

FLIEGENDER ZAUBERWÜRFEL
Rubik R-07b Vöcsök von Béla Mayer
So mancher FMT-Leser kennt meinen Vereinskollegen Béla Mayer vielleicht aus dem Bericht der FMT 02/2020. Die seinerzeit porträtierte Lampich L2 Roma war Bélas zweites Eigenbaumodell. Richtig gelesen: Die Roma war nach einer Bowlus Albatross erst sein zweiter Eigenbau. Zuvor hatte er überhaupt keine Bauerfahrung – was bei der Betrachtung seiner Flugzeuge niemandem auffallen würde! Nachdem Béla schnell Feuer gefangen hatte, suchte er sich mit seinem dritten Modell die nächste Herausforderung: Er wollte einen Segler im größtmöglichen Maßstab unter der 25-kg-Grenze bauen – und er entschied sich für eine 2:3er Rubik R-07b Vöcsök.
FOTOS: ISTVAN NOSZVAI, BÉLA MAYER

Béla Mayers Bekanntschaft mit unserem schönen Hobby begann im Jahr 2010. Sein erstes Modell war ein Multiplex EasyGlider, dem rasch diverse ARF-Modelle sowie GFK-Segler und Motormaschinen folgten. In Größe und Aufwand nahmen seine Projekte stetig zu und wurden bautechnisch und fliegerisch zügig anspruchsvoller. 2014 begann er schließlich, mit der Hilfe seines Vereinskollegen Klaus Barth, seinen ersten Eigenbau: eine Bowlus Albatross. Hierbei lernte Béla, der kaum einschlägige Erfahrungen im Holz- und Metallbau besaß, alle wichtigen Bautechniken. Es war im wahrsten Sinne ein „Training on the job.“

Für sein drittes Projekt – die Rubik R07b Vöcsök – erhielt er, mit freundlicher Genehmigung von Ernő Rubik Junior, einen kompletten Satz der Originalpläne sowie zahlreiche Fotos, die bei der Überholung einer Replika aufgenommen wurden. Natürlich konnte Béla Mayer auch mit der Unterstützung seiner Vereinskameraden der Modellfluggruppe Graben-Neudorf rechnen.
HISTORISCHES
Der Name Rubik kommt Ihnen bekannt vor? Dann vermutlich erstmal in Verbindung mit dem berühmten Zauberwürfel des ungarischen Architekten Ernő Rubik. Sein Vater, der gleichnamige Ernő Rubik, war einer der bedeutendsten ungarischen Flugzeugkonstrukteure. 1937 wurde nach seinen Plänen der Prototyp der Vöcsök erstmalig gebaut. Zunächst lediglich als ein Vereins-Bauprojekt für den Ersatz des deutschen Schulungsseglers Zögling, der in Ungarn ebenfalls geflogen wurde. Doch aufgrund der regen Nachfrage gründete Ernő Rubik die Firma Aero Ever, um dort die Vöcsök in Serie zu bauen. Von 1938 bis 1945 sowie nach dem Zweiten Weltkrieg von 1955 bis 1956 wurden dort rund 300 Vöcsök R-07b fertiggestellt. Auch in den Werkstätten vieler Luftsportvereine entstanden Exemplare nach den Original-Plänen. Die Vöcsök wurde vor allem bei der fortgeschrittenen Anfängerschulung, bei den Aufgaben der C-Prüfung sowie mit einer Vorliebe beim Hangflug eingesetzt. Nicht nur zahlreiche Flüge über 1.000 m Startüberhöhung, sondern auch mehrere mit einer Dauer von über fünf Stunden – der längste Flug dauerte sechs Stunden und zwei Minuten – zeigen die Leistungen der Vöcsök, deren Ära in den 1960er Jahren zu Ende ging.
Nah am Original
Die Zeichnungen, auf deren Grundlage Béla seine Vöcsök konzipierte, waren nicht zu 100 Prozent maßgetreu. Denn besonders ältere Blaupausen können schnell verblassen oder schrumpfen. Zudem reißen Blätter im Laufe der Zeit und Faltungen verzerren die dargestellten Konturen. Selbstverständlich kannten auch die früheren Konstrukteure diese Probleme. Darum haben sie die verschiedenen Bauteile bemaßt und Prüfmaße vorgesehen – um beim Bau die Toleranzen so niedrig wie möglich zu halten. Wie bei der Lampich L2 Roma, arbeitete Béla Mayer auch bei der R-07b Vöcsök mit den Bemaßungen der Originalpläne. Die Maße wurden jedoch nicht halbiert, sondern mit rund 67 Prozent multipliziert – das ergibt einen Maßstab von 2:3.

