

WELTENSEGLER
Lentus von Multiplex
Lentus – das ist doch bestimmt ein Schreibfehler, oder? Müsste der nicht Ventus heißen? Stimmt da was nicht? Naja, am Namen des Seglers vielleicht, aber der Rest? Hammer, kann ich da nur sagen, Hammer. Aber am besten fange ich von vorne an...

Nicht, dass das mein erstes Aha-Erlebnis mit Multiplex wäre. Eine ganze Reihe dieser Schaum-Edelteile habe ich selbst ausgiebig erprobt (etwa FunGlider und Heron), geflogen bin ich mit fast allen anderen zumindest schon mal. Erst vor Kurzem habe ich mir noch den FunRay zugelegt, weil der sehr gut in meine persönlichen Flugvorstellungen reinpasst. Nun aber hat Multiplex nochmal einen draufgelegt und einen beachtlich großen Elapor-Segler aufgelegt – mit satten 3 m Spannweite.

Vorbildähnlicher Look
Durchaus ähnelt der Lentus einem originalen Ventus. Ich kann mir gut vorstellen, wie die Namensfindung beim Lentus vonstattenging. Also spekulieren wir mal: Das Fun hat Multiplex ja schon öfter vergeben. Aber ein Modell, das einem modernen, einsitzigen Leistungssegelflugzeug nachempfunden ist, wie nennt man das? Beim FunRay war es noch einfach: Eine Kombination aus Fun und Stingray, das ist irgendwie logisch. FunVentus klingt aber doof – und einfach Ventus geht wohl nicht, weil der Name geschützt ist. Also musste ein Brainstorming her. Und zwar ein klassisches. Man nimmt den Wunschnamen (Ventus) und rattert damit durchs Alphabet: Atus, Bentus, Centus, Dentus (klingt zu sehr nach Zahnarzt), Entus (geht gar nicht). Alles bekloppt. Erst beim L blieb man offenbar hängen. Denn das klingt schön. Lentus.

Bauen oder nicht?
Den Lentus bekommt man einerseits als Bausatz, bei dem noch reichlich geklebt und auch geschraubt werden darf. Derjenige, der von vorneherein eigene Komponenten einsetzen möchte und vielleicht auch Wert auf eine eigene optische Gestaltung legt, der ist damit gut bedient. Für mich war aber klar, dass ich mich für die fertig gebaute und mit Komponenten ausgerüstete RR-Variante entscheiden würde. Und ich kann es schon mal vorwegnehmen: Hier passt alles zusammen, Motor, Regler, Servos. Da kann ich nichts in der berühmten Suppe finden. Auch nach vielen Flugstunden nicht.

