

AUTONOMER MODELLFLUG TEIL 3 – STRECKENFLUG UND FPV
Programmieren des Flight-Controllers und FPV-Basics
„Über den Wolken…“, tönt es aus dem Radio im Hobbykeller, während ich einen neuen Tiefdecker aufbaue. Dies ruft neben dem Traum vom Fliegen auch den Wunsch wach, sich die Welt einmal selbst von oben anzusehen. Der Flight-Controller mit allerlei Sensorik eröffnet im Flächenflieger schon viele neue Möglichkeiten, nun sollen die Return-to-Home-Funktion und der autonome Streckenflug programmiert werden. Warum nicht auch noch First-Person-View installieren? Die Welt von oben erleben, direkt aus dem Cockpit des Modells – natürlich in Echtzeit! Wie beides geht, erfahren Sie hier.
NORBERT WANKE
FPV ist ein eigenständiges System und kann deshalb unabhängig von der Ausstattung und dem Antrieb in jedes Modellflugzeug eingebaut werden. Kernstück im Modell ist die Kamera, die entweder mit CCD-Sensoren ein komplettes Bild nach dem anderen scannt oder mit CMOS-Sensoren im Zeilensprungverfahren das Bild zusammensetzt.

Beim FPV-Fliegen wollen wir sofortigen Sehgenuss. Mit einer All-in-one-Kamera, die einen Videosender (VTX) samt Antenne vereint, ist das möglich. Dieses Bauteil benötigt nur eine Stromquelle über ein Servo-Kabel und schon kann man das Signal mit einer FPV-Brille empfangen. Naja, nicht ganz – vorher müssen noch das grüne und das gelbe Kabel verbunden werden: Video IN mit Video OUT. Nun funktioniert es. Die abgebildete Eachine TX05 ist vibrationsgeschützt und wiegt nur 4 g.

Modultechnik und Kameratypen
Für den spezialisierten Einsatz stehen Kameras mit integriertem oder separatem (modularem) Sender zur Auswahl. Manche Modelle verfügen zudem über einen Videorecorder zum späteren Beurteilen des Flugs am PC. Kameras mit separatem Sender sind kaum teurer, bieten jedoch einige Vorteile. Der Videosender kann im Gegensatz zur Kamera fernab von streuender Elektronik positioniert werden. Dies ist im Besonderen das ESC und der Elektroantrieb. Interferenzen können nämlich die Bildqualität beeinträchtigen. Hier spielt nun der Shutter der Kamera eine Rolle. Das Zeilensprungverfahren mit Rolling-Shutter spart zwar Datenvolumen, reagiert allerdings viel empfindlicher auf schnellen Motivwechsel und demnach auch auf Vibrationen, wie sie z.B. große Viertaktmotoren verursachen. Das Bild wird quasi wie die Lamellen eines Rollladens nach und nach zusammengesetzt und deshalb passt der zeilenweise Scan mitunter nicht mehr zusammen. Bildkrümmung ist die Folge. Sensoren mit Global-Shutter produzieren schnelle und scharfe Bilder, da sie das gesamte Bild gleichzeitig scannen. Ein zusätzlicher Videorecorder mit SD-Karte an der Kamera ermöglicht sogar eine 4K-Aufzeichnung, also höchste Bildqualität und simultan ein analoges Livebild beim Piloten. Die Caddx Loris 4K ist hierfür eine Empfehlung.

Einbauort der Kamera
Der Einbauort sollte möglichst aerodynamisch günstig gewählt werden, integrativ im Modell ist natürlich eleganter als ein Fremdkörper auf dem oder außen am Modell. Das Gewicht von rund 5-10 g kann man bezüglich des Schwerpunktes vernachlässigen. An meiner Godot habe ich die Kameraeinheit vorne in die Motorhaube eingebaut, nur die Antenne ist außerhalb. Die Optik braucht eigentlich ungehinderten Durchblick. Der Propellerkreis stört ein wenig die Bildqualität, durch eine gewölbte Cockpithaube hindurch würde aber der Autofokus nicht optimal funktionieren. Diese Kompromisse kann man aber eingehen. Für das Verfolgen des Return-to-Home-Flugs und die Sicht aus größerer Höhe reicht es allemal. Wird perfekte Sicht gewünscht, bietet sich als Montageort die Tragfläche oder bei einem Modell mit Schubantrieb die Rumpfnase an.

