

WEISSE SCHÖNHEIT
ASW 15 B von Leomotion/Glider.it
Sie ist und bleibt eines der schönsten Segelflugzeuge, die ASW 15 in all ihren Buchstaben-Spielarten. Diese hier ist, ganz dem Vorbild entsprechend, in Schalentechnik gefertigt. Selbstredend unter Verwendung modernster Werkstoffe. Und eine mit südländischer Gelassenheit verfasste Bauanleitung steht auf der Leomotion-Homepage zum Download bereit.
FLUGFOTOS: HANSJÖRG BAUMANN

Es sei vorweggenommen: Bei diesem Fertigmodell fällt etwas mehr Arbeit an als eigentlich gewohnt. Das Zuschneiden, Anpassen und Verkleben der Klarsichthaube mit ihrem GFK-Rahmen und die abschließende Lackierung des Haubenrands sind die Aktivposten, der Rest fällt normal aus. Gehen wir es also an, bevor uns der Wald ausgeht, sprach der Jüngling zur neuen Freundin.

Fein verarbeitet
Bereits die erste Begutachtung macht klar, dass hier gezielt auf Stabilität laminiert wurde, also leicht geht anders. Dafür ist aber alles stocksteif und enorm torsionsstabil. In Verbindung mit dem circa 11% dicken Profil und dem zu erwartenden Fluggewicht von annähernd sechs Kilogramm gilt die Devise: Durchzug komm raus, du bist umzingelt. Und hierfür reicht die von uns getestete Overall-Dynamics-Version allemal. Fast Slope ist eher für die Seiser-Alm-Indianer. Hierzulande ist das fast übertrieben.
Jetzt werfen wir aber erstmal das Bau-Lasso und fangen Teil für Teil ein. Denn da sind ja nicht nur die Hauptbestandteile dabei, sondern auch alles Zubehör und eine Pendelhöhenruder-Lagerung, die Stirnrunzeln verursacht. Der vordere 6-mm-Stahlstift läuft in dieser noblen Kugellagerung. Und der Pendelhebel? Tja, und genau das ist der Knackpunkt, weswegen wir dieser Problematik eigenen Raum innerhalb dieses Beitrags geben. Auch das Zubehör ist (fast) vollständig, aber eher eine Glücksspiel-Veranstaltung. Es muss hier und da modifiziert werden. Die GFK-Ruderhörner zum Beispiel. Und der Bauanleitung gehen wir bei einigen Vorschlägen auch nicht in die Falle, sondern bauen „altdeutsch”, wie unsere Baubilder das zeigen.

Bauoffensive
An Modellen von Glider.it gibt es etwas mehr zu tun, als in dieser Preisklasse gemeinhin üblich ist. Jedenfalls dann, wenn sie mit klaren Kabinenhauben ausgestattet sind. Und das ist hier der Fall. Dieser Bauposten, das Schaffen einer vernünftigen Haubenverriegelung nach bekanntem Muster, also die Stahldraht-Methode von der Profilanformung aus, und das Zupassen und Verkleben der Haube mit ihrem GFK-Rahmen samt dem Lackieren des Haubenrands haben dann auch gedauert. Aber das Ergebnis kann sich sehen lassen, denn das, was die Bauanleitung zeigt, ist mehr als exotisch.

Das gilt auch für die Art und Weise, wie dieser Pendelhebel eingebaut werden muss. Die Kugellagerung des vorderen Verbinders, ein dicker Stahldraht, der in Kugellagern läuft, ist der Täter. Denn diese Lager sitzen in einem Messingrohr mit dem unglückseligen Außendurchmesser von 11 Millimetern. Der vorhandene Durchbruch, das Loch im Rumpf, ist vorhanden, aber mit deutlichem Übermaß. Bei angesteckten Tragflächen ist das zu regeln, wie dem separaten Kasten zu entnehmen ist.

Der Rest ist ARF-Modellbau nach bekanntem Muster, aber eben in Schalenbauweise. Dadurch stellen sich beim Einbau der vier Flächenservos (die Konstrukteure haben auf Störklappen verzichtet und dafür auf Wölbklappen gesetzt) keine Hindernisse in den Weg. Kabel bitte ordentlich verstauen, sonst vagabundieren diese in den Flächen hin und her.