Wie üblich, kommt das Modell in einem schön bedruckten Karton. In diesen kann man alles auch wieder zum Transport verpacken, wenn man das Höhenleitwerk abschraubt. Da das sehr einfach gelingt, kann man es problemlos jedes Mal machen: Einfach den bereits rechtwinklig abgebogenen Anlenkungsdraht in die Ruderöse stecken, Leitwerk aufsetzen und festschrauben. Geht ruckzuck.
Bei der RR-Version ist der Motor fertig eingebaut, wer also einen reinen Segler möchte, der greift am besten zur Kit-Version. Die Nase dafür ist im Baukasten enthalten. Extra bestellen kann man noch ein Einziehfahrwerk, das man aber nur braucht, wenn man Boden-Eigenstarts machen will. Dazu später mehr. Die Anleitung ist wie von Multiplex gewohnt sehr ausführlich, vielsprachig und in der Mitte findet man einen großen Bildteil, der das Ganze auch optisch angenehm macht. Allerdings geht die Anleitung immer auf den Baukasten ein. Die wenigen Schritte, die bei der RR-Version noch nötig sind, werden nicht extra markiert, was etwas umständlich ist, wenn man schnell vorankommen will. Da hätte eine einfache Markierung an den Punkten geholfen, die hier noch erledigt werden müssen. Denn es sind nur ganz wenige Arbeiten übrig, die lässig an einem Abend erledigt sind. Bei der RR-Version sind alle Kabel fix und fertig verlegt. Man muss sie nur noch in den eigenen Empfänger einstecken. Allerdings sind die einzelnen Kabel nicht beschriftet, aber mit etwas Ausprobieren bekommt man schnell heraus, welches Kabel zu welcher Funktion führt. Ich habe danach die Kabelbuchsen wie üblich mit kleinen Klebern durchnummeriert. Immerhin kommen hier etliche Anschlüsse zusammen, da lohnt sich das. Der Regler hat – wie von Multiplex zu erwarten – serienmäßig einen der grünen Stecker angelötet.
Schleppkupplung serienmäßig
Selbst bei der RR-Version mit Motor wurde an eine Schleppkupplung gedacht. Und das Beste: Sie ist schon eingebaut. Sogar der Anlenkungsdraht ist dabei und bereits gekröpft. Also führt man den ebenfalls beiliegenden Bowdenzug-Außenrohr-Abschnitt in die Kunststoffschiene unter dem Motor bis zum Anschlag ein, hängt den Stahldraht in das innerste Loch eines noch zu ergänzenden Servos ein (empfohlen wird ein Hitec HS-65) – und schiebt das Ganze durchs Röhrchen und gleichzeitig in den für das Servo vorgesehenen Spalt. Röhrchen und Servo habe ich nach dem genauen Einstellen des Ausschlags beziehungsweise der Servohebelposition mit UHU Por verklebt. Das hält gut genug, kann aber notfalls wieder gelöst werden, ohne den Schaum drumherum merklich zu beschädigen. Einfacher ist der Einbau einer Schleppkupplung kaum möglich. Perfekt gelöst.
Wozu aber überhaupt eine Schleppkupplung in einem Elektrosegler (RR-Version)? Ganz einfach: Weil der Seglerschlepp großen Spaß macht. Außerdem ist der Lentus ideal geeignet, um den F-Schlepp zu trainieren. Denn er ist leicht und gutmütig. Außerdem reicht auch eine kleinere Schleppmaschine für ihn aus. Große Schleppmaschinen sind an den meisten Plätzen ja eher rar. Für Käufer der Baukastenversion, die den Lentus als reinen Segler aufbauen wollen, ist die Schleppkupplung natürlich mehr als naheliegend. Nur die reinen Hangflieger werden darauf wohl verzichten.
Optional: Einziehfahrwerk
Zwingend ist das optionale Einziehfahrwerk, wenn man Bodenstarts machen will. Ausgeliefert wird es als Bausatz. Dabei sind die Gehäuseteile aus einer Kohlenfaserplatte gefräst und müssen noch herausgetrennt werden. Ein passendes Rad ist dabei und natürlich auch alle Kleinteile samt Anlenkung und einteiliger Rumpfklappe. Lediglich das empfohlene Servo, ein Hitec HS-85 MG, muss noch extra dazu bestellt werden. Der Zusammenbau des Einziehfahrwerks beginnt mit dem Herauslösen der CFK-Teile, was man am besten mit einem Seitenschneider bewerkstelligt. Danach werden alle Reste der Frässtege weggeschliffen. CFK ist hart, daher habe ich hier mit einem Schleifer an der Dremel gearbeitet. Obligatorisch: Der Staubsaugerschlauch wird direkt unter das Schleifobjekt gehalten und saugt so alles sofort ab. Kohlestaub ist extrem fein und sollte nicht in die Lunge gelangen. Dann kann man die Teile zusammenschrauben.

