
Albatros von aerobel

ANDERS ALS FRÜHER
„Früher war alles besser“, hört man öfters, wenn man mit manchen Modellbaufreunden spricht. Die Technik war noch überschaubar, die Modelle aus Holz, der Bau der selbigen stand im Vordergrund – und auf Leistung kam es nicht so an. Hauptsache, das Flugmodell sah gut aus und machte in der Luft eine gute Figur. Kraftstrotzende Antriebe mit bürstenlosen Motoren waren weit weg, die Suche nach Thermik und Auftrieb beherrschte den Flugnachmittag.
War wirklich alles besser?
Ich kann mich aber auch noch an meine ersten Bausätze erinnern, bei denen man in stundenlanger Arbeit Spanten mit der Laubsäge aussägen durfte und die Bespannung der Tragflächen mit Spannlack in Form gebracht werden musste. Die ersten Elektroantriebe waren schwächlich und die benötigten Nickel-Cadmium-Zellen bleischwer. 30 Watt Leistung pro Kilo Fluggewicht galt als eine akzeptierte Aufstiegshilfe. Die Schweizer Modellbauschmiede aerobel hat sich zur Aufgabe gemacht, Modelle zu erstellen, die diese Gegensätze aufheben. Nostalgisch im Look und modern im Aufbau. So entstanden eine ganze Reihe moderner Klassiker, die allesamt aus Holz gefertigt werden, aber einfach im Aufbau und Betrieb sind. Relativ neu im Programm ist der Albatros. Ein Segler, der die legendären Flugeigenschaften seines tierischen Pendants in der DNA trägt. Konzipiert für die Thermiksuche und den ruhigen, entspannten Samstagnachmittag am Platz.
Auch für Einsteiger
Wie bei aerobel üblich, kommt der Albatros als reiner Holzbausatz in einem einfachen Karton daher. Sämtliche benötigten Teile liegen passgenau gelasert bei. Eine großformatige Anleitung mit rund 120 Fotos und Abbildungen führt auch Anfänger zielsicher durch den Bau des Seglers. Der Hersteller bietet zudem einen Antriebssatz an, der aus dem Segler im Handumdrehen einen eigenstartfähigen Elektrosegler macht. Dabei wird eine Motorgondel mittels Spant zwischen die Tragflächenhälften geklemmt. Da mir keine Hochstartvorrichtung zur Verfügung stand, orderte ich diesen Antriebssatz gleich mit. aerobel liefert auch hier alle benötigten Zutaten für die Elektrifizierung des Seevogels. Bewährte Komponenten der Marke D-Power verrichten in diesem Set ihren Dienst. Der Clou bei aerobel sind zum einen die präzisen, lasergeschnittenen Bauteile, die kaum der Nacharbeit bedürfen, und zum anderen die spezielle, „Magic Woodwing“ genannte Tragflächenbausweise. Dabei wird die eher aufwendige Fertigung mittels Rippen, Spanten und Bespannung durch eine einfachere Brettchenkonstruktion ersetzt. Ziel ist es, den Albatros auch ohne Spezialwerkzeug oder Fachkenntnisse in kurzer Zeit am heimischen Wohnzimmertisch bauen zu können. Um es vorweg zu nehmen – dieses Ziel läst sich problemlos erreichen. Innerhalb weniger Bastelabende entstand bei mir ein hübscher, nostalgischer Flieger, der weder beim Bau noch beim Transport viel Platz benötigt.

Doch Schritt für Schritt…
Zuerst müssen einige Vorarbeiten erledigt werden. Dazu zählt das Verkleben und Aufdoppeln diverser Bauteile. Dabei sollte beachtet werden, dass der empfohlene Weißleim Wasser enthält, welches insbesondere das weiche Balsaholz aufquellen kann. Damit die Bauteile formhaltig bleiben, muss an der ein oder anderen Stelle mit Gewichten Druck bis zur Aushärtung erzeugt werden. Ich empfehle zudem, die Stellen, an denen Wäscheklammern zum Einsatz kommen, mit Reststücken Balsaholz zu unterlegen, um unschönen Druckstellen im weichen Material vorzubeugen.



