

ERFOLGREICH KLEBEN Die Oberfläche entscheidet
Geschichte & Grundlagen des Klebens, Teil 3
Nachdem wir uns in den letzten Kapiteln (FMT 05 und 06/2021) mit der Geschichte des Klebens und den Klebstoffen im Detail beschäftigt haben, wollen wir jetzt die Oberflächen der zu klebenden Substanzen näher betrachten, denn hier entscheidet sich der Erfolg einer Verklebung – oder deren Misserfolg.
MICHAEL BRÜGGEMANN

Jede Verklebung ist eine Verbindung zwischen dem Kleber und einer oder mehrerer Oberflächen. Während der Kleber eine homogene Masse ist, die entweder physikalisch durch Verlust eines Lösemittels oder chemisch durch eine Reaktion härtet, ist der verbleibende Partner – die Oberfläche des Substrates – meist recht inhomogen. So kommt es zwischen der Oberfläche des zu klebenden Teils und dem Kleber zu Wechselwirkungen, die unterschiedlicher Natur sein können:
1. Der Kleber dringt teilweise in die Oberfläche ein und verklammert sich physikalisch (Weißleim-Holzverbindung).
2. Der Kleber dringt in das Substrat ein und löst es teilweise an, z.B. Polystyrolklebungen.
3. Der Kleber dringt teilweise ein und reagiert mit der Oberfläche (z.B. Stabilit Express/ABS-Klebungen).
4. Der Kleber verbindet sich mit einer chemischen Reaktion mit dem Substrat (Polyurethankleber mit Isocyanaten, welche den Kleber vernetzen und das Substrat chemisch anbinden).

In dieser Reihenfolge steigt dann auch die Klebkraft, denn die höchste Klebkraft hat immer die Verbindung der Moleküle durch eine chemische Reaktion.

Damit eine Verklebung funktioniert, muss der Kleber mit der Oberfläche harmonieren und hier müssen wir die sogenannte Oberflächenenergie ansprechen, die jede Oberfläche hat. Als Beispiel: Holz ist immer ein guter Klebepartner, weil hier eine offenstrukturige Oberfläche mit genügend Oberflächenenergie vorhanden ist. Teflon ist ein sehr schwieriger Klebepartner, weil eine geschlossene Oberfläche mit ganz geringer Oberflächenenergie vorhanden ist. Warum? Polytetrafluorethen (PTFE) ist durch die extrem starke innere Bindung der Atome (Kohlenstoff und Fluor) nach außen hin nicht in der Lage, eine nennenswerte Oberflächenenergie bereitzustellen.
Der Reihe nach
Gut, genug der Theorie, jetzt geht’s ans Eingemachte!
