

Weltmeisterschaft Hangflug F3F auf Rügen
Erfolg für das deutsche Team
Bisher hatten sich die F3F-Piloten international meist im Rahmen der Viking Races und der German Open gemessen. Vom 7. bis 13. Oktober 2012 war es schließlich soweit, dass eine erste „richtige“ FAI-Weltmeisterschaft ausgetragen werden konnte. Den Zuschlag hatte der Verein MFSC TU Dresden mit Rügen als Austragungsort bekommen. Und es muss unumwunden zugegeben werden, dass das Team um Franz Demmler etwas Großartiges auf die Beine gestellt hat.
Mannschaften aus 19 Nationen hatten sich für die Teilnahme qualifiziert und angemeldet – nur Südkorea fehlte leider unerklärlicherweise. Den USA und Polen gelang es, noch einen vierten Junior-Starter einzubringen, so dass insgesamt 54 Piloten am Start waren.
Das deutsche Team (bestehend aus Andreas und Martin Herrig sowie Helge Borchert, unterstützt von Mannschaftsführer Björn Schlothmann und Werfer Jens Buchert) hatte im Vorfeld durch Arbeits-, Wohn- und Windverhältnisse sicher nicht die optimalen Trainingsbedingungen. So wurde während der Anfahrt und an den Trainings-Tagen auf Rügen versucht, die Lernkurve möglichst steil zu halten. Interessant zu beobachten war z.B. die recht starke Form von Raul Segnini (Venezuela) und – wie erwartet – Kyle und Kyler Paulson. Das freie Training wurde für alle am Freitag Mittag durch Regen beendet.
Der World-Cup-Vorwettbewerb…

… am 6. und 7. Oktober gab den Teilnehmern, Helfern und dem Veranstalter-Team nochmal die Möglichkeit, sich auf die Gegebenheiten einzustellen. Bei mittlerem Westwind wurde am „Turbulator“ in Dranske geflogen – einer mit ca. 4-5 m Höhe unscheinbar anmutenden Steilküste, die es aber in sich hat. Bei vielen der ausländischen Teilnehmer hatte diese Herausforderung zunächst ungläubige Gesichter generiert, da man eher das Fliegen in den Bergen gewöhnt war. Aber man wurde spätestens durch die Demonstrationen der Könner überzeugt: denn mit einer aggressiven Linie nahe der Kante (verbunden mit der Kunst, das Modell in den Wenden nicht „abzustellen“ und die Windscherung optimal zu nutzen) kann man hier richtig schnell fliegen.

Die Zeiten bewegten sich überwiegend im 40er Bereich, allerdings zeigte Stefan Hölbfer mit einer sauberen 35, dass es auch deutlich schneller geht. Für uns unangenehme Aussichten auf eine Wiederholung des April 2011, als die Mehrheit der Teilnehmer froh war, mit 80% vom Hang gegangen zu sein. Es kam nicht ganz so schlimm, aber mit dem Sieg von Lukas Gaubatz vor Stefan Hölbfer und Kyle Paulson war schon ein deutliches Zeichen gesetzt.

Mit der Siegerehrung für den Gesamt-World-Cup (Dominanz des Österreichischen Dream-Teams, Lukas vor Stefan und Martin Ziegler) klang der Tag aus und wir waren gespannt, wie die WM nun beginnen würde.
Hammer-Tage in Dranske
Der Montag empfing uns mit starkem WNW-Wind, so dass wieder in Dranske geflogen werden konnte. Aufgrund der nächtlichen Arbeit eines Nagetiers musste ich kurzfristig ein anderes Auto finden. Diese kleine Serie von Defekten, die Tags zuvor mit dem Ausstieg eines Servos in Helges Flieger begonnen hatte, setzte sich mit dem Tod eines Servos in meinem Vorzugs-Flügel gleich vor dem ersten Flug fort.
Viele spürten nun den Leistungsdruck einer WM. Martin „verwendete“ mehrfach beinahe und musste nachdrücken, was wertvolle Sekunden kostete. Auch Helge flog etwas unsicher und brachte den Segler nicht ins Laufen.

