. 8,32). ER liebt uns mit unaussprechlicher Liebe, darum müssen alle Dinge zu unserem Besten dienen. Alles muss uns vorwärts helfen, auch Enttäuschung und Leid. Gott hat uns gerufen und berufen, Zeugen seiner Liebe zu sein.

Wir sind noch unterwegs, manchmal im Nebel und immer wieder voller Angst. Aber seine Hand ist ausgestreckt, wir dürfen sie voller Vertrauen fassen. ❖

Yvonne Schwengeler, Jg. 1946, verwitwet, vier erwachsene Kinder, langjährige ethos-Chefredaktorin.
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2021-10-26

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