Als eines der ersten Bauteile wird die abnehmbare Cockpithaube erstellt. Diese erfordert etwas Fingerspitzengefühl, da sie aus teils mehreren Lagen aufgebaut und gefällig abgerundet werden muss. Zudem sollte sie sich später saugend in den Rumpf einsetzen lassen, wo sie mittels eines Holzsplintes gesichert wird.

Der Rumpf selbst entsteht segmentweise aus verschachtelten Spanten und einer Beplankung mit Balsaholz. Da auf Eckverstärkungen verzichtet wird, sollte man beim abschließenden Verschleifen des Rumpfs darauf achten, dass man nicht die Klebestellen durchschleift.



Leitwerk und Flügel
Das Leitwerk besteht aus recht dünnen Balsaflächen, die vorab miteinander verklebt werden müssen. Ich verstärkte noch das Höhenleitwerk an der Hinterkante zum Ruderblatt mit einem CFK-Flachstab. Diese bei Shockflyern übliche Methode der Stabilitätserhöhung glatter Profile mag hier vielleicht überflüssig sein – erschien mir aber sinnvoll und machte weder entscheidend mehr Arbeit, noch trug sie maßgeblich zur Gewichtserhöhung am Heck bei. Die Ruderflächen werden mittels beiliegendem Gewebeband unter Einsatz eines Bügeleisens anscharniert. Wenn alles sauber ausgerichtet ist, kann das Leitwerk mit dem Rumpf vermählt werden.


Die Tragflächen mit ihrer den Albatros charakterisierenden Form entstehen aus diversen Balsabrettchen und passgenauen Rippen, die ein ausgeprägtes Auftriebsprofil erzeugen. Durch das gerade Bodenbrettchen ergibt sich eine stabile Tragfläche, die die Flächenverbin-der-Aufnahme aus Sperrholz sicher integriert. Der Verbinder selbst besteht aus mehrfach verleimtem 4-mm-Birkensperrholz, welches spielfrei in die Aufnahmen greift.


Motor und RC
Zum Schluss werden – sofern gewünscht – noch der Motorträger und die dazugehörige Gondel aus festem Sperrholz erbaut. Dem Antriebsset liegen Komponenten bei, die dezent in der Gondel verschwinden. Allerdings erschien mir persönlich der Motorpylon etwas gewagt, da der Antrieb weit über dem Modell thront und der dünne Sperrholzträger nur über die Klemmung der Tragflächen in seiner Position fixiert wird. Um ein Verrutschen garantiert zu verhindern, habe ich neben dem vorgesehenen Gummiband zwei weitere aufgelegt, die einen entsprechenden sichernden Zug aufbringen. Derart fixiert, verschwindet auch das Spiel, welches die Fläche gegenüber dem Rumpf aufweist. Zwar wird die Tragfläche vorne präzise eingehakt, hinten aber eben nur durch das Gummiband in seiner Ausrichtung gehalten. Wer den Albatros als reinen Segler betreiben möchte, setzt hier anstatt des Motorträgers einfach die mitgelieferte Blindrippe ein. So lassen sich – je nach Platz und Vorliebe – selbst vor Ort noch beide Varianten realisieren. Prima. Der Rest der RC-Installation ist ein Kinderspiel. Platz ist genug vorhanden, die Kabel verschwinden dezent unter einer Verblendung und tauchen hinter der Fläche im Rumpf ab. Der für die Elektroversion vorgesehene dreizellige LiPo-Akku findet ein Plätzchen in der Nase des Rumpfs und bekommt Gesellschaft von rund 35 Gramm Blei, die nötig sind, um den vorgegebenen Schwerpunkt zu erreichen. Passend geschnittener Schaumstoff fixiert den Stromspender an seinem Platz.




