

Hier riecht’s nach Sprit
Wenn ich an der Käsetheke im Supermarkt den dort angebotenen Emmentaler sehe, läuft mir zwar sofort das Wasser im Mund zusammen, ich denke aber vor allen Dingen dann automatisch an das tolle Treffen von Modellfliegern in Huttwil im Emmental in der Schweiz. Seit vielen Jahren treffen sich in Huttwil Modellbauer aus halb Europa, die den unbändigen Drang haben, ihre Flugmodelle unter keinen Umständen fertig zu kaufen, sondern selbst zu konstruieren und zu bauen. Da sind die tollsten Modelle zu sehen und wer als Außenstehender den Gesprächen lauschen würde, bekäme bestimmt das Gefühl, total Verrückten zuzuhören. Einer dieser Verrückten – im positiven Sinne – ist Peter Limacher. Er wohnt ganz in der Nähe von Huttwil in Fischbach und hat ein ganz seltenes und außergewöhnliches Verkehrsflugzeug nachgebaut, eine Clark GA43 von der Firma General Aviation. Davon hat es nur vier Exemplare gegeben – zwei davon wurden bei der Swissair eingesetzt.

Peter hat mir neulich folgendes Mail geschickt: „Seit einigen Jahren fliege ich mit Benzinmotoren. Wenn die Motoren einige Wochen nicht gelaufen sind, haben sie das Problem der Ansaugung. Sobald dies einmal gelungen ist, laufen die Motoren einwandfrei. Es ist mir aufgefallen, dass an meinem Rasenmäher ein Gummiknopf auf dem Vergaser sitzt, der für die erste Ansaugung hilfreich ist. Warum wird diese Technik nicht auch bei Modellmotoren angewendet?“
Peter meint den sogenannten Primerknopf. Das ist eine Gummibällchen-Pumpe, mit der zum Anwerfen der nötige Sprit angesaugt werden kann (Abb. 2 und 3). Das haben die meisten Gartengeräte eingebaut. Im Modellbaubereich kenne ich diese Technik eigentlich nur aus dem Automodellbau. Da werden bei den kleinen Benzinern auch Vergaser mit der sogenannten Primerpumpe verwendet. Beim Flugmodell, speziell, wenn der Motor unter einer Haube sitzt, wäre es natürlich total unhandlich, wenn man am Vergaser auf das kleine Bällchen drücken müsste. Es gibt aber im Ersatzteilverkauf im Bereich der Kettensägen und Motorsensen eine ganze Reihe von Vergasern mit einem zusätzlichen Schlauchanschluss für eine separate Primerpumpe (Abb. 4). Und es gibt die kleinen dazu passenden Pumpen auch einzeln zu kaufen. Und diese Pumpen kann man an jede beliebige Stelle einbauen.
Wenn man im sonst so allwissenden Internet nachsieht, wird man schwerlich eine Beschreibung finden, wie so eine Pumpe anzuschließen ist und vor allem, wie die korrekte Funktion ist. Sehen wir uns jetzt einmal die kleine Pumpe an. Es gibt da diesen elastischen „Ball“, darunter ein meist rotes, kreisrundes Gummiteil und auf der Rückseite neben den zwei Befestigungsklips noch zwei Schlauchanschlüsse. Wenn man zwei Schläuche anschließt und einen davon in ein gefülltes Wasserglas hält, kann man durch mehrfaches Drücken der Ballonkappe ganz schön kräftig Wasser aus dem Glas herauspumpen. Das funktioniert dadurch, dass das runde Gummiteil am Boden der Ballonkappe ein kleines Rückschlagventil ist.


Man mag jetzt denken, dass mit diesem Pümpchen einfach etwas Sprit in den Vergaser gedrückt wird, um ihn zu „primern“, so wie beim Methanoler. Da gibt man ja auch gerne mal ein paar Tropfen Sprit direkt in die Vergaseröffnung. Falsch! Der Ausdruck Primerpumpe ist total irreführend, da die Funktion eine ganz andere ist. Eigentlich müsste das kleine Ding heißen: Vergaser-Entlüftungspumpe! Da die Bezeichnung Vergaser-Entlüftungspumpe viel zu lang ist, bleibe ich doch bei dem falschen, aber üblichem Namen Primerpumpe.
Wie funktioniert das Ganze? Wir gehen davon aus, dass durch längeres Nichtbenutzen des Motors der Vergaser mehr oder weniger trocken, also nicht mehr komplett mit Benzin gefüllt ist. Das wäre die Ausgangsituation, die Peter Limacher in seinem Mail beklagt. Wenn wir jetzt die Chokeklappe schließen und den Motor etliche Male durchdrehen, braucht es eine ganze Zeit, bis die nicht entlüftete Membranpumpe so viel Sprit gefördert hat, dass alle Kanäle und die Hohlräume des Vergasers wieder luftfrei sind. Wir kennen das vom Auto, wenn da die Bremse nicht sauber entlüftet ist, kann man das Bremspedal bis zum Boden durchtreten und haben trotzdem keine sofort ansprechende Bremswirkung.

