BAUPRAXIS

Segelflugzeug-Konstruktion von Reinhold Platz


Nach Art der Schiffe

„Ein neuartiges Segelflugzeug“ nannte Reinhold Platz, Konstrukteur der Fokker-Werke und verantwortlich für so berühmte Muster wie die Dr.I und D.VII, seinen Entwurf aus dem Jahr 1922. Während dem Segeln auf dem Fluss der Schelde kam ihm die Idee, das Schiffs-Prinzip „Großsegel plus Focksegel“ auch im Flugzeugbau zu verwenden.

Im Februar 1923 startete der Segler von Reinhold Platz erfolgreich von einer 12 Meter hohen Düne. Die von mir gebaute ferngesteuerte Modellvariante hat eine Spannweite von 1,65 m, also einen Maßstab von 1:4.

Steuerung per Focksegel

Weil das Segeln auf Wasser aerodynamisch gesehen teilweise mit dem Segelflug verglichen werden kann, übertrug er das Konzept in die Fliegerei. Dazu verdoppelte er die Segel im horizontalen Bereich symmetrisch, wobei die Focksegel unabhängig voneinander funktionieren. Für die nötige Flugstabilität bekamen die Masten eine V-Stellung. Um die Querachse wird gesteuert, indem man die die Focksegel nach unten oder oben bewegt, für die Längsachsensteuerung wird das eine Focksegel nach oben angehoben und das andere nach unten bewegt. Ein Seitensteuer erübrigte sich.

Die ersten Versuche…

… unternahm Reinhold Platz mit Papiermodellen. Und diese flogen. Danach baute er ein größeres Modell mit einer Spannweite von 1,30 m und 0,4 m² Flügelfläche, bei einem Gewicht von ungefähr 1 kg und eine Flächenbelastung von 25 g/dm². Nach vier Stunden Bauzeit hatte er das Modell bereits fertig. Anfang November 1922 wurden damit die ersten Testflüge in den Dünen zwischen Vlissingen und Koudekerke durchgeführt. Nach einigen Tage war der korrekte Einstellwinkel der Flügel ermittelt in Kombination mit dem richtigen Schwerpunkt (durch Verschieben von Ballast). Das Modell flog letztlich ohne Höhenverlust im Aufwind der sechs bis acht Meter hohen Dünen. Seine Idee hatte also Erfolg. Das darauf folgende Modell hatte eine Spannweite von 2,5 m und 1,3 m² Flügelfläche. Die Flügel waren jetzt durch Segeltuch ausgebildet. Auch dieses Modell flog. Es war also an der Zeit, eine große Flugmaschine zu bauen.

Das bemannte Erprobungsmuster

Für sein manntragendes Fluggerät hat Reinhold Platz folgende Konstruktionsforderungen festgehalten: 1) Sehr niedriger Anschaffungspreis, er soll in etwa die Kosten eines guten Fahrrads nicht erheblich überschreiten. 2) Kleinstes Packformat, so dass auch der Transport in einem Personenzug möglich ist. 3) Niedriges Gewicht (sollte durch einen Mann getragen werden können) und schnelles und leichtes Aufrüsten. 4) Schnelles und günstiges Tauschen aller Bauteile. 5) Unempfindlichkeit bei der Benutzung und bei Stößen.

Gesteuert wird das Modell durch die servobewegten Arme des Piloten. Genau wie das Vorbild.

Genau so hat sich’s auch Reinhold Platz vorgestellt; das Segeltuch-Modell ist im Transport ultrakompakt.

Mit den bis dahin bekannten konventionellen Segelflugzeugen waren alle diese Bedingungen nicht zu erfüllen. Daher ging Reinhold Platz seine eigenen, neuen Wege. Noch im Jahr 1922 begann er mit dem Bau. Er entschied sich für eine Spannweite von 6,60 m und eine Flügelfläche von fast 16 m². Der vorderste Teil des Rumpfs bestand aus einem gebeugten Stahlschlauch, an dessen Rückseite ein Rundholz-Stück eingebracht war, das als weiterer Rumpf diente. Am rückwärtigen Teil des gebeugten Stahlrumpfs waren an beiden Seiten kurze Stahlrohr-Stücke angeschweißt, in denen die hölzernen Flügelholme steckten. Die Hauptflügelfläche wurde aus drei Segeltuchstücken in Streifen zusammengenäht und die Ränder verstärkt. Die beiden Focksegel hatten zum Vorderrumpf eine Scharnierverbindung über einen Schraubbolzen. Innerhalb von zehn Minuten war die Fläche abgebaut und auf ein Maß von 3,3×0,35×0,25 m zusammengefaltet. Das Gesamtgewicht des Platz-Segelflugzeugs betrug nur 40 kg. Es konnte auf der Schulter mit dem Fahrrad transportiert werden und war in einer Viertelstunde von einem Mann montiert.

Die Testflüge

Ab Januar 1923 fanden die ersten Flüge statt. Zunächst flog man noch ohne Pilot, stattdessen wurden Sandsäcke am Platz des Piloten festgebunden und der Ballast stufenweise auf bis zu 75 kg angehoben. Insgesamt 50 Flüge verliefen zur Zufriedenheit. Selbst bei Außenlandungen im Meer wurden die Flügel nicht beschädigt. Also war die Zeit für die nächste Phase gekommen, das Fliegen mit einem Piloten. Dabei war das Flugzeug zur Sicherheit mit vier Seilen arretiert. Mehrere Piloten mit einem Körpergewicht von 50 bis 100 kg erprobten den Platz-Segler auf diese Weise erfolgreich im Hangaufwind. Im Februar 1923 fand dann der erste freie Flug statt, wobei man von einer 12 Meter hohen Düne startete. Dieser und die folgenden Flüge waren erfolgreich.