Die Anleitung für das Einziehfahrwerk kommt völlig ohne Worte aus, was das Ganze nicht so super einfach macht. Jedenfalls habe ich zunächst mit viel Nachdenken, Bildchen schauen und Kombinationsgabe das ganze Fahrwerk komplett montiert, ohne die Schrauben aber mit Schraubensicherung einzukleben. Erst nachdem alles funktionierte und mit den Zeichnungen in der Anleitung genau übereinstimmte, habe ich jede Schraube wieder gelöst und eingeklebt. Einzige Änderung: Die Spiralfeder habe ich an dem Ende etwas winklig abgebogen, an dem es an einer Schraube (die von innen ins Fahrwerk gedreht wird) eingehängt wird. Denn so schön parallel, wie in der Zeichnung gezeigt, verläuft der Federdraht nicht. So liegt der Draht sauber auf und kann nicht wegrutschen. Zudem habe ich für diese Schraube ein Gewinde in die Fahrwerksseite geschnitten – denn sonst muss man diese Schraube mit Gewalt eindrehen. Anschließend wird sie mit Sekundenkleber fixiert.

Über die Kabinenöffnung
Das fertige Fahrwerk lässt sich mit etwas Geschick prima von der Kabinenöffnung her einschieben. Hinten werden vorher zwei Anschläge in den Rumpf geklebt (Sekundenkleber), die das Fahrwerk dort fixieren. Vorne wird ein Plastikteil über den massiven Rumpfholm geschoben und das Fahrwerk hier mit zwei Schrauben befestigt. Das Ganze kann man noch etwas hin- und herschieben, aber bei mir war der hinterste Anschlag sofort richtig, denn so passte die Fahrwerksklappe tadellos. Vorne etwas knapp, hinten mit mäßigem Spalt. Das ist aus meiner Sicht auch aerodynamisch in Ordnung.
Wichtig ist, dass man die Klipse für die Befestigung der Klappe schon vor dem Einbau des Fahrwerks verklebt. Danach wird es sonst etwas fummelig (geht aber auch noch). Keine Angst: Alles passt super. Denn klebt man diese Klips bündig an die vorgesehene Stelle, passt die Klappe. So muss das sein. Die Gummis habe ich durch das Loch im Fahrwerksbein geschleift und dann in die Klappe eingehängt. Man sollte auch wirklich beide Gummis einfädeln, da ein Gummi allein schnell schwächer wird und die Klappe dann nicht mehr richtig schließt. Und dann könnte es passieren, dass es die vielleicht halb offen stehende Klappe beim Landen wegreißt. Das wäre zwar nicht dramatisch, weil es die Klappe dabei einfach ausklipst, aber auf Dauer schadet es der Lagerung der Klappe. Mein Tipp: Auch links und rechts der Klappe sollte man etwas von der Schutzfolie anbringen. Das verstärkt die Lagerungszone der Klappen und schützt vor Schäden. Ein Streifen von 2-3 cm reicht dafür. Natürlich müssen dabei die Lager selbst beweglich bleiben (dort also etwas aussparen). Wohl auch dank der Feder, die die Bewegung des Fahrwerksbeins unterstützt, läuft alles sehr leicht und rastet auch ohne besondere Servoweg-Erweiterung in beiden Stellungen sauber ein. Zudem passt das Servo perfekt an der vorgesehenen Stelle.
Akku und Empfänger rein
Jetzt müssen nur noch Akku und Empfänger eingesetzt und befestigt werden. Der Empfänger passt mit Klettband auf die vordere Fahrwerksabdeckung – und ist so mit all seinen vielen Anschlusskabeln bestens zugänglich und trotzdem ordentlich aufgeräumt. Der Akku kommt direkt auf den Rumpfboden. Da ich einen Jeti-REX-Assist-Empfänger mit freigeschaltetem Vario benutze, habe ich damit auch gleich ein Vario ohne zusätzliche Kabel an Bord. Man könnte am Lentus sogar eine TEK-Düse befestigen (ist dafür vorbereitet), wenn man das passende Vario dazu hat. Der 10-Kanal-Empfänger ist übrigens bis auf einen Kanal komplett belegt. Ja, der Lentus ist ein ausgewachsener Vierklappen-Segler mit allem Pipapo.