Wenn der Vergaser aber einmal wieder voll Sprit ist, dürfte der nächste Startvorgang kein Thema mehr sein. Und jetzt kommt die Primerpumpe ins Spiel. Diese Pumpe hat zwei Schlauchanschlüsse. Der erste Anschluss ist eine Leitung, die im Vergaser genau in dem Zwischenraum unterhalb der Regelmembrane endet. Der zweite Anschluss geht in den Tank des Modells (Abb. 7).
Jetzt drücken wir den weichen Ball der Primerpumpe kräftig ein – wie in der Darstellung 1 auf Abbildung 8 gezeigt. Das Volumen innerhalb des Balls – egal ob Sprit oder Luft – wird über das Rückschlagventil der Pumpe herausgedrückt. Der Druck aus dem Pumpenball gelangt natürlich auch in die Kammer des Vergasers und hebt die Regelmembran an, wodurch das blaue Regelventil den Weg weiter in den Vergaser hinein schließt.

Jetzt lassen wir den Ball wieder los, der sich sofort wieder in seine ursprüngliche Form ausdehnt. Dadurch wird ein Unterdruck erzeugt – er atmet praktisch wieder ein. Das Rückschlagventil unter dem Pumpenball verschließt den Weg zum Tank, von da kann also kein Volumen zum Ausdehnen des Balls kommen. Aber jetzt wird durch den Unterdruck die Regelmembran des Vergasers angesaugt und drückt das blaue Regelventil völlig auf (Darstellung 2 in Abb. 8). Der Weg durch den kompletten Vergaser ist jetzt auf der vollen Linie frei. Die beiden Klap-pen-Ventile der Membranpumpe auf der anderen Vergaserseite machen auch auf und es wird sofort Sprit aus dem Tank in den Vergaser gesaugt. Wenn wir diesen Vorgang ein paarmal wiederholen, wird der Vergaser völlig entlüftet und mit Sprit versorgt. Wenn der Vergaser dann komplett luftfrei ist, wird beim nächsten Drücken der Primerpumpe über die Kanäle der H- und L-Nadel auch noch etwas Sprit in die Vergaseröffnung gespritzt. Ab jetzt stimmt damit sogar der Name der Pumpe wieder. Nun sollte unser Benziner aber wirklich sauber und spontan anspringen. Die Rasenmäher machen es uns vor.
Nur fehlt ja an den Vergasern unseren Benziner der zusätzlich Pumpenanschluss, den ich auf der Abbildung 10 mit dem gelben Pfeil markiert habe. Ohne den geht es aber nicht. Ich habe zur Verdeutlichung eine Büroklammer in den Kanal gesteckt (roter Pfeil), der aus der Regelkammer zum Pumpenanschluss verläuft. Man muss also einmal diesen Kanal nachträglich bohren und dann außen einen Schlauchanschluss anbringen. Das ist absolut nichts für Grobmotoriker, man sollte schon gut mit solchen Arbeiten bewandert sein. Es ist nicht jedermanns Sache, eine schräg verlaufende Bohrung ins Vergasergehäuse treffsicher einzubringen. Sonst ist sehr schnell der Kauf eines neuen Vergasers nötig. Besonderes Augenmerk sollte man auch darauf legen, dass keinerlei Bohrspäne in den Vergaser gelangen. Also muss alles ganz sauber und dicht mit Tape verklebt werden.
Zum Glück sind viele Vergaser schon grundsätzlich für diesen Primer-Pumpenanschluss vorbereitet und haben zumindest außen an der richtigen Stelle eine kleine Delle angegossen, wie auf Abbildung 11 zu sehen ist. Wer sich die Bohrung nicht zutraut, sollte sich stattdessen besser im Kettensägen-Ersatzteilverkauf einen alternativen Vergaser besorgen, der bereits so einen Anschluss hat.
Soweit für heute, bis zum nächsten Monat.