Telemetrie oder Flight-Controller
Ein Flight-Controller ist für den FPV-Flug nicht nötig, bietet aber zusätzliche Vorteile gegenüber einem Flächenflieger mit normalem Telemetrie-Empfänger. Deren wenige Telemetriedaten werden ja nur als Zahlenwert im Display des Senders angezeigt und sind somit in der FPV-Brille nicht sichtbar. Eine permanente Sprachausgabe stört auch mehr, als dass sie nützt. Schleift man aber das Kamerabild durch den Flight-Controller (gelbes Kabel an C1), wird zum einen die Information frei auswählbar, z.B. Höhe, Lage, G-Kräfte, GPS, Kompass, Spannung und vieles mehr. Zum anderen wird sie in das Kamerabild eingeblendet und gemeinsam über den Videosender (grünes Kabel an VTX) zum Display der FPV-Brille live gesendet. Perfekte Information auf einen Blick.

FPV-Videobrillen
Als Erstes muss der Trageriemen an den Sender, meistens liegt er noch unbenutzt im Karton, da die meisten Piloten ohne ihn fliegen. Denn für das Auf- und Absetzen der Videobrille braucht man kurzzeitig beide Hände. Bei den analogen FPV-Brillen ist der Hersteller Fatshark der Platzhirsch am Markt. Diese Brillen haben eine geringe Latenz, d.h. kaum Zeitverzögerung von der Aufnahme bis zum Bild im Display. Eine Bildstörung ist oft nur ein Flackern oder bruchstückhaftes Aussetzen. Das teurere digitale System ist aufgrund der zweifachen Wandlung (AD<>DA) etwas langsamer, bei Störungen ist das Bild ganz weg und es braucht etwas mehr Zeit bis zur Synchronisierung. Aber das digitale Bild ist ein wirklich perfektes und scharfes Bild – wie der Blick durch eine Spiegelreflexkamera. Das analoge Bild kann man mit einer modernen Bridgekamera vergleichen, hier sieht man nicht die Realität wie durch ein Objektiv, sondern ebenfalls ein Monitorbild – durch weniger Pixel unschärfer und detailärmer.

Rechtlicher Rahmen
„Über den Wolken, muss die Freiheit wohl grenzenlos sein“ – nicht immer, denn aufgrund der EU-Gesetzgebung hat leider gerade das digitale System eine geringere Reichweite durch Limitierung der Sendeleistung. Für uns Modellflieger und FPV-Beginner also keine leichte Entscheidung, im Vordergrund steht aber doch eher der gelegentliche Gebrauch. Für den Einstieg suchen wir deshalb nicht im teuren Neuheitensegment mit höchster Auflösung, sondern erst einmal günstige analoge Modelle des Gebrauchtmarktes. Ein typischer Vertreter der preisgünstigen Brotkastenbrillen ist die Eachine EV800 mit nur einem Bildschirm. Im Prinzip wie eine Taucherbrille, nur länger und deshalb auch frontlastig. Durch ihre Größe ist sie umständlich in der Warteposition auf der Stirn zu halten. Qualitativ etwas besser und ebenfalls weit verbreitet ist die Predator V2 von Fatshark. Pro Auge ein Bildschirm, getrennt fokussierbar durch einsetzbare Korrekturgläser, deutlich kompakter und deshalb so angenehm zu tragen wie eine hochgeschobene Sonnenbrille. Findet man Gefallen am FPV-Flug, ist ein Umstieg auf aktuelle Modelle mit besserer Optik immer möglich. Umsteigen wollen wir jetzt auf den autonomen Flug – hierzu nun die Programmierschritte.
Programmierung des Flight-Controllers

Die komfortable Step-by-step-Programmierung (siehe FMT 12/2020) setzen wir fort mit der Return-to-Home-Funktion (RTH). Die ist das Besondere beim Flight-Controller: Ist beim FPV-Fliegen auf einmal das Bild weg, ist RTH die Rettung! Im Menü MODES findet man den Punkt mit der Bezeichnung NAV RTH. Als Servoweg wird ein Wert zwischen 1.000 und 2.000 gewählt, also entweder unterhalb oder oberhalb der Mitte. Gewählter Kanal ist hier CH9 – es ist aber jeder freie Kanal möglich. Nun speichern.

