

Senkrecht
WORLD MEETING für VTOL-Modelle
Ein Flugzeug-Hersteller oder das, was übrigblieb, nämlich das Dornier-Museum in Friedrichshafen am Bodensee, erinnert bei den jährlich stattfindenden Do-Days an die Glanzzeiten des großen deutschen Flugzeugherstellers Dornier. Zum Jubiläum des Erstfluges der Do 31 vor 50 Jahren hatte das Museum in diesem Jahr mit der VTOL-WM einen ganz besonderen Programmpunkt für Modellflieger in die Veranstaltung integriert.
Zur RC-VTOL-Weltmeisterschaft vom 8. bis 12. August 2018 (VTOL steht für Vertical-Take-Offand Landing) waren weltweit alle Modellflugpiloten eingeladen, die im Besitz eines voll funktionsfähigen, strahlgetriebenen (Turbine oder Impeller, angetrieben mit ummantelten und nicht ummantelten Rotoren, Elektro- oder Verbrennungsmotoren), Semi-Scale VTOL-Flächenmodells bis zu einem Abfluggewicht von 25 kg sind und die die Teilnahmebedingungen erfüllen. Im Fokus des Meetings stand die Darstellung weiterentwickelter Antriebssysteme und Flugsteuerungen zum Einsatz von VTOL Fixed Wing Fluggeräten in der Luftfahrt. Die Modellflug-Gemeinschaft konnte in historischer Umgebung und bei entspannter Atmosphäre ihre innovativen Entwicklungen einem breiten Publikum präsentieren, sich fachmännisch austauschen und gleichzeitig Kontakte und die Freude am Fliegen pflegen.
Integraler Bestandteil des RC-VTOL-Wettbewerbes war auch eine Vortragsreihe über VTOL Geschichtliches, VTOL Antriebsauslegungen im Modellflug und einen Ausblick in die VTOL Zukunft. Denn die Modellflug Community ist mit ihren Entwicklungen in der miniaturisierten Antriebs- und Flugsteuerungstechnologie heute durchaus auch Wegbereiter in der bemannten und unbemannten Luftfahrt.

Hohe Prämien
Jedes zur Teilnahme berechtigte Team erhielt eine Startprämie in Höhe von 500 Euro. Eine Jury prämierte die drei gelungensten Projekte mit Preisen von 1.000 bis 3.000 Euro, die schlussendlich aber so verteilt wurden, dass auch die vierten und fünften Plätze mit einer kleinen Geldsumme bedacht wurden. Bis zu 15 Piloten sollten zum Wettbewerb zugelassen werden, ausgewählt von einer Jury. Ermöglicht wurden die lukrativen Preise von Camilo Dornier, Enkel des Flugzeugbauers Claude Dornier, und seinem Cousin David Dornier, der das Museum leitet.
Doch die Piloten, die sich angemeldet haben, kamen nicht wegen des Preisgeldes, hieß es, obwohl sie in ihre Modelle teilweise sehr viel Geld investiert hatten. Von Preisgeldern ließe sich das nie finanzieren. Den Meeting-Teilnehmern - einige von ihnen haben zur Do 31-Zeit schon bei Dornier gearbeitet - gehe es vielmehr darum, andere Modellbaubegeisterte kennenzulernen und um sich mit ihnen auch fachlich auszutauschen. Für den Technologieaustausch beziehungsweise -transfer gab es drei Fachvorträge: So sprachen Ludwig Retzbach über „Akkutechnologie gestern, heute, morgen“, Tobias Pfaff über „Die Aerodynamik in der Transitionsphase“ und Peter Kielhorn über „Entwicklung der Steuerung und Fluglageregelung bei der Do 31“. Peter Kielhorn wird übrigens noch in diesem Jahr ein Buch über die Do 31 im Motorbuch-Verlag herausbringen. Und Ludwig Retzbach ist als Akku- und E-Motorenspezialist längstens vielen Modellbauern bekannt.

