

EDITORIAL
LIEBE LESERIN, LIEBER LESER
Hühnerchrist oder Schinkenchrist? Nein, es geht nicht um christliche Ernährungsfragen, nicht darum, welchen Lifstyle Christen haben sollen oder ob wir politisch links oder rechts stehen. Jeannot Gauggel war bereits viele Stunden mit dem Auto unterwegs. Auf einer Autobahnraststätte machte er halt. Sein Hunger war gross, so bestellte er das «Lastwagenfahrer-Frühstück» – zwei grosse Scheiben Schinken, darauf je ein verlockendes Spiegelei und Brot dazu. Beim Essen musste er daran denken, dass zwei Tiere für sein Frühstück etwas von sich dafür geben mussten: das Huhn die Eier und das Schwein den Schinken. Das eine Tier gab etwas von sich, das andere musste sich selbst geben. Dieses Bild liess ihn nicht mehr los.
Auf der Reise durchs Leben ist Gott bei «Hühnerchristen» nur Beifahrer. Sie sind überzeugt von ihren Fahrkünsten, wollen ihn mit ihren Überholmanövern beeindrucken. Sie wähnen sich besser als andere, gerechter, kompetenter, erfolgreicher. Lediglich bei Überforderung im dichten Verkehr oder an Strassenkreuzungen ist ein Tipp von ihm gefragt. Manchmal darf er kurz das Steuer halten, aber selbst dann geben sie die Richtung vor. Der Herr könnte ja auf die Idee kommen, die Schnellstrasse zu verlassen, und sie auf holperige Wege führen.
«Denn an Liebe habe ich Wohlgefallen und nicht am Opfer (...)»
Hosea 6,6 a
«Hühnerchristen» legen Eier und gackern laut dazu: «Habt ihr gesehen, ich gebe Gott viele und grosse Eier!» Die Eier haben ganz unterschiedliche Farben und Namen: Geld, Zeit, Hilfeleistungen oder gar Mission. Regelmässig wird der Eierberg mit dem anderer Artgenossen verglichen. In scheinbarer Demut wird Ei auf Ei gehäuft in der Überzeugung, damit für den Himmel Punkte zu sammeln. Muss Gott nicht zufrieden sein mit diesen Leistungen?

Der «Schinkenchrist» gibt nicht nur etwas von sich, er gibt sich Gott selbst hin: seinen Eigenwillen und sein Selbstbestimmungsrecht. Er gibt sich dem hin, der ihn so liebt, dass er sein Leben für ihn gab. Der ihn freikaufte vom ewigen Verderben und ihm mit seinem Opfer die Tür ins himmlische Vaterhaus aufstiess. Er braucht keine «Eier» zu legen, um Gott zu gefallen. Er dient aus Liebe.
Wie steht es bei uns? Dienen wir aus Pflichtgefühl, um damit Gott und Mitmenschen zu beeindrucken? Als Versuch, uns das Eintrittbillett in den Himmel zu erwerben? Oder dienen wir mit unserem ganzen Sein, aus Liebe? Gott möchte nicht in erster Linie unsere Gaben – er möchte unser Herz. Nicht mehr und nicht weniger. Jesus stellte Petrus die Frage, und er stellt sie auch uns: «Hast du mich lieb?»
Herzlichst,
Daniela Wagner-Schwengeler
