

KLEINES ROTES
Pitts Special S1-S von MACHflight
Die Idee zu dieser kleinen Pitts entstand aus den Überresten meines UMX-Beasts. Die Zelle war hin, die Elektronik aber unversehrt. Also wurden die Komponenten den sterblichen Überresten entnommen – und sie verschwanden erstmal in den Katakomben meines Ersatzteilelagers. Doch die Idee, den Innereien wieder zu einer würdigen Hülle zu verhelfen, stand bereits fest. Nur, was endlich gut werden will, soll manchmal lange währen.
MANUEL MAURER
Vom Hinschied meines Beasts bis zur Geburt des neuen Bodys dauerte es Monate oder besser Jahre. Erst war da noch eine Heirat und die Geburt eines Jungen in homosapischer Hinsicht. Und die ganze Zeit über bewegte sich in meinem Kopf die Idee einer Pitts in bewährter Balsaholzbauweise...
Der Prototyp

Es war irgendwann im Herbst 2017. Der Bauplan eines Freiflugmodells mit Gummimotor diente als Orientierung. Eingescannt und auf die richtige Größe skaliert, ergab sich die Spannweite von rund 400 Millimeter. Mit Laubsäge und Balsamesser arbeitete ich jedes Rippchen, jeden Holm und jeden Spant heraus. Der Zusammenbau machte deutlich mehr Spaß als das Schnippeln. Rumpfrücken, Motorhaube und Flügeloberseite zwischen Nasenleiste und Hauptholm wurden mit 0,4-mm-Sperrholz beplankt. Diverse Details wie Querruder, Motorträger, Akkufach und Konsolen, die der Aufnahme der RC-Anlage dienen sollen, kamen hinzu. Am Ende stand ein hübscher kleiner Rohbau auf dem Brett. Eigentlich zu schön, um unter einer Bespannung zu verschwinden.
Zum Bespannen verpasste ich meinem Lötkolben einen niedlichen Messingfuß. Damit ließ sich die Folie ziemlich gut auch in den kleinsten Winkel des Winzlings legen. Der Einbau des Motors und der RC-Anlage ging nicht ohne das gewohnte Gefummel vonstatten. Doch mit Spitzzange und Pinzette gelang es schlussendlich doch. Die Cockpithaube stellte ich aus einer 0,5-dl-PET-Flasche her. Mit einem 350-mAh-Akku sah der Schwerpunkt schon ordentlich aus, ohne zusätzliches Blei in der Nase. Die Waage zeigte satte 130 Gramm am. Etwas viel im Vergleich zum geschäumten Bruder von E-flite. Schon jetzt war klar: Da gibt‘s noch ordentlich Optimierungspotenzial.
Erstflug und Finish
An einem sonnigen Oktobertag im Jahr 2017, irgendwo oberhalb von Bergün in den Bündner Alpen auf einem Bergsträßchen: Vor mir stand eine winzige, knallrote Pitts Special. Allerdings noch ganz ohne Detail-Finish, Flügelverspannung und Decals. Diesen Aufwand wollte ich erst nach dem Erstflug investieren. Man weiß ja nie. Es war windstill an jenem Morgen. Ein letzter Rudercheck – und da war es wieder, dieses Gefühl. Ein paar wertvolle Arbeitsstunden sollen ihrem Element übergeben werden.
Durchatmen, Gas rein – und hoch damit! Ein paar Zacken Tiefen- und Seitentrimm... wenden, Gegenanflug, Looping, Rolle links, Rolle rechts, Turn, Rückenflug. Es funktionierte. Auch die Landung gelang sanft. Eine erste Auswertung ergab folgendes Fazit: Schwerpunktlage fürs Erste in Ordnung, Motorzug und -sturz zu knapp, Leistung ausreichend für klassischen Kunstflug. Die Ruderausschläge lassen sehr enge Manöver zu und ergeben eine schnelle Rollrate. Auch das AS3X-Stabilisierungssystem arbeitet hervorragend, als ob es nie in einem anderen Körper gesteckt hätte.
Ich war zufrieden und konnte mich dem farblichen Finish zuwenden. Mit Abdeckband von Tamiya, Pinsel und Emailfarben von Revell machte ich mich an die Arbeit. Hätte ich gewusst, dass die Pitts so gut fliegt, hätte ich das Finish schon vor dem Zusammenbau angebracht. Nun war Fingergymnastik angesagt. Und Geduld. Die Freude am Resultat entschädigte jedoch allen Aufwand.

Von analog zu digital
Nun hätte man‘s ja damit gut sein lassen können. Ich hatte jedoch Lust auf mehr. Oder besser gesagt auf weniger – weniger Gewicht. Die Stabilität der Zelle war übertrieben hoch, so dass sie noch einiges an Gewichtsoptimierung vertrug. Aber all die Mühe noch einmal? Wenn schon, denn schon! Ich griff zum Telefon und rief meinen Freund Chrigu an. Ein Treffen im Berner Seeland folgte und Chrigu war im Boot. Die Fortsetzung nahm ihren Lauf und der Bauplan wechselte den Kanton. Chrigu beherrscht die Kunst des CAD. Es dauerte nicht lange und ich konnte mit dem Mauszeiger meines MacBooks die Pitts um alle Achsen drehen und bestaunen. Für mich als Laie immer wieder a faszinierend.

