

DIE ZUKUNFT HAT BEGONNEN
Autonomer Modellflug mit Low-Budget-Komponenten
„Alles fließt“, hieß es in der Antike – die Entwicklungen auf dem Modellflugsektor kennen auch keinen Stillstand. Autonom sollen in Zukunft die Autos fahren, Modellflugzeuge können es schon jetzt. Dank preiswerter Komponenten aus Fernost, des Smartphones und der Vernetzung der Welt ist es möglich.
NORBERT WANKE

Avantgarde ist eine internationale Community, die dem Multirotorschrott ein zweites Leben beschert. Aus vielen Bastelideen sind hiermit längst professionelle Projekte geworden. Die globalisierte Welt ist ein riesiger Supermarkt – der nun auch viele neue Komponenten für den autonomen Flächenflug bereithält. Als „alter Hase“ habe ich mich inspirieren lassen und meinen Vereinskameraden Lutz Nordbrock dazu gewinnen können – wir bringen alles zusammen. Hier ein paar Basics, quasi als Appetithappen für die eigene, innovative Kreativität. Autonomer Flächenflug – die Zukunft hat begonnen!
Die Komponenten
Herzstücke für das autonome und teilautonome Fliegen ist ein GPS-gestützter Flight-Controller samt einer Software, die einst für die Steuerung von Multirotor/Quadrokopter entwickelt wurde. Die Software kann beliebig viele Funktionen auch beim Flächenflieger übernehmen, einfache oder sehr komplexe, so z.B. permanente Stabilisierung der Fluglage, einen „Notfallknopf“ für die schnelle Korrektur der Fluglage, Return-to-home-Funktion, d.h. automatische Rückkehr des Modells zum Startpunkt, autonomes Fliegen von vorher definierten Flugrouten unter Beachtung der gesetzlichen Vorschriften, Autostart/Autolaunch für kleine oder schwierig zu startende Modelle, Autolandung (geplant oder im Notfall) und als besonderes Feature schnelles Autotrimming. Diese umfangreichen Möglichkeiten sind nicht mit einem Gyro vergleichbar, das erst einmal in mehreren Flügen initialisiert werden muss – für den Erstflug eines vielleicht kritisch fliegenden Modells ist das also keine Hilfe. Die Fluglagesteuerung eines Flight-Controllers und alle weiteren Funktionen stehen sofort zur Verfügung – was für eine Bereicherung des Modellflugs!
Die Telemetrie am Sender
Das Smartphone, im Sichtbereich am Sender montiert, übernimmt die sehr ausführliche Echtzeit-Telemetrie, sprich Anzeige aller gemessenen Parameter, von z.B. Spannung, Strom, Verbrauch (Sprit oder auch Batterieleistung), Höhe, Geschwindigkeit über Grund und Airspeed, Flow (Ultraschall/Kamera), Fluglage aller Achsen, Beschleunigungskräfte, Temperatur und Drehzahlen etc. Hier sind durch Verwendung von weiteren Sensoren eigentlich keine Grenzen gesetzt. Ebenfalls ist First-Person-View (FPV) beim Flächenflieger möglich.
Aufbau und Anschluss
Allgemein unterscheidet man diese Boards durch die Größe der CPU, des Arbeitsspeichers (RAM) und die Anzahl der seriellen Ports. Es gibt in China sehr viele unterschiedliche Versionen, die aber in der Regel immer mit den ähnlichen ARM-Prozessoren bestückt sind. Eine Empfehlung ist der Hersteller MATEK, da hier das Preis-Leistungsverhältnis stimmt. Der F411SE ist etwas schlichter, der F765-Wing kostet ca. 50,- € und ist der größte Controller dieses Herstellers. Notwendige Sensoren samt Barometer zur Höhenbestimmung sind ebenfalls schon installiert. Das Layout der Flight-Controller ist doppelstöckig. Die beiden Platinen messen im Original 28×28 mm, unten die Anschlussebene, oben die Rechnerplatine mit senkrecht stehendem USB-Anschluss, was ein wenig die Kompaktheit stört. Selbst eine Micro-SD-Karte ist einsetzbar, z.B. zur Fallanalyse nach einem Absturz oder zur Beurteilung einer geflogenen Choreografie am heimischen PC. Ein GPS-Modul wird als Device möglichst weit weg von ESC und E-Motoren angeschlossen. Es inkludiert oft zusätzlich einen magnetischen Kompass. Sechs Satelliten sind zur Erfassung der geostationären Zone in 3D notwendig, neben dem Ort auch die Höhe. Die sechs Dioden, die die notwendige Konnektivität signalisieren, sollten am Modell von außen sichtbar sein. Am Blockschaltbild ist der Anschluss der Peripherie sichtbar, die überwiegend über Dupont-Leisten angeschlossen wird. Der Platzbedarf ist gering, wie man auch im Modell sehen kann. Für die Testphase hat sich ein preiswerter Schaumflieger bestens geeignet, nach dieser erfolgreichen Erprobung steht auch einem Einsatz in einem hochwertigen Scale- oder Großmodell nichts mehr im Weg. Einfach genial!

