

NEUER OLDTIMER
Elly von Gerwald Wiedmann
War da nicht schon mal was… vor mehr als zehn Jahren? Ja, genau, einige regelmäßige Leser der FMT oder treue Wolfgang-Werling-Fans werden jetzt vielleicht schmökern und auf den Bericht eines auf Oldtimer getrimmten Nurflügels mit dem Namen Willy in der FMT 12/2010 stoßen. Wolfgang hatte schon damals die Idee, einen solchen leitwerkslosen Oldtimer zum gemütlichen Rumfliegen zu konzipieren – mit sauberem Plan und Bauanleitung. Und wie er damals schon anmerkte: Auch wenn es kein Vorbild gab… hätte es ihn durchaus geben können.
GERWALD WIEDMANN, FLUGFOTOS: GABRIEL TOKA
Wie Wolfgang Werling zu dem Namen Willy kam, weiß ich nicht – eventuell eine Hommage an Willy Messerschmitt? Wie und warum ich meine Abwandlung Elly genannt habe? Nein, die Abkürzung für ein Elektromodell war es nicht! Um ein neues Arbeitspensum in der Werkstatt „ehe-konform“ einzuführen, hat es eine Pilotin bekommen, das erste Zubehör war deshalb auch die Pilotenpuppe. Und ich habe natürlich schon immer eine Bewunderung für Elly Beinhorn empfunden, ihre silberne Messerschmitt Bf 108 Taifun habe ich auch seit vielen Jahren als Modell. Da ich doch wesentliche Veränderungen an der ursprünglichen Konstruktion vorgenommen habe, war eine leichte Änderung des Namens eigentlich nur konsequent.
Projektziele
Ich wollte einen weiteren Nuri bauen, aber nichts Alltägliches. Er sollte kein „Hochleister“ sein und er sollte nicht wie ein Zweckmodell aussehen – eher was Gemütliches, Attraktives… aber er sollte unbedingt bodenstartfähig sein, denn die Handstarts mancher Nuris haben so ihre Tücken. Übrigens haben mir erfahrene Nuri-Piloten davon abgeraten. So richtig begründet haben sie es nicht, deshalb blieb ich bei meinen Modifikationen.
Flächen
Die Flächen konnte ich im Wesentlichen übernehmen. Auf zwei Änderungen möchte ich hinweisen. Ich habe die Endleisten gemäß meiner bisherigen Nuri-Erfahrungen mit einem S-Schlag versehen, – überwiegend durch Anschleifen der hinteren Rippenunterseiten und der unteren hinteren Beplankung.
Für das Verkleben der zum Teil gewölbten Beplankungen sollte man genügend Klammern vorrätig haben und schon vor dem Aufbringen des Leims die Kreppbänder an der Nase befestigen, damit das Fixieren zügig geht. Die Querruder- und Wölb-klappen-Bereiche habe ich nicht komplett beplankt und danach die Ruder mit Stahllineal und Messer herausgetrennt. Ich habe bereits beim Beplanken mehrteilig gearbeitet, exakte Abstände zwischen Fläche und Rudern mit Hilfe eingelegter Kiefernleisten geschaffen, unten 2,5 mm mehr, und natürlich die späteren Verkastungsleisten mitberücksichtigt. Dadurch musste ich im Anschluss nur einmal alle Rippen durchsägen, die Rippen bis zu den Beplankungsrändern wegschleifen und verkasten. Das Ergebnis sind völlig gerade Scharnierkanten und exakt gleiche Abstände von den Rudern zur Fläche.
Alles andere wurde gemäß Plan und Anleitung gemacht. Ich konnte im Übrigen einen kompletten Bausatz vom VTH aus zweiter Hand erwerben – in ausgezeichneter Holzqualität und präzise gefräst. Kein Bauteil wurde vermisst und es war auch keines verzogen. Ich habe mir lediglich vom Himmlischen Höllein einen Kohlestab anstatt des schweren Stahls für die Hauptsteckung besorgt. Bei Höllein habe ich schon öfter die erwartete Qualität für solche Teile bekommen – der Stab passte mit dem gewünschten und bekannten „Blob“ in die Rohre.