Ich war in der komfortablen Lage, Wünsche anzubringen. Chrigu setzte sie geduldig um. Getreu dem Motto „Wir ändern selbst die Änderungen“ wurde entworfen, verworfen, unverschämt gewünscht und manchmal nochmal alles von vorn. Bekanntlich kommt der Appetit mit dem Essen. Ein Wunder, dass Chrigu überhaupt noch mit mir spricht. Ich muss wohl einen riesigen Stein in seinem Brett haben. Vielen Dank auch an dieser Stelle, treuer Kamerad!

Und dann, eines Tages in dieser Phase teilte Chrigu mir in aller Seelenruhe mit, dass seit Neuestem in seiner kleinen Wohnung in einer Ecke des Wohnzimmers eine Lasermaschine stehe... Irgendwann im Frühjahr 2018 erhielt ich per Post ein schmuckes, kleines Paket. In den Händen hielt ich fein säuberlich verpackt den ersten Bausatz. Noch ohne Bauanleitung, aber mit detaillierten Bauplänen, 3D-Druckteilen und fein säuberlich gelaserten Bauteilen. Ich muss schon sagen: Die Begeisterung meinerseits war groß. Und spätestens jetzt ließ sich das Potenzial einer Kleinserie nicht mehr leugnen.

Erstes Serienmodell
Der Zusammenbau der ersten gelaserten Version entstand nach einer längeren Pause im Frühjahr 2019 und diente der Überprüfung der Passgenauigkeit. Anhand dieses Modells entstand dann auch die Lochschablone, die dem Anbringen der Löcher für den Baldachin in der Beplankung dient. Diese Pitts beließ ich im Rohbau und überreichte sie als Dankeschön dem Chrigu. Seither steht sie bescheiden im Regal und erinnert an die Anfänge.
Im Winter 2019/20 erhielt ich von Chrigu den ersten serienreifen Bausatz, bei dessen Aufbau ich jeden Bauschritt fotografisch dokumentierte und schriftlich protokollierte. Hier war Ausdauer und Präzision gefragt. Beschreiben, was zu tun ist, nachdem es schon zum dritten Mal getan wurde, entbehrt jeglicher Spannung und war eine mühsame Notwendigkeit auf dem Weg zu unserer Vision. Doch wie schon gesagt, was lange währt...
Das klassische Kunstflugdesign mit den hübschen weißen Streifen und den schwarzen Rändern ließ sich übrigens vor dem finalen Zusammenbau deutlich effizienter bewerkstelligen. Nach dem Zusammenfügen der einzelnen Bauteile und nach dem Finish wurde gewogen: 98 Gramm Abfluggewicht. Das ist doch mal eine deutliche Reduktion. Nun war ich aber gespannt.

Zweiter Erstflug
„The same procedure as every year, James!“ Gas rein und hoch damit. Das geht aber flott! Die Abspeck-Kur ist deutlich spürbar. Und das Flugverhalten erinnert mich an das Beast. Zu erwähnen ist allerdings, dass während des ganzen Prozesses der ursprüngliche Motor durch einen stärkeren 3.000-kV-Antrieb ersetzt wurde. Auch Zug und Sturz stimmen besser. Auf dem Rücken ist deutlich weniger Nachdrücken nötig und Messerflüge gelingen bereits mit Halbgas. Der Schwerpunkt liegt mit dem 300-mAh-Akku etwas weit hinten, mit einem 350er Akku dagegen etwas weit vorne. Fliegen tut‘s aber mit beiden Varianten grundsätzlich gut. Wer sicher gehen will, gibt beim 300er Akku ein bis zwei Gramm Blei in die Nase.


Und die Emotionen? Die gehen hoch! Der lange, beharrliche Weg hat sich gelohnt. Die kleine Pitts hat inzwischen schon unzählige Flüge auf dem Buckel. Sie hat mir auch während der Corona-Zeit das Fliegen ermöglicht, weil ich auf keinen Flugplatz angewiesen war. Am liebsten fliege ich sie frühmorgens vor der Arbeit. Wenn die Sonne aufgeht und die Luft noch völlig ruhig ist – danach erscheine ich jeweils schon frühmorgens in bester Stimmung auf der Arbeit.

MACHflight
Nun, auch damit ist die Geschichte noch nicht zu Ende. Schließlich beinhaltete die Idee auch den Aspekt der Serienfertigung und des Verkaufs. Chrigu produzierte die ersten 20 Stück. Und ich kümmerte mich um die ersten potenziellen Abnehmer. Der RC-Modellbauprofi in Winterthur beriet mich beim Ermitteln eines angemessenen Preises. Im Gespräch mit ihm kam auch heraus, dass sich der Aufwand lohnen müsste, eine Kabinenhaube in PET-G zu produzieren und beizulegen (in der Bauanleitung verwiesen wir noch auf die Möglichkeit, diese aus einer PET-Flasche selbst herauszuschneiden).

Um unser bescheidenes Produkt an den Kunden zu bringen, kamen wir nicht umhin, unserer Idee einen Namen zu geben. MACHflight. „MA“ für Manuel, „CH“ für Chrigu und „flight“ für unsere Passion. In der Folge entstanden Webpage, Youtube- und Instagram-Kanal. Unsere Hoffnung beruht auf der Annahme, dass es anderen Piloten ähnlich geht wie mir damals mit dem toten Body und den intakten Komponenten. Im Sinne von Nachhaltigkeit wollen wir an dieser Stelle ermutigen, eigene kreative Wege zu gehen. Und warum nicht mal wieder ein Modell in Balsaholz-Bauweise? Ein weiteres Flugzeug ist bereits in der Testphase. So viel sei verraten.