Software, Installation und Programmierung
Das Board, unsere Blackbox, muss jetzt noch mit Leben gefüllt werden. Die CPU des F765-WING enthält nur ein Grundbetriebssystem, darauf wird als Tool z.B. das Programm INAV-Konfigurator installiert. Innerhalb der Communitys werden hierfür zahllose INAV-Projekte vorgestellt und ausgetauscht.
Die Verbindung zum Board ist mittels USB oder serieller Schnittstelle möglich. Die INAV-Software ist möglicherweise auch deshalb so weit verbreitet, da sie eine Step-by-Step-Parametrierung bietet. So kann zu Beginn WING statt HELI gewählt werden, danach geht es z.B. um die Lagebestimmung des Modells. Jeder Schritt wird mit SET quittiert. Für den Stromverbrauch gibt man die Kapazität der Akkus ein, um eine verlässliche Status-Angabe auf dem Display zu erhalten. Die Festlegung der Ports bestimmt, welche Anschlüsse auf der Dupont-Leiste für Servos, Sensoren oder weitere Devices sind. In der Taskleiste des PC-Screens erfolgt zur besseren Übersicht jeweils die Statusanzeige der bearbeiteten Funktionen. INAV enthält sogar Presets in der Datenbank des Systems, die einfach übernommen werden können. Pavel Spychalski, einer der INAV-Entwickler, hat auch unzählige Videos auf YouTube eingestellt, neben den aufgeführten Communitys für Interessierte eine gute Informationsquelle.
Nur über S-BUS-Empfänger können nun Sender und Flight-Controller kommunizieren, da ein Summensignal ausgegeben wird. Als besondere Möglichkeit besteht noch die Erweiterung des Systems mit einem LTE-Modem, welches es einem erlaubt, das Modell komplett via Mobilfunk über eine VPN-Verbindung mit einem Rechner zu steuern oder zu überwachen. Hierzu wird als Tool nicht INAV, sondern die Software ARDUpilot benötigt, wie mein Vereinskamerad Lutz Nordbrock anmerkt, der sich damit beschäftigt. Wer kommt bei diesen neuen technischen Möglichkeiten nicht ins Schwärmen?

Flugpraxis
Auf der Senderseite sind nun einige Entscheidungen zu treffen, um nicht den Überblick zu verlieren. Die Zuweisung der Schalter sollte einer persönlichen Logik entsprechen. So ist die Return-to-home-Funktion möglichst mit zwei Kippschaltern zu belegen, die beispielsweise beide zu sich zu kippen sind. Die temporäre Lagestabilisierung ist sinnvoll über den Lehrer-Schüler-Taster zu realisieren. Im Falle des Kontrollverlustes diesen Taster halten, bis die Gefahr gebannt ist.

Für komplexe Funktionen programmiert man Flugphasen, also wird nur ein Schalter für eine Sequenz von Mischern, Verknüpfungen und Sensoren, z.B. für den Autostart bis Sicherheitshöhe, benötigt. Ein schneller Nurflügler wird einfach mit Schwung in die Luft geschleudert – die perfekte Fluglage übernimmt das System in Sekundenbruchteilen, so schnell kann man selbst die Fluglage nicht einmal beurteilen!