Als Modellflugzeug in der Gegenwart

Das Platz-Segelflugzeug ist vielleicht kein Wunder in Sachen Aerodynamik. Aber es hat eine unorthodoxe Steuerung, die besonders einfach umzusetzen ist. Und es gibt wenige vergleichbare Flugzeuge, die mit derart niedrigen Kosten aufgebaut werden können und trotzdem so zuverlässig fliegen. Aus diesen Gründen hat es die Konstruktion von Reinhold Platz verdient, heute in einem neuen Licht betrachtet zu werden. Das gilt auch für Segelflugzeug-Konstrukteure von heute, die nach Perfektion streben. Denn in der Technik wird der Erfolg auch im Verhältnis zwischen Aufwand und Funktionieren beurteilt. Und hier punktet der Platz-Segler ganz besonders. Mich selbst hat die Konstruktion von Reinhold Platz jedenfalls sofort begeistert, vor allem wegen den eleganten Linien dieses Seglers und seiner Einfachheit. Ich wollte ihn unbedingt nachbauen, selbstverständlich ferngelenkt. An Daten und Skizzen kam ich durch die Hilfe des holländischen Aeroclubs und Ton Aarts von Fokker.

Im Maßstab 1:4

Entschieden habe ich mich für einen Maßstab von 1:4, also eine Spannweite von 1,65 m. Als Flügelholm und hinteren Rumpf verwende ich Ø6×4-mm-Kohlefaserrohre. Am vorderen Rumpf ist ein Ø6×5-mm-Messingrohr mit angelötet. Für die Flächenanschlüsse und als hinteres Anschlussrohr kommt Ø4-mm-Stahldraht zum Einsatz. Das dreieckige Segeltuch hat auf allen Seiten einen Saum bekommen, in den die Ø6×4-mm-Kohlefaserrohre oder Spanndrähte passen. Selbstverständlich gehört ein Pilot in dieses Modell. In seinem Bauch ist Raum für zwei Servos, den Empfänger und den Akku. Die Steuerungsfunktion ist über die Pilotenhände realisiert: Zwei Hände hoch gestreckt bedeutet weniger Einstellwinkeldifferenz, also geht die Maschine nach unten. In den Kurven drückt eine Hand hoch, die andere zieht. Dort, wo der Pilot sitzt, befindet sich der Schwerpunkt. Also fertig für den ersten Handstart!

Per Hochstarthaken starte ich den Platz-Gleiter bei mir in der Ebene.

Fliegt das RC-Modell?

Anfangs verliefen die Flüge – eine fragliche Bezeichnung angesichts der längsten Flugzeit von rund vier Sekunden – gar nicht nach Wunsch. Der Hochstart mit kurzer Schnur sah meist so aus: Ruhig hoch mit flatterndem Flügel und danach ohne Ausklinken am Seil wieder nach unten. Einige Male fiel das Seil doch aus dem Haken: Es folgte ein sehr, sehr kurzer Segelflug mit einer geringen Vorwärtsgeschwindigkeit. Und der Kurvenflug war ein großes Problem. Manchmal drehte der Platz-Segler schon beim Hochstart weg und tauchte dann in den Boden ein. Die Folge: Das vordere Messingrohr verformte sich und musste immer wieder neu ausgerichtet werden. Ein akzeptabler Flug blieb eine Illusion. Irgendwann im Frühjahr bin ich mit meinem Modellflugverein zum Hangfliegen an die Wasserkuppe gereist. Ideal, um den Segler in seinem ihm zugedachten Gefilde – am Hang – zu testen. Und es war erkenntnisreich: Nach dem Werfen ging das Modell fast immer von alleine in einen Looping. Also stimmten die Einstellwinkel nicht. Eine vernünftige Anpassung vor Ort war jedoch nicht möglich.

Ein neuer Versuch

Wieder zuhause angekommen, baute ich mir noch ein kleineres Freiflug-Experimentalmodell aus Balsaholz, an dem ich ganz einfach die Einstellwinkel und den Schwerpunkt verändern konnte: Die EWD per Stellschraube und den Schwerpunkt mit kleinen Bolzen als Gewicht. Damit hatte ich Erfolg und konnte die Erkenntnisse auf mein größeres RC-Modell übertragen. Den Drehpunkt der Vorflügel verschob ich dabei etwas nach unten, den Vorderrumpf habe ich nochmal neu und steifer gebaut. Und schon war der Platz-Segler wieder bereit für die nächsten – jetzt sogar erfolgreichen – Flüge: Beim Hochstart bekam ich ohne Ausbrechtendenzen eine gute Ausgangshöhe, der Kurvenflug funktionierte auch. Vorbei war auch das Flattern des Segeltuchs. Nur die Flugzeit blieb bislang überschaubar: maximal eine Minute mit 40 Metern Seillänge. Lehrreich und spannend waren diese Versuche mit dem „neuartigen Segelflugzeug“ von Reinhold Platz aber allemal.

Mit diesem Freiflug-Balsamodell habe ich die korrekte Einstellwinkeldifferenz und den Schwerpunkt letztlich ermittelt.
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