Magnetismus
In Sachen Arretierung der beiden Leitwerkshälften haben sich die Italiener etwas ganz Besonderes einfallen lassen. Werden die Leitwerkshälften angesteckt, macht es klack. Die werden regelrecht an den vorderen Stahlverbinder herangezogen. In beiden Leitwerkshälften ist in den vorderen Steckungsrohren ein Magnet eingebaut! Im Prinzip eine pfundige Idee, der aber, soll sie funktionieren, vom Erbauer auf die Sprünge geholfen werden muss. Es gilt, den mitgelieferten Stahlverbinder aufs erforderliche Maß zu kürzen, im Lieferzustand ist er 15 mm zu lang. Da ist Vorsicht gefragt, wird er auch nur minimal zu viel gekürzt, ist‘s vorbei mit dem Magnetismus. Sitzt alles, funktioniert die Arretierung tadellos.
Da es den Rumpf nur in der Seglerversion gibt, wandert unser Tätigkeitsfeld nach vorne. Schließlich muss da der Motor samt seinem Befestigungsspant rein. Um das bewerkstelligen zu können, muss zunächst die Schnauze abgesägt werden, was mit einer dem Spinnerdurchmesser entsprechenden Schablone nach bewährtem Muster auch gut gelingt. Wie das geht, wurde mehrfach gezeigt, womit mir an dieser Stelle eine Wiederholung erspart sei. Die gefallen nämlich nicht immer, die Wiederholungen.
Das Lackieren von Rumpfschnauze und Spinnerkappe schließt den eigentlichen Bau ab. Der Anlageneinbau läuft auch nach bekanntem Muster ab, muss im Moment aber noch warten. Weil der große Kabinenhauben-Ausschnitt nach einer versteifenden Maßnahme schreit.
PENDELHEBEL- UND HÖHENLEITWERKS-LAGERUNG








Ein Pendelhebel, der sich auf einem Messingrohr ungelagert hin- und herbewegt, dafür die kugelgelagerte Führung des vorderen Stahlverbinders? Ein ziemlich rustikales Unterfangen, zumal die in der Anleitung gezeigten Alu-Drehteile, die als Abstandshalter zum Rumpfinneren hin dienen, fehlten. Das alles zusammengenommen ist wohl mehr ein frommer Wunsch denn ein guter Ratschlag. Wir orakeln nicht lang rum, sondern helfen uns selbst. Um es auf den Punkt zu bringen: Hätte ich die Aufgabe gehabt, das zu konstruieren, nichts anderes als die Kugellagerung des Pendelhebels auf seinem Führungsrohr wäre infrage gekommen. Da wäre dann allerdings ein Pendelhebel-Frästeil der aufwendigen Machart fällig geworden.
Da es aber ist, wie es ist, bleibt auch nichts anderes als die Selbsthilfe übrig, und eine besondere modellbauerische Herausforderung ist das auch nicht, eher eine der zeitintensiveren Art. Die vom Hersteller vorgesehene Methode der Anlenkung über eine ellenlange Schubstange schied von vorneherein aus. Die eidgenössische Lösung mit Servo vor Ort ist die bessere und zwischenzeitlich Serie, ändert aber nichts daran, dass der Einbau aller Teile da hinten fummelig ist. Der von Leomotion gelieferte GFK-Hebel soll zur Auffütterung (Schaffung einer größeren Auflagefläche) links und rechts mit zwei dünnen Sperrholzscheiben versehen werden. Da eine fehlte und in Sachen Lagerung ohnehin eigenes Gedankengut nötig war, kamen Aluringe zum Einsatz. Überall. Da das Messingrohr aber den ungeschickten Außendurchmesser von 11 mm hat, das ist der Wandstärke geschuldet, und es keine Alu-Stellringe dieses Durchmessers gibt, mussten vorhandene 8er-Stellringe auf 11 mm aufgebohrt werden. Der Rest der Aktion ist ein Geduldspiel der modellbauerischen Art, wie unsere Bilderstrecke zeigt. So wird der Frosch doch noch zum Prinz.
Backe, backe Kuchen
Nachdem das Modell so weit fertiggestellt war, die Kabinenhaube tadellos saß, ergab eine erste Torsionsprobe (bei montiertem Motor), dass versteifende Maßnahmen nötig werden. Zu stark ließ sich der Rumpf bei der Handprobe in diesem Bereich verdrehen. Das kann so nicht bleiben, zu groß ist die Gefahr, dass bei einer nicht so weichen Landung hier Strukturschäden zu befürchten sind. Da muss ein Halbmond-Spant rein!
Wir verfahren nach der Lötzinn-Methode, übertragen den so ermittelten Umfang auf ein Balsabrettchen und erstellen durch Ausschneiden eine Schablone. Die dient lediglich dazu (passt sie nach Bearbeitung perfekt in den Rumpf), einen Sperrholzspant anfertigen zu können. Im vorliegenden Fall besteht er aus 5-mm-Pappelsperrholz, weil sich das am besten bearbeiten lässt, andererseits aber nicht stabil genug ist. Eine CFK-Beschichtung schafft Abhilfe, und so wird das Bauteil auch noch zum Blickfang.



