

Grundlagen: Das Seitenruder und der Kurvenflug
Unterschätzte Funktion
Bei vielen Piloten hat man den Eindruck, dass sie die Wichtigkeit des Seitenruders gewaltig unterschätzen. Zwar gibt es auch für sie irgendwo am Ende des Flugzeuges noch dieses Ruder, als Abschlussstück des Modellrumpfes so zu sagen. Das Seitenruder ist zumindest meistens vorhanden, abgesehen von manchen schnellen Flitzern, die für ihren Einsatzzweck auch ohne auskommen. Thermiksegler sind immer mit Seitenruder ausgestattet. Sie sollten es jedenfalls sein. Aber selbst hier wird dieses Ruder häufig eher als Beiwerk betrachtet.
Das gängige Mischverhalten…
In einem Bericht habe ich gelesen: „Im Flug fiel zuerst auf, dass das Modell trotz 50%iger Zumischung des Seitenruders noch viel Seitenruderunterstützung beim Kreisen braucht.“ Anschließend wird das Verhalten erklärt und dann geht es weiter: „Beim nächsten Start wurde daher Differenzierung und Seitenruderzumischung noch etwas erhöht”. Es galt hier offenbar, eine nachteilige Wirkung zu beseitigen. Hier wurde das Seitenruder zur Querrudersteuerung zugemischt. Der Autor lenkte das Modell offenbar primär mit dem Querruder in die Kurve. Für einen Hangflitzer wäre das in Ordnung. In meinem Verein höre ich auch öfters solche Überlegungen, und immer wieder greift man zur Zumischung des Seitenruders zur Querrudersteuerung. Umgekehrt übrigens auch – und das ist genauso falsch. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Wir reden hier vom sauberen Kurvenflug, von einem effizienten Kreisen in der Thermik.
… und die Folgen
Wenn der Segler z.B. links herum kreist, fliegt die linke Tragfläche langsamer als die rechte. Die linke Tragfläche wird dadurch sinken und damit die Schräglage zunehmen. Der Pilot nimmt dann die Querruder zurück und folglich, wegen der von ihm programmierten Zumischung, auch das Seitenruder. Nach zwei oder drei Umdrehungen kann es dann sogar passieren, dass man die Querruder nach rechts steuern muss, um eine passable Schräglage einzuhalten. Wenn der Pilot jetzt nicht das Seitenruder extra nach links bewegt, geht das Flugzeug wie eine Krabbe durch die Kurve, mit der Rumpfspitze nach außen zeigend. Und das bremst ordentlich! Oder das Modell verlässt sogar die gewünschte Kreisbahn nach rechts und verlässt den Aufwindbereich.
Allein das Seitenruder
Dem Seitenruder wird augenscheinlich von vielen Modellpiloten eine zweitrangige Rolle zugeteilt. Ich habe einem Optima-XXL-Rumpf (von FVK) eine neue 3-teilige Fläche ohne Querruder spendiert, weil ich in diesem Falle auf Leichtbau Wert gelegt habe. Schade, sagte jeder, damit kannst du überhaupt nicht im Thermikkreisen mithalten. Als ich dann später mehrere Steilkurven aneinander gefädelt hatte, staunten die Skeptiker nicht schlecht. Es lässt sich eben auch nur mit Seitenruder ganz gut fliegen, man braucht nur etwas mehr V-Stellung. Meine Optima-2 hat je 5° pro Fläche.
Was passiert eigentlich wenn ich das Seitenruder betätige? Erstens dreht sich das Gerät um die Hochachse, soviel ist ja bekannt. Dadurch wird aber auch gleichzeitig eine Richtungsveränderung bewirkt. Beim Drehen, z.B. nach links, fliegt die rechte Fläche schneller als die linke. Die rechte Fläche erzeugt also mehr Auftrieb und das Flugzeug kommt in eine Schräglage nach links, wie gewünscht. Zu gleicher Zeit aber tritt noch ein zweites Phänomen auf. Wenn sich das Modell um die Hochachse dreht, fliegt es erst einmal gerade weiter. Das heißt, es fliegt jetzt mit der rechten Fläche nach vorn und der linken nach hinten. Wenn die Fläche eine gewisse V-Stellung aufweist, und das ist bei Thermikseglern meist der Fall, bekommt die rechte Fläche einen größeren Anstellwinkel und die linke einen kleineren. Der hierdurch entstandene Auftriebsunterschied rollt das Flugzeug auf die linke Seite. Beide Effekte unterstützen einander.
Quer- und Seitenruder
Beim Fliegen mit Quer- und Seitenruder ändert sich an der Rolle des Seitenruders überhaupt nichts. Beide unterstützen einander. Querruder aber machen ein Seitenruder nicht überflüssig. Die Querruder bestimmen die Schräglage, das Seitenruder lässt das Flugzeug möglichst effizient durch die Kurve gehen. Diesen letzten Halbsatz hätte ich eigentlich unterstreichen müssen, denn gerade beim Thermikfliegen ist Effizienz das höchste Gebot.