Übrigens denkt Multiplex auch an diejenigen, die keinen sorgfältig gemähten und schmutzfreien Rasen zur Verfügung haben: Unten wird der Rumpf mit einer sehr widerstandsfähigen Folie beklebt, die zuverlässig vor Kratzern und Schmutz schützt. Das ist super. Das Zusammenstecken der Tragflächen war bei mir anfangs etwas mühselig; denn man muss die doch recht langen Flächen ziemlich exakt mit der richtigen V-Form an den Rumpf schieben, damit der Holm beidseitig einrastet. Anfangs gab ich immer zu viel V-Form vor. Es hilft etwas, wenn man die Holme an der vorderen Kante entgratet. Und dann sollte man die Flächen mit viel Gefühl am besten fast gleichzeitig zusammenschieben und dabei auf die V-Form achten. Es ist fast immer weniger, als man denkt. Nach ein paar Versuchen klappt es dann bestens. Jetzt noch schnell den Akku angeklettet und so ausgerichtet, dass man den angegebenen Schwerpunkt auch erreicht.

Einstellen des Schwerpunkts
Wie bei Multiplex üblich, ist der Schwerpunkt mit dicken Noppen markiert, so dass man den Flieger bequem auf den Fingern ausbalancieren kann. Aber Achtung: Wer wie ich gleich ein Einziehfahrwerk einbaut, kann den 3s-LiPo eventuell nicht mehr weit genug nach hinten schieben, um den Schwerpunkt ohne Ballastzugabe hinten zu erreichen. Zumindest bei meinem Roxxy mit 3.200 mAh war das der Fall. Aber es war trotzdem einfach mit dem Schwerpunkt: Seitenleitwerk wegklipsen, schon sieht man das Loch für die mitgelieferte Ballastkugel. Das Gewicht der Kugel (etwa 14 g) reicht allerdings nicht ganz, um das Gewicht des Akkus vorne auszugleichen. Aber es passen weitere 15 g Blei rein, ohne dass die Kugel herausschauen würde. Und so habe ich mit dem 249 g wiegenden 3s-3.200-mAh-Roxxy-LiPo exakt den Schwerpunkt erreicht, wenn ich ihn ganz nach vorne schiebe. Tendenz: minimal kopflastig.

Interessanterweise fängt der Lentus bei meiner Trimmung (optisch neutrales Höhenruder) praktisch nicht ab, wenn man ihn zur bekannten Schwerpunktprobe stark ansticht. Macht man den Segler aber nur ganz kurz schneller, antwortet er mit einem leichten Abfangbogen, wie man das bei leicht kopflastigen Seglern ja kennt. Ein 3s-3.800-mAh-LiPo mit 298 g Gewicht, ebenfalls ganz vorne platziert, ergibt einen deutlich kopflastigeren Lentus. Nur: Er fängt nach zwei, drei Sekunden steilem Anstechen trotzdem nicht ab. Die Gegenprobe mit einem 3s-2.700-mAh-LiPo mit 40 g weniger (gegenüber dem 3.200-mAh-LiPo) ergab dasselbe Bild. Vermutlich verbiegt sich im Schnellflug der Rumpf leicht – und damit auch das T-Leitwerk. Denn egal, wo ich den Schwerpunkt auch hingelegt habe, bei Full-Speed hat der Lentus von allein einfach nicht abgefangen.

Nach meiner Erfahrung und Einschätzung hat der Lentus einen weiten Schwerpunktbereich und man kann allein durch die Trimmung sehr unterschiedliche Grundgeschwindigkeiten erreichen. Wer es gerne behäbiger mag, der trimmt beim empfohlenen Schwerpunkt einfach ein bisschen auf Hoch und macht einen etwas schwereren Akku rein. Dann wird der Lentus langsamer – und fängt ein bisschen ab, wenn man normal beschleunigt. Ich lasse ihn aber lieber etwas laufen, nehme daher meistens den leichteren 2.700er Akku.

Rein in die Thermik
Der Handstart ist mit dem Lentus eine völlig problemlose Angelegenheit: Thermikstellung anwählen, zwei Schritte vor machen und das Modell in die Luft schieben. Das Modell sinkt dann nur kurz etwas durch, steigt mit etwas Ziehen aber sehr flott. Die Motor-Luftschrau-ben-Kombination ist von Multiplex sehr gut abgestimmt, zügig steigt der Lentus auf Höhe. Bester Winkel: etwa 45 Grad, dann ist die Steigleistung gefühlt am effizientesten. Einen solchen Steigflug absolviert der Segler übrigens ohne große Ruderkorrekturen, wenn das Höhenruder sauber neutral getrimmt wurde und der Schwerpunkt stimmt. Der Motor zieht im Stand um die 42 A. Das ist sehr moderat für die gute Steigleistung.

