

REPORT: Die Jugend von heute...
… liebt den Luxus, hat schlechte Manieren und verachtet die Autorität. Sie widersprechen ihren Eltern, legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer.“ Angeblich soll sich der griechische Philosoph Sokrates, der im 5. Jahrhundert vor Christus lebte, so geäußert haben. Aus heutiger Sicht könnte man hinzufügen, dass sich die Jugend nur noch für Smartphones und Internet interessiert und keinerlei Interesse an Modellflug oder gar -bau hat.

Viel Erfolg
So stellte sich uns die Lage im Herbst 2013 dar, als wir drüber sprachen, warum von über 50 Mitgliedern unseres Vereins nur drei Jugendliche waren. Was war der Unterschied zu anderen Aktivitäten von Jugendlichen, die durchaus Zulauf haben, wie Tischtennis oder Fußball? Zuerst mal der feste Trainingstermin. Wir Modellflieger sind sehr wetterabhängig und die Aussage „wir fliegen, wenn schönes Wetter ist“ passt nicht in das Konzept der Familien, die für ihre Kinder Fahrdienste absolvieren müssen. Wir hatten schon 2013 in den Sommerferien den Jugendabend am Donnerstag eingeführt und machten diese Idee 2014 zu einer dauernden Einrichtung. Unser früherer Jugendleiter hatte uns zudem einen Hallenflugtermin am Sonntagmorgen organisiert. Das musste aber noch öffentlich gemacht werden, also begannen wir, an den Jugendabenden und beim Hallenflug Bilder zu machen und kleine Artikel im Gemeindeblatt zu veröffentlichen – jeweils verbunden mit der Einladung, dass Interessenten jederzeit herzlich willkommen sind.
Und sie kamen…
… und wurden freundlich empfangen, durften ihre mitgebrachten kleinen Helis fliegen oder bekamen von uns welche gestellt. Beim ersten Jugendabend 2014 auf dem Flugplatz hatte der Verein schon sieben Jugendliche. Und diese wurden dann für das Ferienprogramm eingespannt, das der Verein traditionell in den Sommerferien für die Kinder der Gemeinde veranstaltet. 16 Jugendliche nahmen teil und bastelten einen Wurfgleiter, machten einen Weitwurfwettbewerb und es wurde gegrillt. Der Höhepunkt war wie immer das Lehrer-Schüler-Fliegen. Im Gegensatz zu den Vorjahren bekamen sie außerdem Flugvorführungen von unseren Jungs gezeigt und wurden bei der Verabschiedung eingeladen, gerne am Donnerstag zum Jugendabend wiederzukommen. Von den 16 Teilnehmern kamen zehn wieder, und bis zu unserem traditionellen E-Meeting im September war unsere Jugendgruppe auf elf Mitglieder angewachsen. Dazwischen wurde noch auf dem Platz gegrillt, Pizza gegessen und zweimal ein Zeltlager organisiert. Und immer darüber im Gemeindeblatt berichtet.
Mit WhatsApp
Die Kommunikation spielte auch eine entscheidende Rolle. Zu Beginn verschickten wir alle Informationen per Rundmail, mit teilweise enttäuschenden Ergebnissen. Lars klärte uns dann auf: „Wir haben eine WhatsApp-Gruppe, wollt ihr nicht auch mitmachen?“ Von da an ging alles in Echtzeit und erleichterte uns die Organisation erheblich. Alle Jugendlichen bzw. ihre Eltern sowie Jugendleiter und Helfer sind in der WhatsApp-Gruppe (über 20 Teilnehmer inzwischen), sodass niemand mehr umsonst auf den Platz fährt. Die Absprachen klappen prima und erreichen immer alle mehr oder weniger sofort. So fand unser letzter Jugendabend 2014 an einem Tag statt, den wir schon alle wegen schlechtem Wetter abgeschrieben hatten. Doch dann kam die Meldung von Udo um 16:30 Uhr auf WhatsApp, die Sonne käme raus und er fahre jetzt los. Wir hatten einen super Flugabend mit toller Beteiligung!
Keine Pause

