

65 Jahre FMT: Entwicklung der Strahlturbinen
Die FMT und die Modell-Strahlturbine
Jet-Modelle flogen in den frühen 1980er Jahren bereits richtig viele. Die Faszination war schon immer da. Aber sie wurden mit Kolbenmotoren und Propellern (!) betrieben. Diese waren – wie damals üblich – ganz vorne im Rumpf eingebaut. Das hatte nicht viel mit Scale-Feeling zu tun. Da war ein Druckantrieb, das heißt, den Motor im Heck des Flugmodells einzubauen, aus optischer Sicht schon ein klein wenig besser. Dieser brachte aber das ein oder andere technische Problem mit sich. Richtig gut sah es erst aus, als es Impeller-Antriebe gab, die versteckt mitten im Modell platziert waren. Doch der Traum vieler Jet-Modellflieger war, nicht nur die äußere Form, sondern auch den Antrieb vom großen Vorbild zu übernehmen. Einzelne Tüftler hatten schon Modell-Turbinen gebaut, sehr aufwendig und mit hoch-professionellen Maschinen. Die ein oder andere war sogar lauffähig. Aufgrund der aufwendigen Metallbauweise war der Selbstbau den meisten jedoch versagt.
In den 1980er Jahren war ich Redaktionsleiter beim VTH. Dennoch hatte ich natürlich immer Augen und Ohren offen, um die Chefredakteure unserer Zeitschriften auch in inhaltlichen Belangen zu unterstützen. Neben meinen organisatorischen Aufgaben bei den Zeitschriften, war ich in dieser Zeit zudem inhaltlich verantwortlich für Sonderhefte, Bücher und Baupläne. In meiner Freizeit flog ich intensiv und immer erfolgreicher Elektro-Pylon und vor allem die Elektro-Segelflugklasse F3E (heute F5B). Gegen Ende der zweijährigen nationalen Qualifikationsrunde 1986/87 machte ich mir sogar Hoffnungen auf einen Treppchenplatz und damit auf die Teilnahme an der WM 1988. Es lief richtig gut.
Am Wochenende des 22. und 23. Juli 1987 hatten wir den letzten Kaderwettbewerb in Leverkusen. Es war drückend heiß wie selten und die Luft stand. Lediglich eine Buschreihe spendete etwas Schatten. Und in diesem Schatten legte an diesem Samstag einer der anderen Wettbewerbsteilnehmer ein Brett auf einen Tisch und fixierte es mit Schraubzwingen. Auf diesem Brett befanden sich allerhand Kabel, Schläuche und Kästchen, unter denen ich mir als mittlerweile eingefleischter Elektroflieger nichts wirklich vorstellen konnte. Ich erkannte noch eine Blechbüchse und einen Sprittank. Erst schenkte ich diesem Geschehen kaum Beachtung. Ich kannte ja den Piloten schon ein paar Jahre als einen, der immer versucht, den Dingen auf den Grund zu gehen. So brachte er schon zuvor bei unseren Wettbewerben gelegentlich neue Messungen, Ergebnisse aus Versuchsreihen etc. rund um das Elektro-Fliegen mit. Doch der Tank passte an diesem Tag nicht wirklich ins Bild. Als sich dann noch ein Feuerlöscher dazu gesellte, war meine Neugierde doch geweckt. Trotz der immensen Hitze verließ ich meinen Schattenplatz, auf dem ich mich zwischen meinen Flügen ausruhte und schaute seinem Tun zu.
Er hantierte emsig an dem Aufbau herum, hielt einen Elektromotor vor die Blechbüchse und ließ diesen laufen. Ab und zu fauchte und rauchte die Büchse, bis sie schließlich loslief. Ich hatte bis dato noch keine Strahlturbine in Modellgröße gesehen, geschweige denn in Betrieb gesehen. Wie auch. Es gab ja kaum welche.