Und oben angekommen? Sauber mit Seite und Quer steuere ich in den Thermikkreis. Beim Kurbeln selbst brauche ich fast nur noch das Seitenruder. Und auch wenn es abgedroschen klingt – bereits beim ersten Steigflug erwischte ich Thermik, obwohl jener Tag von einer Inversion gekennzeichnet war. Aber die wenige vorhandene Thermik hat der Lentus sauber umgesetzt. Da passt einfach alles zusammen: Die Verwölbung der vier Flächenklappen, die damit mögliche niedrige Grundgeschwindigkeit, kein Schieben beim Einkurven mit dem Querruder (dank der empfohlenen Differenzierung). Perfekt.

Geht auch Ballern?
Kann man das mit dem Lentus? Natürlich – und dabei genügt eine schöne Hangkante für dynamisches Kantenkratzen. Klar hat der Lentus nicht den Durchzug eines Voll-GFK-Modells, aber für eine Elapor-Konstruktion sind Flugdynamik und Flugverhalten schon sensationell. Wer immer noch die Nase rümpft, dem sei gesagt: Ein Vereinskamerad, der mich beim Fliegen beobachtete, hatte nicht die leiseste Ahnung, dass es sich bei diesem Segler um einen Schäumling handelt. Erst nachdem ich den Lentus nach der Landung auf den Aufbautisch gelegt hatte, erkannte er, dass es kein GFK-Modell war...

Jedenfalls macht der Lentus alle seglerüblichen Kunstflugfiguren einwandfrei mit. Natürlich kommen die Rollen relativ langsam, aber das meint man ja auch mit seglerüblich. Und für den Looping braucht man freilich etwas Anlauf. Rückenflug funktioniert auch gut, allerdings mit deutlichem Drücken, vor allem wenn der Schwerpunkt etwas weiter vorne ist. Für richtig knackigen Segelkunstflug ist der Lentus natürlich nicht konstruiert, dafür gibt es nicht umsonst spezielle Modelle.
F-Schlepp und Höhenflüge
Das Einhängen des Seils in der eingebauten Schleppkupplung ist trotz der Position unten am Rumpf ganz einfach – und mit etwas Geschick schafft man das auch alleine: Sender neben die Rumpfspitze legen, Lentus senkrecht auf die Nase stellen und mit einer Hand die Schlaufe des Schleppseils einhängen. Mit der anderen Hand am Sender die Kupplung schließen. Der Rumpf wird dabei auf der Schulter abgelegt.

Der Lentus benimmt sich hinter der Schleppmaschine mehr als brav. Das in meinem Fall zugegebenermaßen deutlich überdimensionierte und recht flotte Schleppflugzeug flog mit maximal Halbgas, um den Lentus anständig und ohne Gewaltakt auf Höhe zu bringen. Die Flächenklappen sind beim Lentus dabei im Strak, keine Verwölbung. Damit fliegt er in optimaler, leicht überhöhter Position zum Schleppflugzeug, ohne zu schnell zu werden oder wegzusteigen. Bis auf leichte Querruderkorrekturen muss nichts gesteuert werden. Nach kurzer Zeit wird bei etwa 250 m ausgeklinkt. Und schon beim zweiten Schlepp ging es bei mir abartig auf Höhe: Ich war in einen der wenigen heftigen Bärte des Tages geraten und schnell an der Sichtgrenze, zum Glück direkt unter einer Wolke, was die Sicht auf das Modell erheblich verbesserte.

