

Flite Test Spitfire von robbe
DIE ANDERE
Eigentlich bin ich ja ein überzeugter (E-)Segelflieger und bekennender Holzwurm. Eigentlich, denn mit dieser Spitfire wurde alles anders. Denn eines Tages präsentierte mir Glen, auch ein begeisterter Pilot, ein Youtube-Video von Flite Test. Unglaublich, was ich da sah: Hatten die Jungs von Flite Test doch „Pappflieger“ im Programm, die tolle Flugeigenschaften zeigten. Sie waren sogar als Bausatz verfügbar und mehr als preiswert. Seit einiger Zeit im Angebot sind auch Modelle der sogenannten Master Series, Warbirds wie Corsair, Thunderbolt, Lightning, Mustang und eben die Spitfire.
HOLGER HAAS

Aus Pappe?
Diese Modelle haben so um die 1,20 m Spannweite, fliegen mit 4s-LiPos und sind tatsächlich aus Pappe gebaut. Nun, wenn man es genau nimmt, ist es nicht einfach nur Pappe, sondern ein 4 mm starkes, beidseitig mit Papier kaschiertes Foam Board. Um die bei ihren ersten Modellen recht eckige Form zu verlassen, gehen die Jungs neuerdings andere Wege: Sie zerlegen stromlinienförmige Körper in einzelne Segmente, die dann (ganz wie früher bei den Papiermodellen) über die Tischkante gezogen und dabei geformt werden. Diese Methode funktioniert so gut, dass daraus recht elegante Formen entstehen.
Die Spitfire
Ich muss zugeben, dass mir unter den Motormodellen seit Langem die Spitfire ganz besonders gut gefällt. Alleine schon die elliptisch geschwungenen Trageflächen sind etwas ganz Besonderes. Und als ich auf der Homepage von Flite Test die Beschreibung der Spitfire fand, merkte ich, dass sie genau meinen Vorstellungen für ein neues Modell entsprach: Sie ist als Bausatz extrem preiswert, hat eine handliche Spannweite, ist ziemlich leicht (900 bis 1.100 g) und hat kein Fahrwerk. Besonders wichtig für mich war nämlich die problemlose Landemöglichkeit auf jeder Wiese. Und ich rechnete mit einer relativ langsamen Fluggeschwindigkeit, denn ich liebe es, wenn sich Modelle auch in der Geschwindigkeit im richtigen Verhältnis zum Vorbild bewegen.

Leider war die Spitfire zum damaligen Zeitpunkt nur direkt bei Flite Test in den USA verfügbar – und so fasste ich mir ein Herz und bestellte dort. Zusätzlich orderte ich noch das Power Pack C von Flite Test, in dem alles Weitere enthalten war, also Propeller, Motor, Regler, vier Servos, Ruderhörner und all die anderen erforderlichen Kleinteile. Sozusagen das Rundum-Sorglos-Paket. Dann begann erstmal das große Warten. Es war zu Beginn der Corona-Krise und ich hoffte, dass (wenn schon Quarantäne) sich die Zeit mit dem Bau der Spit überbrücken ließe. Nach rund vier Wochen war es dann soweit, ich konnte meine Sendung beim Zoll in Mainz in Empfang nehmen, musste allerdings nochmal 37 Euro an Zollgebühr entrichten.
Youtube-Bau-Video
Endlich hielt ich in Händen, was das Herz solange begehrte: Neun Platten (75×23 cm) des geheimnisvollen Foambords. Alle Bauteile sind mit einem Laser absolut präzise geschnitten und leicht aus der Platte zu lösen. Dazu gab es, in einer hübschen Plastikbox verpackt, das genau passende Power Pack C. Eine konventionelle Bauanleitung war nicht enthalten. Es gibt aber ein ausführliches Video auf Youtube mit einer Länge von sagenhaften zwei Stunden und 48 Minuten, in dem der Bau der Spitfire in allen Einzelheiten erklärt und gezeigt wird. Natürlich alles auf Englisch, aber recht gut zu verstehen und falls nicht, lassen sich jederzeit englische Untertitel einblenden, mit deren Hilfe man unbekannte Begriffe nachschlagen kann.