Abgeschlossen werden die Arbeiten durch die optische Ausgestaltung des Seevogels. Da mir das Typenbild von aerobel sehr gut gefiel und den maritimen Charakter des Albatros unterstreicht, bekam mein Flieger nach der Grundbehandlung mit Porenfüller ebenfalls einen blau-weißen Anstrich. aerobel spendiert dazu passende Aufkleber, die den nostalgischen Charme des Seglers unterstreichen. Das Ergebnis ist eine wahre Augenweide, die da in wenigen Tagen entstanden ist. Ja – so in etwa waren die Modelle früher! Nur halt viel aufwendiger…
Raus in die Luft
Um dem Albatros genügend Auslauf zu geben, verlegte ich die Testflüge kurzerhand vom engen Ruhrpott in die schöne Eifel. aerobel verweist mehrfach darauf, dass der Albatros ein „Langsamflieger“ ist, der keinerlei Wind möchte und behutsam geflogen werden will. Bei einem befreundeten Landwirt gab es Platz satt – und die Aussicht auf einen schönen Samstagnachmittag mit Modellfliegen in der warmen Sonne. Um die Hände beim Erstflug schnell an den Knüppeln zu haben, durfte meine Frau den Part des Starthelfers übernehmen. Mit Vollgas und einem kräftigen Schubser ging es für den Albatros erstmalig in sein Element. Dabei sackte der Vogel zunächst kräftig durch, was auf den Hebel durch den weit oberhalb der Tragflächen angebrachten Motor zurückzuführen ist. Somit musste gleich ordentlich Höhe gezogen werden, um dieses Momentum auszugleichen. Einmal in der Luft, geht es in gemäßigtem Steigwinkel nach oben. Fast wie in der „guten alten Zeit“ hält sich der Leistungseinsatz in überschaubaren Grenzen und entspricht der behäbigen Gesamtcharakteristik des Modells. Dabei war ich fast etwas erschrocken über die Verzögerung, mit der Ruderbefehle umgesetzt werden. Dafür verantwortlich ist wohl das recht kleine Leitwerk, welches bei einem Zwei-Meter-Segler und den resultierenden Hebelverhältnissen ordentlich Mühe hat, den Albatros in die Kurve zu bekommen. Es war jedenfalls die richtige Entscheidung, den Albatros in den Weiten der Eifel zu starten und nicht auf dem Fußballplatz um die Ecke. Auch eine Erhöhung der Ruderwege brachte keine nennenswerte Verbesserung der Agilität, so dass vorrausschauendes Fliegen ein Muss ist. Immerhin zeigt der Albatros keinerlei Abreißtendenzen und kann mit niedrigster Marschgeschwindigkeit geflogen werden. Da kein Klapppropeller montiert ist und sich dieser somit ohnehin nicht aerodynamisch anlegt, kann auch dauerhaft mit leichtem Schleppgas gecruist werden. Große Lastwechsel quittiert der Albatros wie beim Start mit Nicken um die Querachse. Helfen kann ein Mischer, der das Höhenruder auf Gas mitmischt. Majestätisch gleitet der schöne Segler durch die Luft und kann zur Landung sanft ins Gras gesetzt werden.

Mein Fazit
Der Albatros ist ein wunderschönes, nostalgisches Flugmodell, das viel Freude beim Bau bietet und dort auch dem Anfänger keinerlei Schwierigkeiten bereitet. Der insbesondere beim Start etwas heikle Motoreinsatz sowie die trägen Ruderreaktionen sind sicher nicht jedermanns Sache. Der Albatros erfordert einen vorrausschauenden Flugstil und mit Motor durchaus etwas Erfahrung. Für einen schönen Rundflug sind eher großzügige Platzverhältnisse erforderlich. Etwas, was mir mein heimischer Platz im Ballungsraum Ruhrgebiet so nicht bietet. Wer aber über genug Platz und innere Ruhe verfügt, wird mit dem Albatros viele schöne Stunden in der Natur verbringen dürfen.