Doch wie kommt man da mit einem Schaumsegler wieder heil heraus? Erst versuchte ich es mit Trudeln, also die Knüppel voll in die Ecken. Das war mir aber schnell zu heikel, denn der Lentus macht dabei eher einen Spiralsturz. Er wurde gefühlt zu schnell, sodass ich ihn wieder vorsichtig abfing. Und schon ging das Vario-Piepsen mit mächtigem Steigen wieder los. Also volles Butterfly eingestellt und das Rad ausgefahren. Das half. Mit moderater Geschwindigkeit und deutlichem Sinken kam der Lentus wieder näher. Mein Resümee des Tages: Der Lentus lässt sich hervorragend schleppen, auch mit starken und schnellen Schleppmaschinen. Und wenn dann tatsächlich mal ein Hammerbart kommt, bringt man ihn mit Umsicht auch wieder heil herunter. Dass er etwas aushält, hat der Lentus inzwischen mehrfach bewiesen. Denn immer bin ich in der Testphase auf bockige, zum Teil sehr starke Thermik gestoßen. Beim Abstieg zeigten die Flugdaten des Jeti-Assist-Empfängers oft ein Lastvielfaches von über 5g an. Das ist für eine Schaum-Konstruktion eine Menge. Hut ab. Übrigens: Selbst bei schnellen Abstiegen mit Steilkurven biegen sich die Flächen nur wenig durch. Kein Wunder, sind sie doch mit zwei langen Holmen sehr stabil gefertigt.
Mit oder ohne Rad?
Die Landung gelingt bei ruhigem Wetter oder sauber gegen den Wind problemlos. Seitenwind muss ausgesteuert werden, denn wie jeder Segler will sich der Lentus in den Wind drehen – und da er relativ leicht ist, macht er das auch. Wirklich Schrittgeschwindigkeit beim Aufsetzen erreicht man nur mit etwas Gegenwind. Ansonsten kommt der Lentus recht flott rein und braucht daher auch ein paar Meter zum Aufsetzen und Ausrollen. Kurz gesagt: Er benimmt sich auch hier fast wie ein moderner Schalensegler.
Wer noch nie mit einem Rad gelandet ist, der muss etwas aufpassen. Denn sobald ein Segler auf seinem Rad aufsetzt (und das gilt nicht nur für den Lentus), kann er sich leicht um diesen Punkt drehen. Es braucht dann nur wenig Seitenwind und das Modell will nach dem Aufsetzen die Richtung ändern. Man muss also bei einer Radlandung mehr und länger bewusst steuern (mit Quer und Seite), denn der Segler rollt natürlich auch deutlich länger als bei einer Bauchlandung. Und er kann, wenn man etwas zu schnell aufsetzt, auch wieder abheben, wenn man nicht aufpasst.