Rumpf
Beim Rumpf musste ich aufgrund meiner Bodenstart-Ambitionen jedoch die Partie vor der Fläche erheblich ändern, ebenso Hauptrad und Hecksporn. Neben der nur optional vorgesehenen Anlenkung des Seitenruders habe ich auch eine Schleppkupplung eingebaut – sie liegt dort, wo im Plan der Motor vorgesehen ist.
Bei der veränderten Rumpfspitze habe ich mich optisch für eine Anleihe bei der Klemm L25 entschieden, da ich damit die Motorwelle um 4 cm höher setzen konnte, um ausreichend Bodenfreiheit des Propellers zu erreichen. Den Sturz habe ich auf drei Grad, den Zug auf zwei Grad im Kopfspant festgelegt – wie sich später zeigen sollte, ideal!
Die wesentlichen Bauänderungen sieht man gut auf den Bildern. Ich will nicht verschweigen, dass der Bau so eines Oldtimer-Rumpfes mit vielen runden Formen schon etwas mehr Aufwand mit sich bringt. Die Beplankungsteile sollte man überwiegend vorher gründlich wässern und zunächst festpinnen, bis sie trocken sind. Dann ist das Verkleben viel einfacher.
Den abnehmbaren Rumpfdeckel habe ich belassen, aber mit drei kräftigen Magneten an den Ecken/Rändern sicher befestigt. Damit sind die Montage, die Wartung und der Akkuwechsel schnell und einfach zu erledigen. Das vordere Ende meines Li-Pos sitzt 3 cm hinter der Nasenleiste, – den Bereich sollte man also frei lassen bzw. gut zugänglich planen.
Das größere Hauptrad habe ich noch ein wenig nach vorne versetzt und mit zwei CFK-Bügeln am Hauptspant verharzt. Achse und Rad können gewechselt werden. Dadurch schaut es etwas weiter aus dem Rumpf – alles zugunsten von mehr Bodenfreiheit, auch für den Propeller. Den Hecksporn habe ich wechselbar verbaut, über einen kleinen Deckel kommt man an seinen Stellring, um den Anstellwinkel der Fläche noch verändern zu können. Wichtig ist, dass er nicht drehen kann.

Motor und RC
Bei der Motorisierung habe ich auf einen vorhandenen 3548er mit 1.050 kV zurückgegriffen, den ich von einem 2-m-Hotliner her gut einschätzen konnte, mit einer starren APC-E 10×7. Befeuert wird das Ganze von einem 3s-3.000-mAh-LiPo über einen 80-A-Regler mit 6-A-BEC, ferner misst ein unisens-E laufend alles, was wichtig ist.
Ich habe 4 × 10-mm-Servos (KST DS 135) in den Flächen verbaut. Für das Seitenruder und die Schleppkupplung sind im Rumpf einfachere 12-mm-Servos (HK 933 MG) verbaut.
Finish
Die optische Attraktivität ist bei einem vermeintlich naturgetreuen Oldtimer ganz wesentlich an die Oberflächengestaltung gekoppelt. Für mich kamen hier nur Oratex und gelbes Bespannpapier infrage – Letzteres aufgrund vieler Rundungen beim Rumpf, der wäre nicht leicht mit Folie zu bespannen gewesen.Ein weiterer Grund waren meine Erfahrungen bei der Herstellung einiger Klemm-Flugmodelle.
Den Rumpf habe ich zweimal mit Spannlack grundiert und nach dem Aufbringen des Bespannpapiers mit Glutofix nur dreimal mit Spannlack gestrichen und dazwischen immer fein verschliffen. Abschließend habe ich einen Anstrich mit mattem Parkettlack aufgebracht.
Die Flächen kann man sehr gut mit Oratex bespannen, in meinem Fall dreifarbig für gute Sichtbarkeit. Die Ruder habe ich mit angebügelt, da die üblichen Scharnierbänder auf Oratex nicht sehr gut halten. Man muss sich dabei an eine überlegte Reihenfolge beim Bügeln halten und Überstände von etwa 1,5 cm an den bei mir antik bespannten Flächenteilen lassen, die man dann an den Rudern festbügelt, bevor man darüber die Ruder farbig bespannt. Das gibt zuverlässige Scharniere und perfekte Übergänge.
Mit wenigen Applikationen kann man die Optik noch verbessern. Ich hatte noch einige Reste von einer Klemm, die weiteren Schriftzüge sind von Michael Stumpf / plott and fly – ein fairer und zuverlässiger Partner für so etwas.