Da es mal wieder pressiert hat und auch entsprechende Steifigkeit des Bauteils gewünscht war, musste es, zwischen zwei Glasplatten, in den Temperofen. In Ermangelung eines solchen, ab damit in den Backofen, bei stufenweiser Temperaturerhöhung bis 60 Grad. Bei vorgeheiztem Ofen genügen 30 Minuten. Das alles bewerkstelligen wir vorzugsweise, wenn der gute Geist des Hauses außerhäusig ist. Das Einwiegen des vorgegebenen Schwerpunkts von 95 Millimetern durch Platzieren des dicken 6-Zellers mit 5.200 mAh Kapazität und das obligate Wiegen des Probanden und Messen von Strom und Drehzahl beenden die Bauphase und fördern folgende Werte ans Werkstattlicht: 5,9 kg und 6.500 Umdrehungen in der Minute bei satten 83 Ampere mit einer 18x13-Zoll-CFK-Latte. Meine Steigflugfreude war mir ins Gesicht gemeißelt...







Jetzt aber mal los
Mit dem gemessenen Wissen als Rüstzeug geht es an einem sonnigen Mittwochmittag, da ist bei uns immer Rentner-Schlepptreffen, eben in dieser immer noch sichersten aller Startarten, zum Erstflug ins Schwarzwaldblau. Alles easy und problemlos. Im freien Fall ändert sich das aber schnell. Da die Einstellvorgaben der Anleitung etwas dubios sind, wurde auf die Erfahrungen, Einstellungen, von einem anderen, ähnlichen Modell zurückgegriffen – und sie lagen doch daneben. Die unterschiedlichen Rudergrößen werden es wohl sein. Der Schwerpunkt stimmt, alles andere muss modifiziert werden. Und in diesem Fall braucht es mehr als nur zwei bis drei Runden zur Blutsbrüderschaft. Die schlussendlich erflogenen Einstellungen sind im separaten Kasten nachzulesen.

Doch zurück zum Erstflug, der, um die Steigflugleistung auszuloten, dann doch länger dauert, die Einstellerei findet am Boden statt. Die vom Antriebsstrang dargereichte Leistung ist üppig, artgerecht. Ein solcher Semi-Scaler muss nicht senkrecht steigen! 45-Grad-Steigwinkel mit viel Fahrt (13 Zoll Steigung) sehen auch prickelnd aus. Um die Einstellungen zu verändern, muss aber erst mal gelandet werden. Das gelingt ohne weiteres Zutun des Piloten, weil der Tiefzumix bei Butterfly auf Anhieb ziemlich passt. Sitzt.
Sinnvolle Änderungen
Da ist zunächst einmal die Querruderdifferenzierung für die unterschiedlichen Flugzustände, aber auch die Ausschlaggröße als solche zu erhöhen. Und dafür braucht es ein paar Einstellflüge. Haben wir das geschafft, gibt’s Flugspaß pur in semiscale. Das Kreisflugverhalten ist jetzt sehr ausgewogen, wobei es besser zu sein scheint, wenn man sie laufen lässt, zu langsames Kreisen ist kontraproduktiv. Wird der Hahn gespannt, gibt es südländisches Temperament kostenlos dazu. Die Fuhre geht dermaßen vorwärts, zieht phänomenal durch. Loopings kommen groß und rund, für eine schöne Rolle müssen die Wölbklappen allerdings kräftig mitgenommen werden. All das, obwohl das Vorbild für diese Mätzchen gar nicht zugelassen ist. Das Modell kann es. Und noch mehr. Braucht das Original zum Landen Störklappen, Wölbklappen hat es keine, begnügt sich unsere Mittelklässlerin mit dieser Option. Richtig eingestellt, lässt sie sich von ihrem Herrn und Meister zielgenau dirigieren und landen. Passt und sitzt.