Heißklebepistole
So begann ich also mit dem Bau dieser etwas anderen Spitfire. Etwas anders ist bei diesen Modellen aber nicht nur das Material, sondern auch der – ausschließliche – Einsatz einer Heißklebepistole. Hat man erst mal den Bogen raus, möchte man diese Art der Verklebung nicht mehr missen. Der Klebstoff füllt kleine Lücken aus, klebt sehr gut und ist innerhalb von ein bis zwei Minuten ausgehärtet, sodass weitergearbeitet werden kann.
Voraussetzung ist allerdings eine leistungsstarke Klebepistole (meine hat im Baumarkt rund 60 Euro gekostet), die richtigen Klebesticks (langsam aushärtend, also 60 bis 90 Sekunden, man braucht für lange Leimraupen nämlich entsprechend Zeit). Und man sollte auch etwas leidensfähig sein; man muss nämlich den sachgerechten Umgang mit dieser Heißklebepistole erst lernen. „Learning by burning“, wie meine Tochter despektierlich feststellte. Nun, ohne Brandblasen ging es anfangs nicht, allerdings lernt man schnell – und so hatte ich nach den ersten Versuchen immer eine kleine Schüssel mit kaltem Wasser auf der Werkbank stehen, um bei Bedarf den Kleber auf den Fingern schneller abkühlen zu können.

Gut getarnt
Der Bau ging wirklich flott voran und schon bald war die Spit fertig. Da ich generell Scale-Modelle liebe, schaute ich mich im Netz natürlich nach einem echten Vorbild um. Dabei erinnerte ich mich an ein Plastikmodell aus meiner Kindheit: Es war die Spitfire von Airfix, in dem damalig sensationellen Maßstab 1:24, mit beweglichem Einziehfahrwerk mit echten Gummireifen, detailliertem Motor, verglasten Instrumenten und einer funktionierenden Schiebehaube. Im Internet fand ich sogar das Bild des damaligen Kartons – und so musste ich mir nur noch die entsprechenden Humbrol-Döschen mit den Tarnfarben kaufen. Dazu ließ ich mir im Copy-Shop um die Ecke die passenden Aufkleber drucken. Und fertig war das gute Teil.

Erfahrungswerte
Hübsch sah sie aus, die Spit, doch mit dem Fliegen hatte ich anfangs so meine Schwierigkeiten. Denn sie will permanent geflogen werden, man muss sie mit dem Querruder aus der Schräglage zurückholen. Und wenn man (in alter Segelfliegermanier) sie mal eine Minute unbeaufsichtigt geradeaus fliegen lässt, ist sie (zu) schnell (zu) weit entfernt. Gestandene Motorflieger mögen schmunzeln, aber mir hat die Spitfire ganz schön zu schaffen gemacht. Und es lag nicht am Modell, sondern an mir. Selbst den gefühlvollen Umgang mit dem Gasknüppel musste ich wieder lernen, hatte ich doch bei meinen Segelfliegern mit E-Motor meistens das Gas auf einen Drei-Stufen-Schalter gelegt (Motor aus, Halbgas, um einen Landeanflug zu verlängern und Vollgas, um auf Höhe zu kommen).

Und so kam es wie es kommen musste: Die Spit war weit entfernt, lag in einer Steilkurve und ich konnte die Fluglage (auch dank der perfekten Tarnfarbe) nicht mehr richtig erkennen. Die Folge: Einschlag in der Wiese und Totalschaden. Allerdings hat die Pappe eine bemerkenswerte Eigenschaft: Sie nimmt die kinetische Energie absolut gut auf. Soll heißen, außer der zerstörten Zelle waren Motor, Regler, Akku, Empfänger und die Servos voll funktionsfähig. Nun ist mein letzter Absturz (sagen wir besser Landeunfall) mit einem Segler schon lange her. Ich war etwas deprimiert, dass mein Traummodell so schnell die Grätsche gemacht hat und ich auch noch eindeutig daran schuld war. Nach der obligatorischen Trauerphase kam relativ rasch der Entschluss, sich von dieser Pappe nicht unterkriegen zu lassen.