Fliegen
Um für alle Eventualitäten gerüstet zu sein, habe ich eine lineare Verwölbung der vier Klappen auf einen Schieber gelegt. Alle anderen Programmierungen sind zunächst Standard für einen Nuri, keine weiteren Mischer. Nach den Testflügen kamen dann doch einige Ergänzungen dazu, siehe Tabelle. Die Anmerkung gegenüber Strak bedeutet, dass sich die Ausschläge bei den Wölbklappen auf die Tragfläche am inneren Ende und bei den Querrudern am äußeren Ende beziehen, da alle Klappen bereits in Neutrallage nach oben gestellt sein müssen.
Die Schleppkupplung hatte ich insbesondere für die ersten Startversuche eingebaut. Den ersten Start habe ich dann hinter einer Maule von Bruckmann durchgeführt. Die Elly absolvierte die Verfolgung schnurgerade, ohne mit den Flächenenden einzufädeln. Ich hatte aber das Gefühl, dass sie etwas „am Boden klebt“. Schließlich hob sie bei höherer Geschwindigkeit und Vollausschlag am Höhenruder doch ab.
Einmal in der Luft gab es keinerlei Probleme, es musste nichts getrimmt werden. In 100 m Höhe klinkte ich aus. Sie fiel etwas, ich musste ein wenig hochtrimmen. Kurvenflug gut, nach Zuschalten des Seitenruder-Mix perfekt. Butterfly-Test: Sie steigt spürbar, also Wölbklappen etwas tiefer… jetzt ist auch das gut.
Nach fünf Minuten erfolgt der erste nahe Platzüberflug und langsam Vollgas…schön steigt sie weg, für mein Gefühl etwas zu steil, also etwas Tiefe für diese Phase (Motor) zumischen.

Das Ganze wiederholt sich so ca. fünfbis sechsmal. Teilweise erwische ich ein wenig Thermik. Nach einer völlig problemlosen, weichen Landung zeigt die Uhr immerhin mehr als eine halbe Stunde Gesamtflugzeit. Alles perfekt? – Nein, das zähe Abheben lässt mich grübeln.
Aber trotzdem und ob des schönen Wetters wage ich mich gleich an die nächste Herausforderung heran, einen Bodenstart mit eigener Motorkraft. Also einen neuen Akku einsetzen und los – schön gerade rollt sie, ich ziehe wieder, dann voll (hoffentlich hält der Knüppel!) und am Ende hebt sie gerade noch ab. Der Rest ist unkompliziert, wie beim Erstflug. Ich lande schnell wieder – und nun?
Ich bekomme nur wenige Ratschläge, da viele Kollegen mein zähes Ziehen gar nicht bemerkt haben. Ich erhöhe jedenfalls für den 3. Start den Höhenruder-Ausschlag und mische 30% Wölbklappen zu (nur für den Start!). Wieder Vollgas und diesmal hebt sie etwas früher ab. Bin ich damit zufrieden? Nein, noch nicht. Für eine sichere und gemütliche Fliegerei erwarte ich schon ein schnelleres Abheben. Zu Hause biege und montiere ich einen neuen Sporn. Jetzt liegt das Heck zwei Zentimeter tiefer. Die Wölb-klappen-Zumischung für die Startphase erhöhe ich auf 50%.

