
EDITORIAL

Liebe Leserin, lieber Leser
Spontan kaufte ich im Hobbymarkt Saatkartoffeln. Das war gegen jede Logik. Schliesslich hatten wir unseren Gemüsegarten längst in eine Rasen- und Sträucheroase verwandelt. Es hatte mich einfach gepackt. Der instinktiv getätigte Kartoffelkauf stand wohl in einem Zusammenhang mit meiner bäuerlichen Herkunft. In meinem Dialekt heissen Kartoffeln übrigens Herdöpfel; in anderen Regionen spricht man von Erdäpfeln oder Grundbirnen. Mit Kartoffelsaat und -ernte bin ich gross geworden. Ganz besonders liebte ich es, barfuss hinter der Erntemaschine herzurennen. Die Erde ist dann in speziellem Masse leicht, weich und kühl. Die verdorrten Pflanzenstängel türmten wir zu Haufen. Bevor wir sie anzündeten, legten wir einige Kartoffeln hinein. Mit Stecken klaubten wir anschliessend die schwarzen Knollen aus der heissen Asche, knackten die hart gewordenen Schalen und genossen das dampfende Innere. Was für ein Fest der Sinne! Das war der Höhepunkt jeder Kartoffelernte.
«Wenn ihr nicht glaubt, so werdet ihr gewiss keinen Bestand haben!»
Jesaja 7,9 b
Es müssen solche Erinnerungen gewesen sein, die mich zum Spaten greifen liessen, um ein kleines Kartoffelbeet vorzubereiten. Was mein Vater früher im grossen Stil pflegte – pflügen, eggen, säen –, tat ich jetzt im Kleinen. Nach dem fein säuberlichen Ziehen der Furchen legte ich die Kartoffeln achtsam in die Reihen und deckte sie sorgfältig zu. – Klar kenne ich das Sprichwort von den Bauern mit den grössten Kartoffeln! Damit wird jemand beschrieben, der ohne geistige Klimmzüge und ohne Anstrengung grossen Erfolg hat. Tatsächlich werden aus einer Saatknolle zehn neue Kartoffeln! Allerdings ist ein Bauer, der seine Kartoffeln in Ruhe wachsen lässt, keineswegs dumm. Dumm ist anders. Mir war vertrauensvolles Hoffen auf Wachstum zu wenig. Nach drei Wochen wollte ich etwas für meine Kartoffeln tun. Da passierte es! Beim Aufhäufeln der Reihen riss ich eine der Saatkartoffeln ans Tageslicht! Wenn ich keinen Ertrag wollte, dann musste ich nur so weitermachen ... dümmer gehts nicht! Es steckt doch niemand Kartoffeln in die Erde, um sie nach drei Wochen wieder herauszuholen! Aber wissen Sie was? Wenn es um Gottes Wort geht, handeln viele Menschen genau so.
Der Sämann in Jesu Gleichnis (Luk. 8,4–15) streut das Saatgut nicht kleinlich sparsam, sondern mit grossem Wurf; es fällt sogar auf felsigen Grund und unter Dornen. Dieser Same ist das Wort Gottes. In unseren Ländern wird die Gute Nachricht, das Evangelium von der Gnade Gottes in Jesus Christus, noch immer breit gestreut und verkündigt. Aber: Die Kraft dieses «Saatguts» entfaltet sich nur dort, wo das Wort Gottes geglaubt und darauf vertraut wird, sonst hilft es nicht: «(...) das Wort der Verkündigung hat jenen nicht geholfen, weil es bei den Hörern nicht mit dem Glauben verbunden war» (Hebr. 4,2). Unglaube ist wie Kartoffeln setzen und sie nach drei Wochen wieder aus der Erde holen. Das bringt keine Frucht, ein solches Leben hat keinen Bestand. Nur wer glaubt, wird leben.
Herzliche Grüsse,
Ihr Rolf Höneisen