Mein Fazit
Sind die wenigen Bau-Stolpersteine, die aber die Bestwertung verhageln, umkurvt, gilt: Va bene, Glider.it. Weil hier eine vollgasfeste ASW 15 B die Luft durchpflügt – typisch südländisch eben –, ohne dabei gleich wieder ein Thermik-Backstein zu sein. Denn auch diese nicht ganz unwichtige Disziplin beherrscht sie nahezu mustergültig, Wölbklappen und ausreichend V-Form in Koalition mit einer gesunden Flächenbelastung sei Dank. All das ermöglicht abseits von Vorfertigungs-Superlativen beeindruckende Flugdynamik. Ein Spaßgarant im Mittelformat.
Erflogene Einstellwerte
Querruder: 20 mm oben, 8 mm unten
Höhenruder: 12/12 mm
Seitenruder: 50/50 mm
Steigflug Tiefzumix: 2 mm
Wölbklappenmitnahme zu Querruder: je 12 mm
Schwerpunkt: 95 mm hinter Nasenleiste
Thermik-Phase
Wölbklappe: 1,5 mm unten
Querruder: 1 mm unten
Speed-Phase
Wölbklappe: 2 mm oben
Querruder: 1 mm oben
Butterfly-Stellung
Wölbklappe: 30 mm unten
Querruder: 15 mm oben
Tiefzumix: 6 mm
ASW 15 B
Verwendungszweck: (E-)Segler
Modelltyp: ARF-Modell
Hersteller/Vertrieb: Glider.it/Leomotion
Bezug und Info: direkt bei www.leomotion.com, Tel.:+41 44 9500597
Preis: ca. 1.450,- CHF
Lieferumfang: fertig gebautes Voll-GFK/CFK-Modell ohne elektronische Komponenten
Erforderl. Zubehör: Antriebs- und RC-Komponenten
Bau- u. Betriebsanlei- tung: Download von Leomotion-Homepage
Aufbau
Rumpf: GFK/CFK
Tragfläche: CFK
Leitwerk: CFK
Kabinenhaube: Klarsicht
Motoreinbau: Vorspantmontage
Einbau Flugakku: Akkuauflage im Rumpf mit Klettband
Technische Daten
Spannweite: 3.750 mm
Spannweite HLW: 770 mm
Länge: 1.655 mm
Flächentiefe an der Wurzel: 250 mm
Flächentiefe am Randbogen: 105 mm
Tragflächeninhalt: 70 dm²
Flächenbelastung: 84,2 g/dm²
Tragflächenprofil: keine Angabe, 11% dick
Profil des HLW: vollsymmetrisch
Fluggewicht: 5.900 g
Antrieb im Testmodell eingebaut
Motor: Dualsky XM 5060 EA14 V3
Regler: Flyfun 120 BEC
Propeller: Leomotion 18×13 Zoll
Akku: 6s-5.300-mAh-LiPo
RC-Funktionen und Komponenten
Höhenruder: Fox HV 15/15
Seitenruder: Fox HV 15;15
Querruder: 2 × Fox HV 10/10
Wölbklappen: 2 × Fox HV 10/10
Verwendete Mischer: 60% Querruderdifferenzierung, 30% Expo auf QR, 50% auf Seitenruder, Tiefzumischung Butterfly 7 mm, Tiefzumischung Steigflug 3 mm
Empfänger: Jeti R9 und RSat 2
Empf.-Akku: BEC des Reglers und Backup