Kurt Schreckling, unser Kollege aus dem F3E-Lager, hatte in monatelanger Tüftelei, mit vielen Berechnungen und Versuchen, eine lauffähige Modellturbine entwickelt. Und er war zu Recht stolz darauf. Ich hatte das Glück, hier seiner ersten Vorführung vor Publikum beizuwohnen. Und noch stolzer konnte er sein, als er Teile aus dem Inneren der Turbine zeigte. Einige davon waren aus Sperrholz! „Kurt, darüber musst Du uns was für die FMT schreiben!“, sagte ich. Irgendwie ahnte ich, dass das etwas ganz Besonders war. „Und einen Bauplan musst du auch machen.“
Den ersten kurzen Artikel schrieb er tatsächlich recht schnell. Er erschien bereits in der FMT-Oktober-Ausgabe desselben Jahres. Etwas ausführlicher berichtete er im FMT-Spezial „Scale“, welches kurz danach erschien. Und in der FMT 1/1990 konnten wir seinen Bericht über die erfolgreichen Erstflüge mit seiner Turbine veröffentlichen. Somit berichtete die FMT über die erste in einer Modellbauwerkstatt entstandene Strahlturbine. Das müsste auch für andere Modellbauer nachvollziehbar und nachbaubar sein, war der Gedanke.
Doch mit dem Bauplan kam Kurt Schreckling nicht so schnell voran. Das Projekt war dann doch etwas komplexer. Und sein Anspruch war, alles wirklich nachvollziehbar zu beschreiben. Immer wieder hatte ich ihm geschrieben (Briefe natürlich, E-Mail hatten wir noch nicht) oder ihn angerufen und vorsichtig nachgehakt. Anfang 1992 war es dann endlich soweit. Das gesamte Material traf im Verlag ein. Nach der Sichtung war klar, dass es zu umfangreich für einen Bauplan war. Keine der Zeichnungen war wirklich groß, so dass ich mich schnell dazu entscheiden konnte, daraus ein Buch in unserer MTB-Reihe zu machen, die ja das DIN-A4-Format hat. Im April 1992 war der Bauplan im Buchformat fertig. Der Verkauf des MTB „Strahlturbine für Flugmodelle im Selbstbau“ begann auf der Inter-ModellBau in Dortmund. Kurt Schreckling war dort ebenfalls an unserem Messestand, hatte seine Turbine dabei und stand für Fragen den Interessierten zur Verfügung. Der Verkauf des Bauplans im Buchformat stellte dann all unsere Erwartungen in den Schatten. Das Interesse war immens.
Zwei weitere MTB von Kurt Schreckling folgten: im Jahr 2000 „Turboproptriebwerk“ und 2004 „Modellturbinen im Eigenbau“. Mit Thomas Kamps gesellte sich ein weiterer Autor in diesem Themenbereich dazu. Zwischen 1999 und 2003 erschienen vier FMT-Fachbücher aus seiner Feder. So haben Kurt Schreckling und die FMT mit diesen Veröffentlichungen einen gigantischen Trend losgetreten, dessen Ergebnis wir heute immer noch fasziniert bewundern dürfen. Längst sind die Modell-Turbinen ihren Kinderschuhen entwachsen. Sie funktionieren auf Knopfdruck – meistens jedenfalls. Intelligente Elektroniken steuern und überwachen den gesamten Ablauf, vom Starten bis zum Abkühlen nach der Landung. Und bauen muss der Modellflieger sie auch nicht mehr. Die Modellbau-Industrie bietet Geräte in allen Größen betriebsfertig an. Sperrholz wird dabei nicht mehr verwendet.

Ach ja. An diesem Sonntag in Leverkusen lag mein Flieger im letzten Durchgang kurz vor der Landung ganz plötzlich im Kornfeld. Es war an diesem Wochenende einfach viel zu heiß. Auf meine WM-Qualifikation musste ich zwei weitere Jahre warten.