

Porträt: ASH 31 von HKM, Teil 2
Das 1:2,2-PROJEKT
In der letzten Ausgabe hat Dr. Helmut Quabeck die Grundkonzeption des neuen HKM-Projekts, die Suche nach dem Vorbild, seine Überlegungen zum Profil und den Flügelbau beschrieben. Jetzt geht es weiter mit dem aufwendigsten Teil der Konstruktion, dem originalgetreuen Rumpf.
FOTOS: RAINER WELZEL UND STEFAN VON MALOTKY

Unermesslicher Aufwand: der Rumpf
Den größten Aufwand bei der Konstruktion des ASH-31-Modells erforderte die originalgetreue Wiedergabe des Rumpfs mit den komplizierten Flächen-Rumpf-Übergängen und der Anpassung des Seitenleitwerkes und ihren Ruderhutzen. Einige Kopfschmerzen bereitete auch die „richtige“ Wahl des Einstellwinkels von Tragfläche und Höhenleitwerk zur Rumpfbezugslinie. Obwohl beim Modell Profile mit etwas geringerem Nullauftriebswinkel als beim Original zum Einsatz kamen, wurde schließlich der Einstellwinkel der Tragfläche wie beim Original gewählt, was sich in der bisherigen Flugpraxis gut bewährt hat. Der Einstellwinkel des Höhenleitwerks ergab sich aus der theoretisch erforderlichen Einstellwinkeldifferenz von etwa -2° zur Tragfläche für geringstmögliche Sinkrate im stationären Langsamflug, aus der auch die theoretisch günstigste Schwerpunktlage resultierte.
Da Willi Helpenstein ein absoluter Perfektionist ist, auch was die Oberflächengüte seiner Modelle anbetrifft, hat es eine ganze Weile gebraucht, bis endlich die endgültige Form stand. Wieder und wieder wurde gespachtelt, neu lackiert, geschliffen und poliert; und wenn sich im Lichte Unebenheiten zeigten, war die Mülltonne nicht fern und es wurde neu geformt.
Dimensionierung des Seitenleitwerks
Nach meinen flugmechanischen Vorstellungen und Erfahrungen von der erforderlichen Seitenkraft zum Gieren mittels Seitenleitwerk, muss diese vor allem beim Starten und Landen mit Seitenwind, beim Ein- und Ausleiten eines langsamen Kreisfluges, im Zenit einer hohen Abfangkurve oder eines Turns, bei langsam geflogener Rolle und anderen Manövern groß genug sein, um die dabei auftretenden Luftkräfte des Seitenwindes, die Trägheitsmomente der Tragflächenhälften und die besonders bei hohen Streckungen der Tragflächen sowie hohen Auftrieben auftretenden negativen Roll-Wende-Momente effektiv kontrollieren zu können.
Das beim Gieren mittels Seitenruder zu kompensierende Drehmoment der Tragflächenhälften aufgrund ihrer Massenträgheit ist das Produkt aus dem Trägheitsmoment der Tagflächen und der Drehgeschwindigkeit (Winkelgeschwindigkeit). Das Trägheitsmoment ist prinzipiell das Produkt eines Masseelements m der Fläche und dem Quadrat seines i Abstandes r 2 vom Drehpunkt (Schwerpunkt), also m ∙ r i 2 . Summiert man alle i-ten Trägheitsi momente einer Flächenhälfte auf, so erhält man das durchschnittliche Trägheitsmoment im Abstand R von der Rumpfmitte, nämlich m F ∙ R 2 , m F ist dabei die Gesamtmasse einer Flügelhälfte. Bei einer quasielliptischen Fläche mit etwa gleichbleibender Flächenbelastung in Spannweitenrichtung liegt der Abstand des Massenzentrums etwa bei 40% der Halbspannweite. Man ersieht daraus besonders, dass mit steigender Flächenstreckung das Massenträgheitsmoment quadratisch mit dem Abstand zum Rumpf zunimmt und es muss, wenn die Giergeschwindigkeit nicht zu sehr leiden soll, eine größere Ruderkraft am Seitenleitwerk wirken, die den Trägheitsmomenten der Fläche ein entsprechend größeres Drehmoment um die Hochachse des Seglers entgegensetzt.