Bei Landungen ohne Rad kommt ein Segelflugzeug in der Regel vom Boden nicht mehr weg, wenn es mal aufgesetzt hat. Wer es also lieber easy haben will, kann das Einziehfahrwerk auch weg- oder drin lassen. Wirklich nötig ist es selbst beim F-Schlepp nicht, auch nicht bei schwächeren Schleppmaschinen. Aber es sieht schon schick aus, wenn man mit Rad landet! Und das Rad steckt einiges weg. Einige weniger gelungene Landungen im „Delphinstil“ haben das Fahrwerk jedenfalls bis jetzt in keiner Weise beeindruckt.
Erflogene Einstellungen
Wer sich an die in der Anleitung vorgeschlagenen Einstellwerte hält, macht nichts falsch. Ich bin trotzdem etwas davon abgewichen – und das aus mehreren Gründen. So habe ich den Höhenruder-Ausschlag so lange zurückgenommen, bis sich ein enger Looping ohne Abriss am oberen Scheitelpunkt ergab. Damit bin ich etwa 2 mm unter der Empfehlung herausgekommen. Den empfohlenen Seitenruderausschlag von 35 mm schafft man ohnehin – schon mechanisch – nicht ganz. Aber die Wirkung des Ruders ist gut und daher passt der mögliche Ausschlag bestens. Auch bei den Querrudern schaffe ich nicht ganz die angestrebten 24 mm, es sind etwa 22 mm nach oben. Das ist trotzdem absolut stimmig. Und die vorgeschlagene Differenzierung passt ebenfalls sehr gut.
Auch die empfohlenen Flugphasen habe ich übernommen und bin zufrieden damit. Lediglich bei der Butterflystellung gehen mir die Wölbklappen zu wenig nach unten. Das lässt sich aber leicht ändern, denn am Gestänge ist noch genügend „Fleisch“ – und die Wölbklappen gehen ohnehin weit mit den Querrudern nach oben mit, was man aus meiner Sicht nicht braucht. Also: Die Madenschraube lösen, das Ruder ein paar Millimeter hochdrücken, wieder festschrauben und mit der Mittenverstellung alles wieder auf null setzen. Bei mir kamen die Wölbklappen damit gute 5 mm weiter nach unten. Das macht viel aus. Bei den empfohlenen 30 mm kann es bei einem engen Hangfluggelände durchaus knapp werden, denn der Lentus will trotz Butterfly lange gleiten. Das erkennt man auch daran, dass er kurz vor dem Aufsetzen noch mit viel Höhe zum kurzen Hochsteigen überredet werden kann (bei 30 mm ist der Auftrieb anscheinend einfach noch zu hoch und die Bremswirkung zu gering). Dafür habe ich dann die Querruder weniger nach oben gestellt. Diese kleine Maßnahme bewirkt eine niedrigere Landegeschwindigkeit und verbessert zudem die verbliebene Querruderwirkung mit der Butterflystellung. Nach dieser Modifikation wurde das Landen auch unter schwierigeren Bedingungen noch einfacher – und selbst ohne Gegenwind langsamer und kürzer.
Eigenstart vom Boden
Fehlt nur noch der Eigenstart vom Boden aus. Also die größere Luftschraube durch die dafür empfohlene 8×6“ ausgetauscht, den 3s-3.200er durch einen 4s-2.600er LiPo ersetzt und den Lentus mit ausgefahrenem Fahrwerk auf unsere mäßig ebene Graspiste, schön gegen den kaum vorhandenen Wind, gestellt. Auf einen Helfer, der das Modell gerade hält, habe ich bewusst verzichtet. Denn der Helfer lässt üblicherweise vorher los, bevor der Segler ordentlich steuerbar ist. Bei manntragenden Seglern kann der Helfer ja ein Stück mitrennen, bei Modellen geht das nicht wirklich. Und nicht selten macht die gutgemeinte Starthilfe alles schlimmer, wenn der Helfer die Fläche für einen Augenblick unbewusst festhält. Ein Ringelpiez ist dann gerne mal die Folge.