Eine ähnliche Funktion ist das Autotrimming: Schalter am Sender umlegen, Modell mit den Kreuzknüppeln kurz geradeaus und horizontal fliegen, zeitgleich den Schalter wieder zurückschalten. Die Trimmung ist programmiert, Kreuzknüppel in Ruhelage ergibt wieder die neutrale Fluglage. Für den Jungfernflug eine Sorge weniger! Natürlich müssen anschließend Schwerpunkt und Ruderstellungen korrigiert werden. Ebenfalls ist FPV (First Person View) möglich, so könnten z.B. Segelflieger in den Alpen bei Verlust des Sichtkontaktes auf Kamerasicht umschalten, direkt auf das Smartphone. Dazu ein Exkurs in die visuelle Technik.
FPV – Kamera- und Video-Equipment
Gerne wird zur reinen Videoaufzeichnung einfach eine GoPro-Kamera an das Modell montiert – sie bringt aber kein Bild zum Piloten! Dezidierte FPV-Kameras können beides. Sie sind auch mit einer Aufnahmefunktion ausgestattet, sodass keine zwei Kameras am Fluggerät mehr verbaut werden müssen.
Hersteller wie z.B. Runcam, Caddx und Foxxer bieten hervorragende Hardware zu überschaubaren Preisen an. Die Caddx LORIS zum Beispiel bietet neben einer Aufzeichnung von 4k/60fps gleichzeitig einen analogen Videoausgang mit sehr geringer Latenz für die Weiterleitung an einen Videosender. Aber auch ohne Aufzeichnungsfunktion im Fluggerät können sehr einfache Kameras verwendet werden, allerdings muss das FPV als Livebild vom Modell zum Benutzer übertragen werden. Hierfür verwendet man Videosender, die meistens im 5,8 GHz Frequenzbereich senden. Derzeit wird immer noch analoge Technik verwendet, da diese die geringste Latenz bietet, was ja für die Livesteuerung eines Modells via FPV unabdingbar ist. Echtzeit also. Die Videosender unterliegen in Deutschland der Beschränkung auf 25 mW Sendeleistung, die auf keinen Fall überschritten werden darf!

Autonomer Kreisflug in konstanter Höhe ist genauso zuschaltbar, wenn man abgelenkt ist oder das Handy klingelt. Auch ein am PC kreierter und gespeicherter Streckenflug kann bei Bedarf autonom abgeflogen werden, das 3D-GPS (Ort und Höhe) macht es möglich. Hierzu ein rechtlicher Hinweis: Die LuftVO ist auf jeden Fall zu beachten. Hierin wird auch klar geregelt, in welchem Sektor, mit welchem Antrieb, Gewicht und Abstand zu Flughäfen und Wohngebieten ein Modellflugzeug betrieben werden darf.
Das 3D-GPS-gestützte System ist außerdem relevant für die damit sehr zuverlässige Geschwindigkeitsüberwachung, z.B. während des Landeanflugs. Kurz vor dem Erreichen der kritischen Mindestgeschwindigkeit, die man in sicherer Höhe erflogen hat, lässt man einen Warnton erklingen. Ohne den Blick vom Modell zu nehmen, gibt man dann kontrolliert mehr Power. Nicht nur für Großmodelle ein ersehnter Sicherheitsgewinn, der manchen Bruch durch einen Strömungsabriss erspart. Puristen können trotz des eingebauten Flight Controllers samt GPS dennoch ganz manuell fliegen – also analog, ohne Helferlein und nur bei Bedarf bestimmte Funktionen zuschalten. Ein beruhigendes Gefühl.
Bezugsquellen und Kosten
In den zahlreichen Communitys werden immer wieder bestimmte Shops genannt, die ein reichhaltiges Angebot haben und zuverlässig liefern. Deren Homepages sind separat aufgeführt, auch geeignet, um sich einmal einen Überblick über die Vielzahl interessanter Komponenten zu verschaffen. Das Unglaubliche zum Schluss oder treffender, der Stoff, aus dem die Träume sind: Die in diesem Artikel aufgeführten Komponenten sind ausnahmslos sehr preiswert. Empfänger und Kameras kosten jeweils ca. 5,- bis 15,- €, ein leistungsstarker Flight Controller keine 50,- €, das kleine GPS-Modul liegt preislich dazwischen.
Fazit
Wie man also an den Funktionen sehen kann, steht das autonome Fliegen als Ziel beim Flächenflieger nicht unbedingt im Vordergrund, sondern das autonome Fliegen wird temporär dann sinnvoll, wenn der Pilot oder das Flugzeug in unerwartete Situationen kommen. Anfänger und Wiedereinsteiger in die Faszination Modellflug können so manchen Absturz verhindern oder Flugfehler autonom korrigieren lassen, wo das eigene Können (noch) nicht ausreicht. Ein problematisch fliegendes Scale-Flugzeug verliert selbst für erfahrene Modellpiloten seinen Schrecken und für schwere Großmodelle nimmt man gerne die Assistenz für die perfekte Landung an.
Community-Homepages
www.fpv-community.de/threads/inav.76287/
www.inavfixedwinggroup.com/guides/building/ar-wing-stock-build
www.dji.com/de/fpv?
Hersteller-Homepages
Flight Controller Software
INAV: https://github.com/iNavFlight/inav/wiki
ARDUpilot: https://ardupilot.org/
Controller, Kameras und GPS
www.mateksys.com
www.caddxfpv.com
www.runcam.com
www.foxeer.com
www.sz-beitian.com/welcomeEng