Vergrößerung notwendig
Die ursprüngliche Absicht von Alexander Schleicher Segelflugzeugbau war wohl, für die ASH 31 mit 21 m Spannweite den gleichen Rumpf zu verwenden wie für die Version mit 18 m. Unter der Annahme, dass die Belastung der Tragflächen des Modells etwa zwischen 40 bis 50 g/dm² liegen würde, ergab sich bei gleichem Maßstab für ein Modell der 18-m-Version pro Halbfläche etwa ein Gewicht von 5 kg und für die gestreckte Version eines von etwa 6 kg. Für letztere läge der Massenschwerpunkt bei etwa bei R = 1,91 m von der Rumpfmitte und somit wäre das Massenträgheitsmoment des Halbflügels m F ∙ R 2 ≈ 6 ∙ 1,91 2 ≈ 22 kg ∙ m 2 . Für die kleinere 18-m-Version ergab sich m F ∙ R 2 = 5 ∙ 1,64 2 ≈ 13,4 kg ∙ m 2 . Dieser Unterschied war, mal ganz abgesehen vom negativen Roll-Wende-Moment, so eklatant, dass es dringend geboten schien, das Seitenleitwerk für das geplante ASH-31-Modell so weit in Höhe und Tiefe zu vergrößern, dass für das Modell ausreichende Luftkräfte mit dem Seitenruder erzielt werden könnten, ohne dass der Scale-Eindruck darunter leiden müsste. Ansonsten wäre das Modell sicher ein Flop geworden. In einem Gespräch darüber mit Manfred Münch von Alexander Schleicher Segelflugzeugbau erfuhr ich damals, dass ein Prototyp der 21-m-Version mit dem Rumpf der 18-m-Version in der Erprobung war, die Piloten bereits die mangelnde Effizienz des Seitenleitwerks beim Gieren kritisiert hatten und deshalb ein Rumpf mit einem höheren Seitenleitwerk sich schon in der Vorbereitung befinde. So wurde das Seitenleitwerk unseres ASH-31-Modells wieder fast originalgetreu. Wer wissen möchte, wie das negative Roll-Wende-Moment entsteht, kann dies in meinem Profile-Buch nachlesen.

Ergänzend ist noch hinzuzufügen, dass für das Seitenleitwerk ein Profilstrak mit den HQ/ ACRO-0/13… 0/12-Profilen gewählt wurde, der Auftriebsbeiwerte bis zu c a ≈ ∓ 1 erlaubt. Damit sollten sehr effektive Seitenruderausschläge bis zu mindestens ∓ 30° möglich sein, bevor es zum Strömungsabriss käme. Die bisherigen Erfahrungen hinsichtlich der Wirksamkeit des Seitenruders, die Willi in vielen Flugstunden mit dem Prototyp des Modells sammeln konnte, haben aber gezeigt, dass schon Ruderausschläge bis zu maximal 20° völlig ausreichen, um das Gieren des Modells in allen denkbaren Fluglagen effizient zu steuern. So ist beispielsweise langsamer enger Kreisflug beinahe ohne Querrudereinsatz (!) möglich.
Krone der Flugmechanik: Höhensteuerung
Erst kürzlich habe ich in einem Aufsatz wieder einmal darauf hingewiesen, dass wir den Engländern Sir George Cayley (* 1773, † 1857) und William Samuel Henson (* 1812, † 1888) mit seinen Patenten von 1842 die Idee des Höhensteuerns mit separatem Höhenleitwerk zu verdanken haben (mehr darüber in meinem Profile-Buch). Vor allem ihre Erkenntnisse über die Wirkung eines separaten Höhenleitwerks und des Zusammenhangs zwischen der Schwerpunktlage und der Einstellwinkeldifferenz von Tragfläche und Höhenleitwerk für die Flugstabilität waren damals wohl die Krönung der Flugmechanik – und sind auch heute nach über 200 Jahren Modellfliegern immer noch schwer zu vermitteln. Beim Design eines originalgetreuen Flugmodells sind diesen Aspekten in Anbetracht der aerodynamischen und flugmechanischen Unterschiedlichkeiten, die sich aus den ungünstigeren Strömungsverhältnissen im Vergleich zum bemannten Vorbild sowie der für den Modellflug notwendigen Längsstabilität des stationären Fluges ergeben, besondere Aufmerksamkeit zu schenken.
Große originalgetreue Segelflugmodelle wie die ASH 31 werden gerne mal in großer Höhe und Distanz geflogen. Wer solch ein Modell erwirbt, erwartet deshalb verständlicherweise ein hohes Maß an Leistung, sprich eine geringe Sinkrate im Langsamflug und schnelles Gleiten mit wenig Höhenverlust, beste Manövrierbarkeit und ein adäquates Maß an Flugstabilität, das keine ständigen Korrekturen der Fluglage erfordert. Dies trifft in besonderem Maße für die sogenannte „statische Flugstabilität“ bei der Längsbewegung eines Flugzeugs zu. Grundsätzlich versteht man darunter das aerodynamische und flugmechanische Vermögen, nach einer Störung eines stationären Flugzustandes, zum Beispiel durch eine Böe, ohne korrigierende Betätigung des Höhenruders wieder in den ursprünglichen stationären Gleitflug zurückzukehren. Zum allgemeinen Verständnis sei daran erinnert, dass die Bewegung eines Flugzeuges als „stationär“ bezeichnet wird, wenn seine Geschwindigkeit oder Drehgeschwindigkeit konstant sind. Dynamische Flugbewegungen mit veränderlichen Geschwindigkeiten lassen sich leichter verstehen, wenn man sie als eine Aneinanderreihung von stationären Flugzuständen mit leicht unterschiedlichen Re-Zahlen beschreiben kann, man kann dann von einem „quasistationären“ Bewegungsverlauf sprechen. Ein typisches Beispiel hierfür sind die Geschwindigkeitspolaren von Segelflugzeugen.