Neun Piloten aus Deutschland, Italien den Niederlanden, Österreich und der Schweiz nahmen am Wettbewerb teil. Die Piloten, allesamt passionierte Modellbauer, zeichnen zwei Eigenschaften aus, was ihr Hobby anbelangt: sie verfügen über hervorragende Fachkenntnisse und handwerkliche Fähigkeiten. Fünf strahlgetriebene (Impeller) und vier propeller/ rotorgetriebene Modellflugzeuge wurden in Friedrichshafen gezeigt. „Für diese sehr spezielle Sparte ist das eine sehr gute Resonanz“, sagte Dr. Arnim Selinka, einer der Organisatoren und selbst Modellbauer. Für das Organisationsteam waren alle Modelle interessant, denn erwartet wurden unter anderem drei Harrier, zwei Convair Pogo und eine MV-22B Ospray, eine VJ 101 und eine AW 609. Die Flugmodelle hatten Spannweiten zwischen 80 Zentimeter und drei Metern. „Ausschlaggebend sind die Lageregelung und die Elektronik“, erklärt einer der Organisatoren. Diese haben die Piloten teils selbst entwickelt oder teils auf verfügbare Kreisel und komplette Reglereinheiten zurückgegriffen und umprogrammiert. Antriebsmotoren, Stellelektroniken und Batterien kamen selbstverständlich von der Stange.
Schwierigkeiten am Airport
Die Jury, gestellt durch zwei erfahrene Modellbauexperten aus der Region, unterteilten die Modelle in zwei Klassen: Kategorie A für strahlgetriebene Flächenmodelle, die mit Impellertriebwerken ausgestattet waren und Klasse B mit propeller- bzw. rotorgetriebenen Flächenmodellen. Drei Durchgänge sollten geflogen werden. Eine Woche vorher stellte sich beim auf dem Airport durchgeführten VTOL-Innovationswettbewerb aber heraus, dass eine weitere Flugdurchführung auf dem Gelände durch den Linien- und Bedarfsluftverkehr nicht machbar sein würde.
Der für den Wettbewerb zuständige UAV-Experte Uwe Nortmann, der die UAVDACH-Services UG leitet, suchte mit der Wettbewerbsleitung eine Lösung und fand sie auf dem nahegelegenen Modellflugplatz Unterteuringen, des Aero Modellclub Graf Zeppelin Friedrichshafen e.V., der sich kurzfristig zur Nutzung des Flugplatzes für den Wettbewerb bereiterklärte. Durch die Airport-Nähe war eine maximale Flughöhe von 500 ft auferlegt, welche aber schon alleine deswegen nicht in Anspruch genommen wurde, weil sich der Wettbewerb auf den senkrechten Start und die senkrechte Landung nebst einer Transition in den aerodynamischen Flug konzentrierte.




Klasse A mit Impellern
Eine Sukhoi 47 X, nicht ganz originalgetreu und deswegen mit vergrößerter Tragfläche aus aerodynamischen Gründen konstruiert, begeisterte die wenigen anwesenden Besucher auf dem Modellflugplatz zunächst durch konventionellen Start in den aerodynamischen Flug. Großartig dabei die Schubverktorsteuerung, wie auch beim originalen Experimentierträger, die Leichtflugzeugbauer René Rosentraeger in einen 6,3 kg leichten VTOL-Flieger mit 5 Impellern umsetzte. Trotz Absturz nach der zweiten Transitionsphase nahm er den ersten Preis in dieser Klasse mit zurück nach Berlin.
Anders als geplant, erhielt aber auch Joël Vlashof aus den Niederlanden, ein Service-Techniker einer medizintechnischen Firma, eine Auszeichnung für sein Harrier-Schwebegestell im Maßstab 1: 8,8. Sein Impeller-Elektroantrieb liefert bei seinem System 7,5 kg Schub, die die 6,2 kg schwere Einheit nebst Batterien und Pixhawk Autopiloten sehr stabil in der Luft hielten. Zwei zusätzliche Min-Impeller stabilisieren die Nickachse, während die Rollachse durch weit außenliegende Steuerdüsen durch Zapfluft versorgt wird. Vier am Rumpf außenliegende Schwenkdüsen größeren Durchmessers sorgen für den Senkrechtstart und die -Landung sowie durch Schwenken nach hinten für den Vorwärtsflug, der in dieser Konfiguration aber nur angedeutet werden konnte. Sein flugtüchtiges Modell, so Vlashof, ging leider eine Woche vor dem Wettbewerb zu Bruch. Neben dem Schwebegestell zeigte er aber auch eine noch nicht flugbereite F-35B. Dennoch wurde er mit dem zweiten Preis bedacht. Experten waren sich einig, dass von diesem Modellbauer noch mehr Innovationen in Zukunft zu erwarten seien. Die Antriebseinheit mit Regelung beabsichtigt er neben einem Laserbausatz auf den Markt zu bringen.
Was ein Schweizer Zahnarzt, passionierter Modellbauer alles bewegen kann, bewies Beat Sigrist mit einem Hawker Harrier im Maßstab 1:11. Vier E-Motoren, geregelt über einen KK.2-Copter-Flugregler, ließen das 3-kg-Modell auch elegant in die Transition gehen. Gegen die geballte Konkurrenz der Sukhoi 47 X und dem Harrier-Schwebegesell konnte er jedoch nur Platz drei belegen. Mit einem zweiten Konzept-Modell überzeugte er später die Do-Day-Besucher vor der Kulisse des Museums. Mit drei Impellern ausgestattet, startete er es aus der Hand und fing es nach der Demo auch so wieder auf. Das spricht für sein Regelungskonzept!