Im Herbst 2014 stellte sich dann auch die Frage, wie man die Jugendlichen über den Winter bei der Stange halten kann. Hallenfliegen war ein Teil der Antwort. Dazu kam die Idee, ein Bauprojekt zu organisieren. Die Wahl fiel auf den Baby-Hai, und unser Vereinskamerad Walter stellte uns dankenswerterweise einen großen Raum zur Verfügung. Insgesamt zehn Teilnehmer bauen seit November, wobei der VTH und Natterer Modellbau uns mit sehr vorteilhaften Preisen bei der Realisierung geholfen haben. Walter, unser Großseglerenthusiast, hat beim Anleiten der Jugendlichen auch noch angebissen, sodass es jetzt elf Haie werden. Roland baut die Vorrichtungen und Schablonen, Ralf hat die Gewichte in der Firma gemacht und bedient die Bandsäge. Okay, alle Helfer vermissen gerade ihr gesamtes Werkzeug zu Hause, aber der Spaß ist es wert!

Unser Hobby verbindet die Faszination des Fliegens mit einer Menge interessanter Technik. Elektronik, Flugsimulation am Computer und Bauen mit Holz und Folie und natürlich das Fliegen sind trotz aller Unkenrufe für Jugendliche faszinierend. Man muss sie nur da abholen, wo sie sind, ihnen freundlich und auf Augenhöhe begegnen und die Begeisterung wecken. Das beste Mittel ist das Erfolgserlebnis – Tom kam zum ersten Mal an einem Sonntag im September auf den Platz. Beim ersten Lehrer-Schüler-Flug konnte er den Easyglider oben halten. Beim zweiten Flug konnte er dahin fliegen, wo der Lehrer hinwollte. Beim dritten Flug der erste Looping und die erste eigene Landung, beim vierten Flug die erste Rolle und Rückenflug. Tom ist elf Jahre alt, begeistert und inzwischen Mitglied.
Natürlich bringt eine große Jugendgruppe nicht nur Freude und eitel Sonnenschein. Der Luftraum, sowohl in der Halle als auch auf dem Flugplatz, ist begrenzt. Und wenn dann auf einmal wesentlich mehr Leute fliegen wollen, weckt das beim einen oder anderen auch Unmut. Hier ist viel Kommunikation gefragt, denn die Jungs machen auch mal Platz und belagern den Luftraum nicht länger, wenn man sie denn freundlich anspricht. Andererseits müssen die jungen Piloten auch verstehen, dass sie Platz oder Halle nicht kontinuierlich belegen dürfen. Darüber muss man offen und wiederum auf Augenhöhe reden.
Lohnt sich
Auch die Finanzierung der Jugendarbeit hat zu mancher gehobenen Augenbraue im Verein geführt. Der Einstieg in unser Hobby ist nicht ganz billig und jugendliche Interessenten müssen zunächst einmal herausfinden, ob ihnen die Modellfliegerei überhaupt Spaß macht. Dazu braucht es Vereinssender, Leh-rer-Schüler-Anlagen und Vereinsflugzeuge. Auch die Veranstaltungen wie das Zelten oder Grillen kosten Geld, und zwar insgesamt deutlich mehr als der reduzierte Beitrag der Jugendlichen von 23 Euro im Jahr. Jugendarbeit bedeutet also einen Zuschuss aus der Vereinskasse. Wir sind in der glücklichen Lage, dass durch unsere Veranstaltungen wie eine Modellbauausstellung und unser E-Meeting auch relativ viel Spenden für die Jugend eingehen, aber die erforderlichen Ausgaben deckt das trotzdem nicht ab.
Viele unserer Mitglieder sind einfach mal in den Keller gegangen und haben so manches Flugzeug gefunden, das schon lange nicht mehr geflogen ist und nur auf einen neuen Piloten gewartet hat. Da wurden Twinstar, Partenavia, Arcus und Sbach hervorgeholt, die heute von Max und Lars und Micha geflogen werden. Es sei eine tolle Sache, die Freude der Kids zu sehen, wurde mir erzählt.

Ja, es kostet Zeit, Geld und braucht Engagement. Und es braucht mehr als einen, der sich auf die Jugendlichen einlässt und Zeit und Geduld investiert. Wir haben jetzt 20 Jugendliche im Verein und so viel ist klar: Sokrates hatte echt keine Ahnung!