Neutralpunkt und Schwerpunkt
Ebenso wie für das Profil und die Tragfläche, gibt es einen Neutralpunkt N für das ganze Flugzeug (im Angelsächsischen als „Aerodynamic Center“ bezeichnet), in dem die gesamte, vom Anstellwinkel der Fläche abhängige Auftriebskraft L (Lift) von Tragflügel und Höhenleitwerk angreift sowie ein korrespondierendes Drehmoment M o , das vom Anstellwinkel weitestgehend unabhängig ist. Auf die Details der flugmechanischen Berechnung kann hier wegen seiner Komplexität nicht weiter eingegangen werden, sie finden sich in meinen Büchern „HQ-Profile für den Modellflug“ und „Design, Leistung und Dynamik des Segelflugmodells“. Zu erwähnen ist aber, dass die Neutralpunktlage N allein von den geometrischen Dimensionen des Modells, der Auftriebseffizienz von Fläche und Höhenleitwerk, dem Verhältnis der Flächengrößen von Höhenleitwerk und Tragflügel sowie dem Abstand r NH ihrer Neutralpunkte bestimmt wird.
Die optimale Position des Schwerpunkts S für geringste Sinkrate und/oder bestes Gleiten im stationären Gleitflug wurde für das ASH-31-Modell mittels der quasistationären Auf-triebs-Widerstands-Polare für 100 g/dm² Flächenbelastung ermittelt. Mit dem gewählten Profilstrak für die Tragfläche sollte er demnach zwischen 42% bis 45% der durchschnittlichen Flächentiefe ĉ des Tragflügels zu liegen kommen, was auch die Flugerprobung bestätigte.
Flugmechanisch ergibt sich die Flugstabilität aus dem Abstand N-S zwischen Neutralpunktlage N und Schwerpunktlage S. Im Prinzip fliegt also ein Flugmodell umso stabiler, je größer der Abstand seines Neutralpunktes N hinter dem Schwerpunkt S liegt. Allerdings gilt es nicht, eine größtmögliche Rücklage des Neutralpunktes und damit höchstmögliche Längsstabilität zu erreichen, vielmehr gibt es für jeden Modelltyp einen spezifischen Neutralpunktabstand zum Schwerpunkt, mit dem das praktisch optimale Maß an statischer Flugstabilität und Mobilität erreicht wird. Gibt man die Flugstabilität in Prozenten an, hätte unser Modell mit den geometrischen Dimensionen des Originals bei exakter flugmechanischer Berechnung des Neutralpunktes mit 15% lediglich die Stabilität eines F3F- oder F3B-Modells gehabt. Erfahrungsgemäß erfordern aber große originalgetreue Segelflugmodelle nach exakter Rechnung mindestens ein Stabilitätsmaß von über 20 %. Zum Beispiel kam ein Modell des Arcus von Schempp-Hirth im Maßstab 1:2,7, das ich zwei Jahre später konstruierte, auf eine Flugstabilität von 27%. Das ASH-31-Modell der 21-m-Originalversion hätte mit nur 15% Flugstabilität erhebliche Stabilitätsprobleme beim Starten und Landen, beim F-Schlepp, beim Starten mit Klapptriebwerk, beim Nachziehen im engen Kreisflug und bei langsam geflogenen akrobatischen Manövern wie Turns, Loopings oder Rollen verursacht. Da Rumpf und Tragfläche nicht zu verändern waren, konnte eine bessere statische Längsstabilität nur über eine angemessene Vergrößerung von Profiltiefe und Spannweite des Höhenleitwerks erzielt werden. Dies geschah so, dass der Originaleindruck des Höhenleitwerks auch für kritische Augen erhalten blieb, die Profiltiefen an den Leitwerksenden noch Re-Zahlen von über 140.000 für die Strömung im stationären Langsamflug (14 m/s) ermöglichten und daraus eine stationäre Längsstabilität von 22% resultierte. Wie sich mittlerweile in vielen Erprobungsflügen gezeigt hat, ist dieses Stabilitätsmaß bestens geeignet für alle Fluglagen und das Modell verhält sich auch in großen Distanzen völlig problemlos.