So geht es eine Woche später wieder auf die Piste (übrigens: „nur“ gut gepflegter Rasen, kein Asphalt o. Ä.). Diesmal bin ich endlich zufrieden. Sie hebt beim ersten beherzten Ziehen ab – und wird dabei auch nicht kritisch, was ich aufgrund der mittlerweile doch beachtlichen Ausschläge und Anstellung etwas befürchtet hatte. Dieser und alle weiteren Flüge verlaufen problemlos. Das Flugbild und die Flugzeiten begeistern mich.
Das anfängliche „Kleben“ am Boden beim Starten will ich hier nicht weiter physikalisch oder aerodynamisch analysieren oder kommentieren – ich vermute aber schon, dass es eine Eigenheit von Nuris sein könnte oder/und einfach die Nähe der Fläche zum Boden… Bodeneffekt. Wie man an diesem Projekt aber sieht, kann man durch sukzessives Probieren/Verändern zu sehr guten Ergebnissen kommen – auch ohne Windkanal-Analyse oder Berechnungen.

Mein Fazit
Ich habe aus einer sehr schönen Konzeptidee inklusive Bauplan von Wolfgang Werling mit einem hochwertigen Bausatz des VTH und individuellen Änderungen ein Unikat eines Flugmodells gebaut, von dem mancher Fan von experimentellen Oldti-mer-Flugzeugen sagen würde: „Ich bin sicher, den hat es mal gegeben“ oder auch „Kaum zu glauben, dass es den nie gegeben hat!“.
Nurflügel sind in jeder Hinsicht etwas Besonderes, deshalb werden sie auch meist schnell von Kollegen oder Zuschauern bestaunt. Es braucht Zeit, sich in die Materie einzuarbeiten und man muss beim Bauen und Fliegen schon ein wenig vor- bzw. umdenken, um erfolgreich zu sein. Macht man das mit Interesse und Konsequenz, wird man am Ende auch belohnt. Ich habe das bei der Elly wieder einmal so erlebt. Sie ist mein vierter Nuri in den letzten fünf Jahren. Ich gebe in diesem Bericht viele Erfahrungen meiner Umsetzung gerne detailliert weiter – das ist aber keine Garantie, dass damit jeder den gleichen Erfolg erzielen kann. Bei den Nuris muss man meiner Erfahrung nach sehr genau auf alle Einstellungen achten und insbesondere beim Bau der Flächen sehr sorgfältig vorgehen.

Aber sind es nicht gerade unsere individuell veränderten Unikate, die uns als Modellbauer besonders mit Stolz erfüllen und besonders herausfordern? Wer sich für Willy und Elly interessiert oder weitere Infos zu Bauplan, Anleitung oder der Idee des Konstrukteurs haben möchte, kann beim Verlag auch auf die Archiv-CDs zurückgreifen, die es seit einiger Zeit von vielen älteren Ausgaben der FMT gibt.
Elly
Spannweite 2.600 mm
Rumpflänge 840 mm
Gewicht 1.890 g
Schwerpunkt von NL 67 mm
Anstellung Fläche (ü. Boden) - Nasen-/Endleiste (mm) 130/101
Anstellung von QR/HR und WK (mm, gegenüber Strak)* +7/+3
QR-Ausschläge o/u (mm, gegenüber Strak)* +16/-2
Differenzierung QR 10%
HR-Ausschläge o/u (mm, gegenüber Strak)* +15/-2
WK-Ausschläge normal/max.(mm, gegenüber Strak)* +3/+8 (nur über Mix zum HR beim Start)
WK+QR-Ausschläge, Verstellung über Schie- ber (nicht bei Start!) +/-2mm Butterfly/Landung o/u (mm, gegenüber Strak)* QR+14/WK-10
SR-Ausschläge li/re (mm) 50/50
Expo QR/HR 35/15%
Combiswitch QR-SR (schaltbar) 50%
Stromversorgung 3s-3.000-mAh-SLS xtron, LiPo (30C)
Antrieb
Motor: Turnigy 35481.050 kV (170 g)
Regler: YEP 80 A (5,5 V,6 A BEC)
Propeller: 10×7 APC-E
max. Startstrom (Leistung): 55 A/ca. 500 W
RC-Ausrüstung Telem.-Überwachung vos (Fläche) und GR-HoTT/KST-Ser-HK 933 MG (Ruder) unisens-E Oratex (Fläche)
Bespannung: und Japanpapier gelb (Ru.)
* = QR außen, WK innen gemessen!