Aus bautechnischen Gründen wurden bei der Modell-Umsetzung einige Änderungen gegenüber der Originalausführung gemacht. Die Profildicke des Tragflächenprofils Göttingen 533 wurde von 13,7 auf 11,7 Prozent reduziert. Beginnend bei der ersten Querruderrippe, werden die Tragflächen nach außen zunehmend negativ eingestellt. Die daraus resultierende aerodynamische Schränkung verringert die Neigung zum Trudeln und erhöht so die Sicherheit für den Piloten.

Der Rumpf...
... der Vöcsök besteht lediglich aus drei Spanten Buchensperrholz mit jeweils einer Dicke von 8 mm. Diese wurden durch Verklebungen mit dem Rumpfboot verbunden. Dessen Komponenten wurden ebenfalls aus 8-mm-Buchensperrholz ausgesägt. Das Rumpfboot selbst ist komplett beplankt und hat einen zentralen Kiel sowie seitlich angeklebte Halbspanten. Die hintere Rumpfkante sowie die Tragflächenauflage bestehen jeweils aus 15 mm dickem Kiefernholz und sind mit 0,8 mm Sperrholz beplankt. Beides wurde zu einer massiven Einheit verleimt. Die Rumpfgurte – bestehend aus 15×10-mm-Kiefernleisten – verbinden die hintere Rumpfkante mit den Spanten und sind hinter dem Hauptspant mit Querstreben verbunden. Im Kabinenbereich tragen sie die 0,8-mm-Außenbeplankung. Zudem sind alle Knotenpunkte mit Sperrholzaufleimern verstärkt. Schließlich wurden die Leitwerksträger und das Rumpfvorderteil mit Beschlägen aus Duralblech verbunden. Insgesamt hat der fertige Rumpf eine Länge von circa vier Metern.




1-kg-Trimmgewicht
Nun konnte die Elektronik eingebaut werden: Die Empfänger und die doppelte Stromversorgung wurden unter einer abnehmbaren GFK-Haube in der Rumpfspitze installiert. Zudem befestigte Béla auf der herausnehmbaren Trägerplatte ein 1-kg-Gewicht, um den Schwerpunkt zu erreichen. Die Schleppkupplung sowie das Seitenruderservo wurden unter der Trägerplatte versteckt.
Nach der Installation der Elektronik wurde die Haube über einer Positivform laminiert. Danach konnte man sie schleifen und anschließend lackieren. Insgesamt war Béla eine möglichst detailgetreue Nachbildung des Originals wichtig. Um das zu erreichen, benutzte er beispielsweise für die Fassungen der Instrumentennachbildungen – wie bei seinem ersten Modell der Roma – die Ösen von Lkw-Planen. Auch die laminierte Kufe wurde originalgetreu an einem mit Schnüren befestigten Gummipuffer am Rumpf abgefedert. Dadurch ist dieser bei Start und Landung perfekt geschützt.



Diagonal verstrebe Rippen
Beim Tragflächenbau entschied sich mein Vereinskollege für eine traditionelle Bauweise mit einer Profillänge von 87 cm. Die Tragflächenrippen entstanden mithilfe einer gefrästen Schablone. Dabei haben die einzelnen Rippen unterschiedliche Materialstärken: Die „starke“ Wurzelrippe ist aus 3×10-mm-Kieferleisten laminiert, darauf folgen zwei schwächer dimensionierte Rippen aus 3×5 mm desselben Materials. Die vierte Rippe besteht wieder aus 3×10-mm-Kieferleisten. Zwischen den kräftigeren Rippen ist die Tragfläche durch gekreuzte diagonale Verstrebungen gestützt. Beide Holme bestehen aus 10 mm starken Kieferleisten mit 4 mm breiten Pappelstegen auf beiden Seiten, die als Kastenträger fungieren.
Anschließend wurden die Rippen auf die Holme gefädelt und in ihren Positionen festgeklebt. Die Holme wurden oben und unten für die Aufnahme der Sperrholzbeplankung mit Balsaholz aufgefüttert und in Kontur geschliffen. Alle Stöße und Knotenpunkte sind mit Sperrholzaufleimern verstärkt. Beim Übergang zum laminierten Randbogen verringern sich die Profilhöhen der zwei äußeren Rippen. Die Rippen der geschränkten Querruder hat Béla Mayer aus Pappelholz gefräst.
Danach wurde die Nasenbeplankung aus 0,6-mm-Flugzeugsperrholz im Weißleim-Bügelverfahren aufgebracht. Nach einem heißen Wasserbad konnte man die Beplankungssegmente mithilfe einer einfachen Schablone vorbiegen. An den Stoßstellen sind die Segmente 8 mm breit und überlappend geschäftet. Auch beim Bau der Leitwerke orientierte sich Béla so weit wie möglich am Original.