Nochmal von vorn
Statt – wie von Freunden empfohlen – mir erst eine Art Trainermodell zu kaufen, wollte ich aber wieder Spitfire fliegen. Und wie heißt es in einem alten Handbuch des ehrwürdigen Karl-Heiz Denzin von 1975: „Bauen Sie doch einfach ihr letztes Modell nochmal.“ Gesagt, getan. Inzwischen sind die Flite-Test-Modelle über robbe ja auch im hiesigen Fachhandel verfügbar – und wenn ich die Preise betrachte, ist das günstiger, als in US-Dollar und zusätzlich Zoll zu bezahlen. Das Bauen ging jetzt auch deutlich schneller und sogar ohne Brandblasen vonstatten. So lag also bald wieder eine Spitfire vor mir und wollte bemalt werden.
Von meinen Freunden kam diesmal der Vorschlag, doch eine zivile Version der Spitfire als Vorbild zu nehmen. Zivil, gibt es sowas überhaupt? Wieder musste das Internet ran und es wurde recherchiert. Es fand zwar Spitfires im farbenfrohen Rennlook, zum Beispiel für das Reno Air Race, aber das waren spätere Versionen mit Vollsichtkanzel. Ich wollte aber wieder die Spitfire Mk. IX als Muster. Tatsächlich, die beharrliche Suche hatte Erfolg: Ich fand die G-ASJV, eine Spitfire, die in den 1960er Jahren von einer Privatperson ohne Tarnfarbe geflogen wurde. Und zwar mit silbernem Rumpf und Flächen, blauem Seitenstreifen und weißer Rumpf-Oberseite.
Also wurde wieder Farbe besorgt (diesmal wasserlösliche Farbe von Revell) und die entsprechende Kennung beim Copy-Shop in Auftrag gegeben. Und so kam es zu meiner zweiten, etwas anderen Spitfire, mit der ich meine Flugkünste weiter verbessern kann. Sie ist leichter als die erste Spit geworden, hat eine Verstärkung mit GFK-Band auf der Motorunterseite (an dieser Stelle setzt sie immer zuerst bei der Landung auf) und die Tragflächenvorderkante ist diesmal mit einem biegsamen Kunststoffrohr verstärkt. Noch lebt sie – und es macht weiterhin viel Spaß, sie vorbildgerecht zu bewegen, sie etwa durch einen Aufschwung oder großen Looping zu führen.
Der Autor

Geboren 1953 und seit über 40 Jahren begeisterter Modellbauer und -flieger mit Vorliebe für Segler der 1930er Jahre. Am liebsten ganz aus Holz und durchaus auch mit einem Elektromotor in der Nase. Neben dem Fliegen bereitet Holger Haas auch die Recherche zur Geschichte des jeweiligen Vorbilds besondere Freude. Und neuerdings fliegt er sogar begeistert mit Foamies.
Spitfire (Master Series)
Hersteller/ Vertrieb: Flite Test/robbe
Bezug und Info: Fachhandel, Infos unter www.robbe. com, Tel.: +49 (0)89 215466470
UVP Modell: 65,99 €
UVP Power Pack C: 99,99 € (Motor, Regler, vier Servos, Propeller, Mitnehmer)
Spannweite: 1.220 mm
Länge: 978 mm
Gewicht: ab 900 g (hier 1.100 g)
Servos: 4 × 9-g-Servos
Motor: 2218B 1.080 kV Brushless
Regler: 35 A mit BEC
Akku: 4s-2.200- bis 3.000-mAh-LiPos
Propeller: 10×4,7“ (hier 9×4,5“ aero-naut CAM-Carbon Light)