Also: Modell mit einseitig hängender Fläche auf die Startbahn stellen, voll Höhe ziehen und Vollgas geben. Und tatsächlich beschleunigt der Lentus trotz der aus meiner Sicht winzigen Luftschraube relativ zügig und hebt auch alsbald ab. Natürlich muss man ihn mit dem Querruder sofort gerade halten und eventuell auch mal mit dem Seitenruder eine Kurve vermeiden, aber dennoch geht es einfacher als gedacht. Selbst leichten Seitenwind verkraftet der Lentus dabei noch. Auf unserem derzeit eher schlechten Platz beißt die Luftschraube dabei auch mal etwas ins Gras, wenn das Rad in eine Vertiefung gerät. Dann spritzt der staubfein zerkleinerte Grashäcksel und schlägt sich am Rumpf und an den Flächen nieder. Da das Gras zur Testzeit frisch gewachsen und von häufigem Regen auch gegossen und damit schön saftig war, ist es gar nicht so einfach, das wieder abzuwaschen. Diejenigen, die über eine wirklich ebene Graspiste oder gar eine Hartpiste verfügen, tun sich da leichter. Aber es geht auch auf unserer Rumpel-Piste erstaunlich gut. Und die Steigleistung ist auch mit dem kleinen Prop immer noch in Ordnung. Kurz: Auch beim Thema Bodenstart funktioniert der Lentus wie angekündigt einwandfrei.
Mein Fazit
Der Lentus ist ein klasse Modell, das in der Gruppe der Foamies ziemlich Eindruck macht. Er ist toll bei der Verarbeitung und super bei den Einsatzmöglichkeiten, die sich durch Fahrwerk, Schleppkupplung und Bodenstart-Option weit auffächern. Vom fliegerischen Handling ist er kaum komplexer als einfachere Segler – und in der Luft ist der Lentus von einem Schalentier kaum zu unterscheiden. Meine Meinung: Multiplex hat auch bei dieser Konstruktion, wie schon beim FunRay, wieder Maßstäbe gesetzt. Übrigens: Der von Multiplex angebotene Seglerrucksack (die größere Variante) passt bestens für den Lentus. Bei mir liegt dieser schwarze Transportrucksack daher immer öfter – gefüllt mit dem Lentus – im Auto. Ein Schraubenzieher zur Höhenleitwerksmontage und Akkus passen auch noch rein, selbst den Sender kann man mit etwas Geschick noch unterbringen. So vergisst man auch nichts zuhause. Meinen FunRay bewahre ich im kleineren Multiplex-Seglerrucksack auf – und entscheide je nach Fluggebiet und Wetterlage, welcher der beiden mitdarf. Im Zweifel beide. Dann kann nichts mehr schiefgehen.
Lentus
Verwendungszweck: (Elektro-)Segler für Hang und Thermik
Modelltyp: RR-Fertigmodell oder Baukasten
Hersteller/ Vertrieb: Multiplex
Bezug und Info: Fachhandel, Infos unter www. multiplex-rc.de, Tel.: 07252 580930
UVP: 569,90 € (RR), 269,90 € (Kit)
Lieferumfang (RR): komplett fertig aufgebautes, nahezu flugfertiges Modell mit allen Servos und eingebautem Antriebsstrang
Erforderl. Zubehör (RR): Antriebsakku, Empfänger, Sender
Bau- u. Betriebsanleitung: Deutsch mit 15 Seiten Text und 8 Seiten Abbildungen (Schwarz-Weiß)
Aufbau
Rumpf: Elapor mit Verstärkungen
Tragfläche: Elapor mit CFK-Alu-Doppel-Holmen
Leitwerk: Elapor mit Verstärkungen
Kabinenhaube: Rahmen aus Elapor mit klarer Haube
Einbau Flugakku: in Kabinenhauben-Ausschnitt mit Klettband
Technische Daten
Spannweite: 3.000 mm
Länge: 1.410 mm
Spannweite HLW: 620 mm
Flächentiefe an der Wurzel: 220 mm
Flächentiefe am Randbogen: 125 mm (Ende Querruder gemessen)
Tragflächeninhalt: 52,6 dm²
Flächenbelastung: ca. 49 g/dm²
Tragflächenprofil: k.A.
Profil des HLW: k.A.
Gewicht/Herstellerangabe: ab 2.300-2.600 g
Fluggewicht Testmodellohne Flugakku: 2.347 g
mit 3s-3.200-mAh-LiPo: 2.595 g (inkl. EzFw und ca. 25 g Heckballast)
Antrieb im Testmodell eingebaut
Motor: Roxxy C35-48-990kV
Regler: Roxxy BL-Control 755 S-BEC
Propeller: Multiplex 11×7“ (8×6“ für Bodenstart)
Akku: 3s-3.200-mAh-LiPo Roxxy Evo, 4s-2.600-mAh-LiPo für Bodenstart
RC-Funktionen und Komponenten
Höhenruder: Hitec HS-65HB Carbonite
Seitenruder: Hitec HS-65HB Carbonite
Querruder: 2 × Hitec HS-65HB Carbonite
Wölbklappen: 2 × Hitec HS-65HB Carbonite
Schleppkupplung: Hitec HS-85BB (nicht enthalten)
Optional: Einziehfahrwerk: Hitec HS-85MG (nicht enthalten)
Verwendete Mischer: Butterfly, Flugphasen
Empfänger: Jeti REX Assist 10 Kanal mit Vario
Empf.-Akku: BEC