Das Höhenleitwerks-Profil
Zum Schluss meiner aerodynamischen und flugmechanischen Ausführungen hinsichtlich des ASH-31-Modells darf nicht der Einfluss der Profileigenschaften des Höhenleitwerks auf die Steuerbarkeit um die Querachse vergessen werden. Prinzipiell fliegt ein Modell nur so lange statisch stabil, bis die Anstellwinkeländerung durch eine Störung so groß wird, dass entweder am Tragflügel oder am festen Höhenleitwerk die Strömung abreißt. Das Modell befindet sich dann in einer instabilen Fluglage, was anschließend leicht zum Abkippen oder Trudeln führen kann. Je nach Größe der Flugstabilität ist es also wichtig, ein Profil am Höhenleitwerk zu haben, bei dem es bei einer Störung nicht so schnell zu einem Strömungsabriss kommt. Je geringer die statische Längsstabilität ist, umso eher kann es bei einer Störung zum Stall am Höhenleitwerk kommen und umso effizienter sollte das Höhenleitwerk darauf reagieren können.
Profile mit 7 bis 9% Dicke erlauben als Pendelruder nur maximale Auslenkungen von etwa ∓ 4° bis 5°, bis es zum Stall kommt, bei einem Leitwerk mit Flosse und Ruder auch nur etwa 6°. Deshalb kommt es mit solchen Profilen oft schon bei moderaten Ruderausschlägen am Höhenleitwerk leicht zum Strömungsabriss, was sich vor allem beim Starten und Landen, beim Starten und Steigen mit Ausklapptriebwerken, beim langsamen Kreisen in der Thermik, bei engen Wenden und bei möglichen akrobatischen Manövern wie Turn, Loop etc. bemerkbar macht. Vor allem beim F-Schlepp großer Modelle kann es dazu kommen, dass der Segler bei zu starkem Nachziehen in unkontrollierbare Fluglagen gerät und nicht mehr sauber hinter dem Schlepper herkommt, weil die Strömung am Höhenleitwerk einen Abriss hatte. So kommt es dann öfter mal zum vorzeitigen Ausklinken.
Für die Längsstabilität selbst ist das auch insofern von Bedeutung, als das Modell durch eine starke Böe oder heftigen Aufwind am Hang mit einem zu dünnen Leitwerksprofil in eine instabile Lage geraten kann, die nicht mehr mit dem Höhenruder korrigiert werden kann. Dagegen lassen sich Höhenleitwerke mit 12 bis 13% Profildicke, zum Beispiel die Profile HQ/ACRO-0/12… 0/13, ohne merkbaren Zuwachs des Profilwiderstandes bis zu etwa 10° auslenken, bevor es eventuell zum Strömungsabriss kommt. Auf die Details dazu bin ich in meinem Profile-Buch ausführlich eingegangen. Die Wirksamkeit dieser Überlegungen hat sich mittlerweile bei vielen Modellen als gut und richtig erwiesen – und so auch beim ASH-31-Modell.

Fazit
Nach vier Monaten intensiver Flugerprobung des Prototyps der ASH 31 ist Willi noch immer so begeistert von den Flugleistungen und der nahezu narrensicheren Manövrierbarkeit wie am ersten Tag. Wenn jemand wie er, der so viel Flugerfahrung mit allen möglichen Modelltypen hat, der seit Jahrzehnten ein absoluter Könner im Serienbau von Flugmodellen ist und damit seinen Lebensunterhalt und den seiner HKM-Mitarbeiter bestreiten muss, so erfreut ist, dann sagt das wohl auch aus, dass Ich denke, seine Werkstätte mit Unterstützung meiner Denkfabrik hat ein selten schönes und in jeder Weise beindruckendes Großsegelflugdas Design des Modell trefflich gelungen ist. modell entstehen lassen, das in Zukunft sicher etliche Liebhaber finden dürfte.
Literatur/Quellen
Quabeck, Helmut: HQ-Profile für den Modellflug, Babenhausen 2015
Quabeck, Helmut: Software „FMFM – Schwerpunkt“, Babenhausen 2008
Quabeck, Helmut: Software „FMFM – Flugmechanik für Flugmodelle“, Babenhausen 2003
Quabeck, Helmut: HQ-Profile unter: www.hq-modellflug.de
Quabeck, Helmut: Exact Theory of Longitudinal Flight Stability, PDF-Download unter: www.hq-modellflug.de/ theory.htm
Quabeck, Helmut: Design, Leistung und Dynamik des Segelflugmodells, Babenhausen 1994
Eppler, Richard: Flugzeugprofil-Analyseprogramm „Profil06”, Stuttgart 2007