Die Bedingungen waren anspruchsvoll und es wurde viel Material vernichtet. Philip Kalensky hatte ähnlich wie Kyler Paulson einen Abriss beim Aufschaukeln und krachte vor sich in die Kante. Ein Modell landete weiter draußen in der Ostsee und trieb einige Stunden auf dem Wasser, während einige andere entweder in die Kante oder ins steinige Ufer einschlugen... Aber keiner gab auf, denn präzise und aggressiv an der Kante geflogen ging es sehr gut. Die Favoriten setzten sich durch mutige, aber kontrollierte Flüge nach vorn. Um eine Vorstellung von der Präzision zu vermitteln: Bei Lukas streifte der Flügel schon einen Grasbüschel auf der Kante, ohne dass er zuckte oder aus dem Rhythmus gebracht wurde…
Die Flüge verliefen dank trockenem Wetter und recht konstanten Bedingungen wie am Schnürchen. Am frühen Nachmittag konnten wir schon Runde 4 beginnen, wobei jetzt allerdings der Wind auf ca. 10 m/s abgenommen hatte. Martin flog leider wieder einen „Fast-Verwender“, rettete sich mit einer sauberen Linie noch auf 47,7 s.
Nach Runde 5 lagen wir auf recht aussichtsreicher Position, wenn wir auch nicht vollständig zufrieden mit den Flügen waren. Die USA waren durch sehr starke Flüge der beiden Paulson sehr gut im Rennen. Die Franzosen zeigten eine gute Teamleistung und vor allem Matthieu Mervelet schien gut klar zu kommen. Alexis Marechal hatte sein Modell beim ersten Flug durch Empfangsstörungen verloren, sich dadurch aber nicht allzu sehr beirren lassen. Nur Pierre Rondel schien in der turbulenten Luft Schwierigkeiten zu haben. Von den Engländern flog vor allem Martin Newnham sehr sauber und konstant.
Am Dienstag kam es noch krasser. Obwohl die Windrichtung wohl auch ein Fliegen in Kreptitz zugelassen hätte, ging es wieder nach Dranske. Und mit dem Wind leicht von rechts erwarteten uns hier extreme Bedingungen – Böen bis deutlich über 20 m/s und starke Turbulenzen von den meterhohen Wellen. Eine hervorragende Kulisse für das Fernseh-Team des NDR.
Die jungen Österreicher zeigten, dass die möglichen Zeiten hier deutlich unter 35 s liegen, was herbe Punktverluste für die meisten bedeutete. Aber wir blieben mit hohen 30ern halbwegs dran. Stefan Hölbfer streifte in Runde 9 einen Busch und brach den Flug aus Sicherheitsgründen ab und Lukas „verwendete“ einmal. Trotzdem bauten die beiden „Checker“ ihre Führung nahezu uneinholbar aus.
Flugtechniken
Interessant zu sehen war, wie sehr unterschiedliche Flugstile doch zu ähnlichen Zeiten führen können. Die von den Österreichern perfektionierte „Dänen-Linie“ mit hochgezogenen Wenden schien für die gegebenen Hänge noch am besten zu funktionieren. Der „Paulson-Stil“ mit U-förmigerer Flugbahn und knackigen Wenden war kaum schlechter, mit dem Vorteil besserer Risiko-Kontrolle. Die extrem flache Flugbahn der Taiwanesen mit nach unten gezogenen Wenden stand dem jedoch nicht weit nach, genauso wenig die Abschwung-Technik der Norweger und Dänen.
Windkanal-Fliegen in Kreptitz
An dem deutlich einfacher zu fliegenden Hang kamen am Mittwoch schlagartig alle erheblich besser zurecht und das Feld rutschte viel enger zusammen. Obwohl eigentlich etwas fitter, waren wir aber irgendwie unkonzentriert... Lag’s an den deutlich einfacheren und ruhigeren Verhältnissen? Martin eröffnete Runde 10 gleich mit zwei „Verwendern“ in einem Flug. Es hatte angefangen leicht zu regnen, was wohl zu größerem mentalen Druck geführt hat. Allerdings passierte auch mir ein „Verwender“ in Wende 8, so dass die Zeit mit 49 s etwa identisch war. Wenigstens Helge kam gut durch, mit 41,18 s sehr nah am Tausender von Lukas mit 40,09 s. Stefan Hölbfer „verwendete“ gleich in der ersten Wende, kam aber noch auf 47,9 s. Insgesamt war Runde 9 durch die häufigen Regenschauer und Unterbrechungen allerdings etwas fragwürdig.

Gegen Abend störte die tiefstehende Sonne etwas die Sicht in Richtung A-Wende. In Runde 14 gelang mir trotzdem mit 35,70 s ein super Flug, der Lukas direkt nach mir wohl zu einem „Verwender“ mit anschließendem Einschlag im Busch verleitete. Nun standen beide Führenden mit einer Null mit dem Rücken zur Wand.
Der Wind schwenkte gegen Abend wieder etwas von WNW auf NW zurück und wurde nicht schwächer, so dass noch sehr schnell geflogen wurde; aber das Tageslicht ging uns aus und Runde 15 wurde in drei Gruppen gesplittet.
Hochdruck in Vitt
Der Wetterbericht war eindeutig, so dass es Wettbewerbsleiter Armin Hortzitz leicht fiel, das Fliegen am Donnerstag komplett abzusagen. Für viele sicher nicht ungelegen, da eigene Reserven wieder aufzufüllen und etliche Modelle zu reparieren waren (einigen Teams drohte sonst das vorzeitige Aus).