Zu Punkt 1: Bei der Verklebung durch physikalische Verklammerung, UHU hart, Weißleim und ähnliche, ist es wichtig, dass das Lösemittel des Klebstoffs in das Substrat eindringt. Weißleim klebt nun mal keine glatten Kunststoffoberflächen und das Lösemittel Wasser muss irgendwie aus der Verklebung heraus – das dauert. Aber die Klebstoffhersteller greifen zu einem Trick: Eine Kombination von Wasser und Alkohol ist schneller flüchtig als Wasser allein, so entsteht aus Ponal der Kleber Ponal express. Die Abbindezeit wird deutlich verringert, da der Alkohol mit dem Wasser schneller verdampft. Was würde unsere Verklebung beeinträchtigen? Eine Versiegelung der Oberfläche, also z.B. eine Lackierung. Auch ein Fettfilm wäre schädlich. Was lernen wir daraus? Aufrauen durch Schmirgel ist wichtig. Dazu später mehr.
Die Verbindung von Holz ist relativ einfach. Die Verklebung braucht im Allgemeinen Anpressdruck, wie wir im vorigen Kapitel schon gesehen haben. Bei Lösemittelklebern auf Celulosenitratbasis (z.B. UHU-Hart) reicht auch einfaches Auftragen. Apropos Auftragen – einseitig oder beidseitig? Das ist manchmal eine entscheidende Frage – aber manchmal auch egal. Bei Nassklebern ist der Auftrag auf eine Seite und Zusammenfügen meistens ausreichend. Es wird allerdings auch empfohlen, beide Seiten leicht einzustreichen und dann nach etwas Ablüftzeit zusammenzubringen. Ich habe keine Unterschiede in der Festigkeit der Klebung gefunden. Aber wir sehen, schon wieder so ein Stolperstein für Fehlanwendung – einseitig oder beidseitig? Bei Kontaktklebern (UHU por, Pattex) geht nur beidseitig. Dies ist ein Ausnahmefall.
Wirklich, Stolpersteine gibt es genug und wer wie ich in der Klebstoffentwicklung tätig war, weiß ein Lied davon zu singen. Zum Beispiel: Klebstoffauftragsdicken. Wie dick soll der Klebstoff aufgebracht werden? Da haben wir wieder einen Parameter, der uns die Suppe ganz schön versalzen kann. Soll ich viel Klebstoff auftragen? Oder nur wenig? Für jede Verklebung gibt es eine optimale Schichtdicke der Klebstoffschicht. Doch wie kommt man da ran? Erstens weiß der versierte Hobbykleber ungefähr, wie es geht und zweitens hilft hier, wie immer, der Versuch: Verschiedene Auftragsdicken auf den Werkstoff, trocknen lassen und dann auseinanderziehen. Schon mit zwei Zangen kann man dies machen und die aufgewendete Kraft hat man schnell im Gefühl. Bricht die Verklebung im zu klebenden Material, haben wir optimale Bedingungen.
Puh, wie gehen wir bei so vielen Einflussgrößen da ran, ohne Fehler zu machen? Beruhigend ist, dass es meistens funktioniert. Das kommt daher, dass die für den Hobbybereich eingesetzten Klebstoffe ziemlich unkritisch sind, also Fehler, wenn sie nicht zu grob sind, glattbügeln. Bei Industrieklebern sieht das schon anders aus, deshalb brauchen wir uns mit den kniffligen Dingen schon mal nicht beschäftigen.