Klasse B mit Rotoren
Zu den spannendsten Modellen zählte zweifelsohne der 1:8,5-Nachbau eines Tiltrotor-Flugzeugs vom Typ MV-22B Osprey durch den Österreicher Norbert Schürz. Angetrieben durch einen Kontronik Pyro 850-40 mit 5 kW auf zwei Rotoren, die über eine gemeinsame Welle laufen, überzeugte der Linzer Ingenieur die Jury und erhielt damit auch den ersten Platz in seiner Kategorie. Der Vorteil, so Schürz, liege auch darin, grundsätzlich mit der konstanten Drehzahl beider Rotoren arbeiten zu können, während die Blätter wie bei Modelhubschraubern über einen Taumelscheibe angelenkt werden. Mit 3 m über beide Rotoren gemessen und mit 22,25 kg Abfluggewicht fehlte nur noch die vollständige Transition, wobei festgestellt werden musste, dass die Ausfliegbarkeit dazu aus den Platzverhältnissen heraus nicht gegeben war. Ursprünglich hatte Schürz das Modell auf einen Webra- Verbrenner ausgelegt und gebaut. Danach erfolgte eine Zwischenversion mit einer Pahl-Turbine, doch erst die Umstellung auf einen Elektromotor brachte die erwünschten Ergebnisse.
Binnenschiffer René Kunipatz aus dem Spreewald konnte mit seiner kleinen Convair XFY-1 Pogo, die mit zwei gegenläufigen Motoren arbeitet, knapp vor dem Italiener Ettore Quaglia überzeugen, der mit 4,8 kg und größeren Abmessungen mit seinem Pogo aus privaten Gründen nach zwei Durchgängen leider die Veranstaltung abbrechen musste. Die Pogos werden mit gegenläufigen Propellern angetrieben, wie sie auch beim Original vorhanden waren, die so den Schub erzeugen. Das Original flog bereits 1954. René Kunipatz hatte bei seinem Modell das Problem so gelöst, indem er die Welle des hinteren (unteren) Motors über vier Kugellager geführt durch den vorderen (oberen) Motor führt. Seine Flugregelung basiert auf einem KK.2-Flugregler. Mit über 60 Flügen hat sich sein System längstens bewährt! Ettore Quaglia ging bei seinem Konzept ähnlich vor. So kompliziert diese Technik auch aussehen mag, so simpel funktioniert sie.


So geht es weiter
Die sogenannten Do-Days finden jährlich unter großer Beteiligung Anfang August statt, die den Geist und das visionäre Denken seines Gründers Claude Dornier zusammen mit dem Museum über Luft- und Raumfahrt wachhalten soll. Neben den über 10.000 Besuchern kamen aber auch weit über 50 Oldtimer-Flugzeuge. Selbstverständlich einige Do 27, aber auch eine Me-108, eine Wilga sowie die Doppeldecker Boeing Stearman und Stampe SV4 und beliebt wie immer die Ju-52. Eine B-25, eine T-28 Trojan und eine Christen Eagle würzten die fliegerischen Programme.
Bei der Preisverleihung ließ Horst Steinberg wissen, der für die gesamten Do 31 Feierlichkeiten das Rahmenprogramm aufgestellt und geleitet hatte, welch positive Resonanz sowohl dieser Wettbewerb als auch der Innovationswettbewerb mit Studenten auch bei den Dorniers hinterlassen hatte. Im Beisein des Publikums stellte er zugleich die Frage mit in den Raum, ob man möglicherweise in zwei Jahren auch bereit sei, unter Umständen auch mit Do 31-Modellen aufzuwarten, was von einem Teil der Teilnehmer spontan bestätigt wurde. Die Sonderausstellung „Senkrechtstarter“ ist übrigens noch bis Herbst dieses Jahres geöffnet.