Wie vorhergesagt empfing uns dann am Freitag tatsächlich ein mäßiger Wind aus Südost, so dass es nach Vitt ging. Gruppe 3 von Runde 15 musste hier noch fertig fliegen. Martin und ich hatten schon Tausender und Helge schlug sich jetzt mit einer 48,8 sehr gut gegen die 47,2 von Lukas und 47,0 von Espen Torp (der einen Prototyp von Jiri Baudis ausprobierte).
Im Laufe des Tages lebte der sehr gleichmäßige Wind auf ca. 15 m/s auf und die Zeiten fielen von hohen 40ern auf tiefe 30er – sicher ein kleiner Nachteil für die Runden-Ersten. Runde 20 musste ich wieder mal beginnen und konnte mich mit einer 35,02 sehr gut aus der Affäre ziehen. Die Zeit stand lange als Bestzeit, weil Lukas nur eine 37er flog (der Busch rechts der Mitte ist dabei ein paar Zentimeter niedriger geworden). Aber Stefan legte einen Superflug hin und meldete sich mit einer 31,93. Martin wollte natürlich versuchen, seinen mittlerweile erreichten zweiten Platz zu halten und konnte mit einer schönen 33,21 kontern, auch Helge war mit 34,54 sehr schnell unterwegs. Im Team hatten wir so unseren Vorsprung nochmal deutlich ausgebaut. Als ein Novum im Modellsport gab es abschließend noch eine Dopingkontrolle der beiden Führenden Lukas und Martin – insbesondere im Hinblick auf die Klasse F3K wohl ein richtiger Trend.
Showdown in Dranske
Der Regen hörte pünktlich zum Frühstück auf, so dass es nach Dranske ging, um die entstandenen Zweikämpfe auszufechten. Mit den bestehenden Punktunterschieden ging es zwischen Lukas und Stefan um Platz 1, zwischen Martin und mir um 3 und zwischen Helge und Kyle um 5. In der Teamwertung war uns der Sieg kaum noch zu nehmen, aber um Platz 3 war es zwischen den USA und Frankreich verdammt eng.

Der Wind fiel mit ca. 12 m/s deutlich schwächer aus als vorhergesagt und eine deutliche Links-Komponente ließ in Runde 21 zunächst nur Zeiten im 50er Bereich zu. Durch den extremen Druck passierten fast allen kleine Fehler. Helge machte es noch am besten von uns Dreien und holte sich eine 49er Zeit. Am Ende deklassierte allerdings noch Stefan Hölbfer mit der einzigen Sub-40 das Feld.

Runde 22 musste ich eröffnen, direkt gefolgt von Kyle, der in der vorigen Runde einige Sekunden auf mich gewonnen hatte. Es lief gut und mit 43,9 s gegen eine 50er konnte ich den Spieß wieder umdrehen. Helge erwischte schlechte Luft und kam nur auf 50,5 s. Martin hatte wieder Schwierigkeiten mit dem Aufschaukeln, rettete sich aber noch auf 48.4.
Zwischen Stefan und Lukas ging es verdammt knapp zu und beide wechselten sich regelmäßig an der Spitze ab. Erst in Runde 23 entschied es sich – Lukas (mittlerweile nur noch ca. 17 Punkte dahinter) war im abflauenden Wind eher spät dran und hatte keine reale Chance, mit der 44er Zeit von Stefan mitzugehen. Dafür war er auch etwas zu schwer unterwegs.
Ergebnisse
Der Erstplatzierte Stefan Hölbfer (AUT) darf die wertvolle Bernstein-Trophäe für die nächsten zwei Jahre behalten. Lukas Gaubatz (AUT) stand zwar eine Stufe tiefer, aber die fliegerischen Leistungen waren nicht weniger bemerkenswert (19.889,54 statt 19.997,82 Punkten). Auf den dritten Platz kam Martin Herrig (GER, 19.724,39 Punkte), und die weiteren Plätze hatten sich noch Andreas, Kyle und Helge gesichert. Team Germany lag mit mehr als 2.800 Punkten Vorsprung deutlich vor Österreich, auf Platz 3 hatte sich mit 1,6 Punkten Unterschied noch ganz knapp Frankreich vor die USA geschoben. Die Juniorenwertung gewann Kyler Paulson (USA) vor Adam Bury (POL).

Für uns war diese WM ein großartiges Erlebnis. Es wird sicher für die Organisatoren der nächsten EM und WM in der Slowakei nicht leicht werden, ähnliche Maßstäbe zu setzen. Insbesondere der TV-Livestream war revolutionär und führte wahrscheinlich zu gewissen Arbeits-Einschränkungen im europäischen Raum (in Fernost konnte man jedoch entspannte Public-Viewing-Abende genießen).
Der Verein MFSC TU Dresden hat hervorragende Arbeit geleistet, vor allem Haupt-Organisator Franz Demmler gebührt gehöriger Respekt für diese Meisterleistung. Ein großer Dank gilt auch unseren Sponsoren Graupner, MTTEC, Siggi Schedel, TUD Modelltechnik und WingsAndMore sowie dem Deutschen Aeroclub DAeC.
Replays der Live-Streams finden Sie auf der Veranstalter-Seite www.f3f.de/index. php?id=150. Weitere Infos gibt es auch auf der Seite des deutschen Teams: www.f3f-team-germany-2012.de.