18 m² Bespannmaterial
Als Nächstes wurden alle nicht bespannten Holzflächen von Béla mit einer Lasur behandelt. Dabei hat er die Klebestellen der Bespannung ausgelassen beziehungsweise abgedeckt. Beachtlich ist bei diesem Vöcsök-Modell nicht nur die Menge an verbautem Holz – insgesamt waren 18 m² Bespannmaterial und 2 kg Klebelack nötig. Bei dieser Mammutaufgabe bekam Béla tatkräftige Unterstützung von seinem Vereinskollegen Volker Zimmer – bekannt als der Gewebe- und Oberflächenspezialist in unserem Verein.



Das synthetische Gewebe klebten Béla und Volker mit einer bekannten, aber dennoch etwas älteren Methode auf. Die Klebeflächen wurden dabei fünffach mit verdünntem Klebelack bestrichen. Dann wurde das Gewebe aufgelegt, faltenfrei vorgespannt und die Kontaktflächen mit Verdünner überpinselt, um die darunter liegende Klebeschicht zu aktvieren. Bei Überlappungen kam unverdünnter Lack zum Einsatz. Allerdings erfolgte anschließend kein Spannlackanstrich, sondern es wurde lediglich mit dem Bügeleisen gespannt. Zum Schluss wurden zwei Schichten eines nicht spannenden und wasserlöslichen Klarlacks als Versiegelung aufgetragen.
In 15 Minuten aufgerüstet
Endlich war es soweit: Der Tag des Erstflugs war gekommen. Doch zunächst musste das Modell mit seiner Spannweite von fast 8 m heil zum Flugplatz kommen. Für den Transport wurden die geschraubten Verbindungen von Rumpf und Leitwerksträger sowie die Seilverbindungen gelöst. Am Flugplatz angekommen, war alles problemlos und in rund 15 Minuten wieder verbunden. Sämtliche Seilanschlüsse der Vöcsök sind ja auch mit schnell lösbaren Gabelköpfen und Spannschlössern ausgeführt. Deshalb müssen sie nach dem Zusammenbau praktisch nicht nachjustiert werden.
Die vorderen Streben sind aus hochfesten Alurohren mit 15×2 mm hergestellt, während hinten und am Leitwerk die Alurohre lediglich 12×10 mm messen. An ihren Enden sind Hartholzeinsätze für die Aufnahme der Befestigungsschrauben eingeharzt. Die Ruder werden durch insgesamt fünf Savöx-2230-S-Servos mit jeweils 6 Volt betrieben – zwei Servos auf den Querrudern und jeweils ein Servo für Seite, Höhe und Schleppkupplung. Die Hebel der Querruderservos sind beidseitig mit den Ruderhörnern verbunden. Zur Entlastung und Unterstützung der Rudermaschinen wird das statische Drehmoment der Ruderblätter von Zugfedern ausgeglichen, die die Ruder in der Neutrallage halten. Mit dieser Lösung wird auch die Flatterneigung stark verringert. Im normalen Flugbetrieb besteht diese Gefahr eigentlich nicht. Die Verspannungen und Steuerseile der Vöcsök bestehen aus, von Kunststoff ummantelter 0,8-mm-Stahllitze. Die Steuerseile werden zudem in kugelgelagerten Rollen geführt und mit durchgestreckten, anliegenden Aluröhrchen gesichert, um ein Herausspringen zu verhindern.
Landen ist das halbe Leben
Mit ihrem Maßstab von 2:3 bewegen sich die Flugeigenschaften der Rubik klar im Scale-Bereich, in der Luft ist die Vöcsök von ihrem echten Vorbild nicht zu unterscheiden. Das Modell muss großräumig geflogen werden. Die Fluggeschwindigkeit und die sanfte Reaktion auf die Steuerbefehle vermitteln den Eindruck eines bemannten Segelflugzeugs. Der Schwerpunkt des Modells liegt bei 33 Prozent der Tragflächentiefe, nach den ersten Flügen wurde der Einstellwinkel der Tragfläche von 1,8 auf 1,5 Grad reduziert, um die Grundgeschwindigkeit leicht zu erhöhen.
Während die Vöcsök beim F-Schlepp schon nach 20 m Anlauf abhebt, ist ihr Landeanflug ziemlich langgestreckt. Es fehlen eben Landeklappen – und so will die Rubik unbedingt in der Luft bleiben. Béla muss es machen wie die Piloten des Originals: Um in kurzer Zeit Höhe abzubauen, wird das Modell mit leichtem Querruder- und vollem, gegensinnigen Seitenruderausschlag geslipt, unterstützt durch ein leicht gezogenes Höhenruder. Beim Ausleiten werden die Ruder wieder in die Normalstellung gebracht. Bei diesem Seitengleitflug besteht die große Kunst im sauberen Ablauf, der Größe der Ruderausschläge und der Koordination der Steuerbefehle. Zum Glück ist Béla Mayer ein ausgezeichneter Kunstflieger – und meistert diese Herausforderung mit Bravour. So wird er auch bei künftigen Airshows und Treffen die Besucher begeistern können.
