
ICH-DIÄT

In unseren Kindertagen wollten wir gern wachsen und gross werden. Damals wurden wir sogar beim Essen dahingehend ermuntert: «Iss, damit du gross und stark wirst.» Immer wieder haben wir unsere Grösse in Zentimetern messen lassen. Der Türpfosten war oft die Messlatte, und wir waren stolz, wenn der nächste Strich ein paar Zentimeter über dem letzten Strich angebracht wurde. Das bedeutete tatsächlich: Wir waren gewachsen.
Auch als erwachsene Menschen spielen wir immer wieder dieses kindliche Spiel durch. Wir wollen grösser sein, wir wollen weiterkommen, wir wollen andere überragen und übertrumpfen. Wir wollen mehr Einfluss haben und wichtiger werden als andere. Johannes der Täufer aber spricht das Gegenteil aus: «Ich muss abnehmen, ich muss zurücktreten. Ich muss kleiner werden – damit ein anderer grösser wird.» Diese Ich-Diät ist auch für uns ein guter Weg in der Nachfolge. Johannes ging es ja nicht um das Kleinerwerden an sich. Er wollte auch nicht von seiner Aufgabe zurücktreten, sondern er wollte, dass ein anderer gesehen wurde. Der Blick der Menschen sollte auf Jesus fallen. Jesus sollte gesehen, gehört, beachtet und geliebt werden. Und er, Johannes, wollte da nicht im Weg stehen. Ihm war wichtig: Jesu Einfluss sollte wachsen. Und das Geniale an dieser Geschichte ist, dass Johannes deswegen nicht zu kurz kam. Im Evangelium lesen wir, wie Jesus Johannes vor dem Volk rühmte und sich zu ihm stellte. Ja, wenn wir die Ich-Diät annehmen, sorgt Jesus selbst dafür, dass wir nicht zu kurz kommen. Er sorgt für unsere Ehre und dafür, dass wir einen bedeutenden Platz einnehmen. Es kann für uns wie eine Befreiung wirken, wenn wir uns die Freiheit nehmen, zurückzutreten, damit Jesus in den Vordergrund tritt. v
Gebet: Herr, werde du grösser und lass mich geringer werden in den Augen der Menschen. Ich möchte, dass sie dich durch mich sehen. Lass mich ein starker Hinweis sein auf dein Heil und auf deine Grösse.
Aus: Aus der Quelle – 365 frische Impulse, Werner Schlittenhardt, CV Verlag