Mein Optima-Rumpf hat noch eine zweite von mir gebaute Fläche akzeptieren müssen, eine voll-ausgebaute 4-Klappen-Fläche, mit je 2,5° V-Stellung je Flügelhälfte. Mit diesem Flügel verhält sich das Modell genau wie vorhin beschrieben. Nachdem das Kreisen eingeleitet ist, muss ich bereits die Querruder neutral nehmen, in der zweiten Umdrehung gehen dann die Querruder schon im entgegengesetzten Sinne, um die Schräglage zu halten. Das Seitenruder bleibt die ganze Zeit fast in der gleichen Position. Ich fliege natürlich ohne jegliche Zumischung.
Apropos Schräglage
Immer wieder behaupten Hersteller, dass die eine oder andere besondere Auslegung flacheres Kreisen erlaubt. Na und? Flaches Kreisen ist an sich nicht besser, als Kreisen mit einer ordentlichen Schräglage. Je größer die Kreisdurchmesser, je flacher die Lage, soviel ist klar. Jede Abweichung aber vom natürlichen Schräglagewinkel kostet Energie. Haben sie schon mal versucht, mit ihrem Fahrrad eine Kurve ohne Schräglage zu fahren? Sie wären bestimmt umgekippt. In der bemannten Segelfliegerei, in der ich vier Jahre aktiv war, gibt es ein ganz einfaches und effektives Instrument: ein Wollfaden, mittig auf die Cockpithaube geklebt, wird vom Wind bewegt. Fliegt man geradeaus, liegt der Faden in der Symmetrielinie. Dreht man das Seitenruder z.B. nach links, wird sich das Flugzeug um die Hochachse drehen, die Strömung kommt nun von rechts und der Faden wird nach links geblasen. Bewegt man jetzt die Steuerknuppel auch nach links (Querruder!), wird die Kurve eingeleitet und der Faden liegt wieder symmetrisch an. Jetzt fliegen wir mit geringstem Widerstand. Beim Kreisen muss man auch hier den Querruderausschlag verringern, manchmal bis zu negativen Werten. Das Seitenruder muss jedoch immer links gehalten werden. Der Faden macht das auf unmissverständliche Weise deutlich.

Während der bemannten Segelflug-Ausbildung wird darauf immer nachdrücklich hingewiesen: die Kurve wird mit Quer- und Seitenruder eingeleitet. Die Querruder bestimmen die Schräglage, das Seitenruder wird auf Grund des Fadens ständig korrigiert, so dass wir möglichst effizient fliegen. Wir Modellflieger müssen so einen Faden entbehren. Wir können nur vom Boden beobachten, wie das Modell fliegt.
Fazit
Wir wissen jetzt, dass zum richtigen Kreisen jeweils Quer- und Seitenruder aktiv sein müssen. Eine Kopplung zwischen den Rudern ist unerwünscht, wie ich hiermit deutlich gemacht habe. Wir werden uns also daran gewöhnen müssen, jede Kurve mit beiden Knüppeln einzuleiten. Ist ja ganz einfach, denn die beiden bewegen sich doch – zumindest zu Beginn der Kurve – in die gleiche Richtung, oder?