Fehlt noch eine Geberzuweisung im Sender, z.B. ein 2-fach AN/AUS-Schalter. Die aktuelle RTH-Position speichert der Flight-Controller vor jedem Start selbstständig. Die INAV Firmware 2.5.2. ermöglicht noch keinen alternativen RTH-Ort, dies ist aber zukünftig ab Version 2.6.0. möglich.

Nun scrollen wir im Konfigurator etwas nach unten zum Punkt MISSION CONTROL, um einen Streckenflug zu programmieren. Das System greift auf externe Karten zu, z.B. Open-Street-Maps. Dort nun das Fluggebiet auswählen und den Kartenausschnitt vergrößern. Man kann nun die Wegpunkte in erlaubter Entfernung zum Modellflugplatz oder gemäß LuftVO mit dem Cursor setzen. Im Screenshot sind es die blauen Symbole. Klickt man den Wegpunkt an, wird dieser rot und es öffnet sich ein Fenster mit den Koordinaten und Feldern für die Flughöhe ALT (in cm), hier gebe ich einen Wert von 5.000 cm = 50 m ein, was einer sinnvollen Sicherheitshöhe entspricht. Unter dem Punkt SPEED kann man z.B. cm/s: 1.667 = 60 km/h eintragen. Beide Werte sind variabel wählbar und von Umgebung und Modell abhängig. Bitte die Umrechnung von Meter und km/h beachten und nun speichern – jeweils alle Wegpunkte der Route! Ähnlich einfach und direkt vor Ort auf dem Flugplatz geht es mit dem Mission-Planer als App für das Handy.
Aufspielen der Mission

Mit einem OTG-Kabel kann dann die am Handy kreierte Route direkt über die USB-Buchse in den Flight-Controller überspielt werden. Um den Streckenflug zu starten oder zu beenden, ist ebenfalls ein Geber im Sender samt Kanalzuweisung zu definieren. Das Modellflugzeug muss in der Luft sein, um den autonomen Streckenflug mittels Kippschalter am Sender zu starten. Richtung, Höhe und Speed übernimmt dann der Flight-Controller. Der Sender hat nun so lange Pause, bis der Schalter wieder betätigt wird. Genießen Sie die Show in FPV!

Oberhalb des Menüpunktes NAV RTH findet sich der Punkt NAV POSHOLD – im ersten Screenshot, also das Halten einer Position. Beim Flächenmodell ist das natürlich ein Kreisflug in definierter Höhe, selbst die Abdrift durch den Wind wird automatisch korrigiert. Quasi eine Parkposition während des Flugs, da, wo sie es wollen – ist das nicht super? Die Programmierung und Geberzuweisung ist nun selbsterklärend, wenn die Routenplanung beherrscht wird.
Warten auf Godot

Nun kommt der große Augenblick. „Wind Nordost, Startbahn 03…“ Ich starte meine Sbach und habe sie bald als winzigen Punkt fast aus den Augen verloren. Wird sie zurückkommen? Nach dem Programmieren spricht einiges dafür – es waren dennoch bange Augenblicke beim Testflug, ungewohnt der Blick durch die Brille, traumhaft der Blick von oben. Sowohl mit der RTH-Funktion wie auch am Ende des autonomen Streckenflugs wird das Modell in Platznähe manuell übernommen und gelandet. Autolanding ist noch ein anderes Thema. Nach der Landung hatte ich wieder das Lied im Ohr: „Über den Wolken…“
Fazit

Alles, was uns groß und wichtig erscheint, ist von oben nichtig und klein, dennoch unglaublich faszinierend. FPV und der programmierte Flight-Controller im Flächenflieger bieten dem Modellpiloten eine neue Herausforderung. Gleichzeitig ist es eine variantenreiche und preisgünstige Innovation des Modellflugs. Wer hätte das vor Jahren für möglich gehalten. Probieren Sie es aus!