Zu Punkt 2: Was machen die Nasskleber, welche z.B. Kunststoffe kleben? Sie lösen den Kunststoff an und nachdem das Lösemittel verdunstet ist, entsteht in der Klebstofffuge eine Mischung aus gelöstem Kunststoff und Klebstoff. Das sorgt für Haftung, die mindestens so hoch ist wie die Bruchkraft der getrockneten Klebefuge. Viele Haushaltskunststoffe lassen sich so kleben. Wichtig ist, dass der Kunststoff durch das Lösemittel des Klebers lösbar ist. Dann funktioniert’s.
Zu Punkt 3: Reaktionskleber, welche das zu klebende Material anlösen, haben natürlich immer einen Vorteil vor reinen Reaktionsklebern, die dies nicht tun. Hier verbinden sich die Eigenschaften der Nasskleber mit den Eigenschaften der Reaktionskleber. Der Kleber dringt in das Substrat ein und reagiert zusätzlich zum vernetzten Produkt. Deshalb ist es von Vorteil, bei ABS (Acrylnitril-Butadien Styrol Copolymer) einen Methacrylatkleber zu nehmen.
Zu Punkt 4: Hier haben wir den besten Fall der Klebung mit zu erwartenden, sehr hohen Klebkräften. Dieser Bereich wird von Industrieklebern abgedeckt, da die Reaktionspartner oft von Hobbyanwendern wegen ihrer Reaktivität und chemischen Gefährlichkeit nicht angewendet werden dürfen (Klebstoffe für berufsmäßige Verwender).
Polarität
Entscheidend ist immer die Oberflächenaktivität (Polarität) des Substrates. Wie aber kriegt man raus, wie die Polarität ist? Ziemlich einfach: Ein Tropfen Wasser auf den sauberen Kunststoff. Perlt dieser ab wie bei Silikon, besteht kaum eine Chance der Verklebung mit einfachen Mitteln, Polyethylen und Polypropylen sind so ein Thema. Und da sind wir wieder bei der Oberfläche. Könnten wir diese verändern, würde auch die Klebung funktionieren. Tatsächlich werden in der Industrie sehr aufwändige Verfahren für diesen Zweck benutzt. Da wird gewaschen und gebeizt, d.h. mit Schwefelsäure behandelt oder per Plasma die Oberfläche mit reaktionsfähigen Strukturen versehen. Das könnten wir auch, Polyethylen (PE) mit der blauen Flamme einer Lötlampe kurz befächeln und die Oberfläche ist so verändert, dass eine Verklebung möglich ist. Das heißt: Das Material wird oberflächlich oxidiert und stellt nun reaktive und polare Strukturen zur Verfügung, um die Verklebung gelingen zu lassen, d.h. die Polarität, die eine Moleküleigenschaft ist, wird verändert.
Nun noch zur Polarität von Oberflächen und Klebern – und da sind wir auch bei einem weiteren Thema: Der Benetzung. Wird eine Oberfläche von Klebstoff benetzt, d.h. gibt es einen innigen Kontakt, kann man davon ausgehen, dass die Klebung gut wird. Hier herrscht eine starke Oberflächenpolarität. Es gibt aber Werkstoffe, welche eine geringe Oberflächenaktivität haben, diese sind nahezu nicht zu kleben. Nur über Tricks wie Aufbringen eines Primers, der die Oberfläche verändert, können wir ein brauchbares Klebeergebnis bekommen. Teflon (PTFE) ist so ein Fall, dieser Kunststoff hat extrem geringe Oberflächenenergien. Deshalb kann hier auch ein ganz geringer Reibungskoeffizient erzielt werden, d.h. stellt man einen Körper auf eine Teflonoberfläche, würde er schon bei einem ganz geringen Neigungswinkel herabrutschen. Um Teflon in die Pfanne zu bringen - als Oberflächenbeschichtung – werden sehr reaktive Chemikalien eingesetzt. Diese verändern die Oberfläche des Teflons durch Reduktionsreaktionen. Danach ist ein ganz passables Kleben möglich, Technicoll bietet so etwas an.
Aufrauen
Klebstoffe müssen sich auch mechanisch verankern. Deshalb rauen wir die Oberfläche durch Schleifen auf. Welcher Einfluss ist durch Aufrauen zu erzielen? Einmal eine Vergrößerung der Oberfläche und zum anderen auch die Beseitigung von inerten Schichten, beispielsweise die Oxidationshaut von Aluminium. Beseitigt man diese, kann sich der Kleber mit frischem Aluminiummaterial sehr gut verbinden, während er auf der Oxidschicht nur mäßige Verklebungen zeigt. Nach dem Aufrauen nicht zu lange lagern, nach kurzer Zeit (ca.15 min) ist die Oxidationshaut wieder vorhanden. Allerdings ist Aufrauen nicht immer der Weisheit letzter Schluss. Grundsätzlich ist es jedoch nicht falsch und schadet selten, wenn man danach nochmals mit Lösemittel (Aceton, Nitroverdünnung, Waschbenzin) entfettet. Apropos Fett: Dies ist der Feind jeder Verbindung! Ist ja auch einleuchtend: Fettige Oberflächen verhindern durch ihre geringe Oberflächenaktivität den Kontakt des Klebers mit der Oberfläche des Substrates. Deshalb ist das Aufbringen des Klebers mit dem Finger schon problematisch, besser ist ein Pinsel oder Spatel. Also ist der Vorbereitungsgang immer der Folgende: Entfetten, Aufrauen, Reinigen, Klebstoff aufbringen, Zusammenfügen. Metalle haben häufig Fett von der Herstellung an sich. Kunststoffe werden oft in Formen tiefgezogen und diese sind mit Trennmittel behandelt.

Tipp: Übersichtstabelle zum Download
Um eine Hilfestellung für Kleber und Oberflächen zu geben, habe ich eine ausführliche Excel-Tabelle erstellt. Diese kann über nebenstehenden QR-Code kostenlos heruntergeladen werden.