

DIE GIER NACH TEMPO
Eigenbau der Lockheed SR-71 von Daniel Gyr
Welches Flugzeug flog schneller über den Nordatlantik, die Concorde oder die Lockheed SR-71? Die maximale Geschwindigkeit der Concorde betrug 2.405 km/h, die SR-71 erreichte 3.529 km/h – womit diese Frage beantwortet wäre. Die Faszination der SR-71 beschäftigt nicht wenige Modellbauer. Einer dieser „Angefressenen“ ist Daniel Gyr aus dem Schweizer Oberägeri. Bevor er sich an den Bau der eigentlichen SR-71 wagte, baute Daniel drei SR-71-ähnliche Prototypen, um Erfahrungen im Umgang mit diesem doch speziellen Flugzeug zu sammeln. Ich hatte die Gelegenheit, ihn zu besuchen und mit ihm über die Entwicklungsgeschichte dieses außergewöhnlichen Modells zu sprechen.
FOTOS: DANIEL GYR, BEAT EICHENBERGER
ZUM ORIGINAL
Das zweistrahlige US-Aufklärungsflugzeug SR-71 absolvierte 1964 seinen Erstflug. Insgesamt wurden 32 Maschinen hergestellt und von 1966 bis 1998 eingesetzt. Die Maschinen flogen so hoch und schnell, dass sie von den damaligen Boden-Luft-Raketen nicht abgeschossen werden konnten. Schon an der Form der Blackbird konnte man die Geschwindigkeit erahnen, mit dieser und der speziellen Beschichtung wurde aber auch versucht, die Radar-Reflektionsflächen zu reduzieren. Die Länge der SR-71 betrug 32,74 m, die Spannweite dagegen nur 16,74 m, die maximale Geschwindigkeit betrug sagenhafte 3.529 km/h. Die Besatzung bestand aus einem Piloten und einem Reconnaissance System Officer (Aufklärungs-Offizier).

FMT: Daniel, kannst du uns kurz etwas über deine Person verraten.
Daniel Gyr: Ich bin 53 Jahre jung und von Beruf Möbelschreiner. Als Sohn von Meini Gyr (Mirage-Modell-Vater der Schweiz) kam ich natürlich sehr früh in Kontakt mit der Modellflugszene. Nach einer Unterbrechung, in der mich Mopeds, Motorräder, Autos usw. mehr interessierten, fand ich vor 14 Jahren zurück zum Modellflughobby.
FMT: Daniel, welche Sparten des Modellfluges betreibst du hauptsächlich?
Daniel Gyr: Ich fliege allgemein gern alle Modelle, die schnell sind, wobei der Antrieb egal ist. Eine besondere Vorliebe habe ich allerdings für die Deltas, was wohl an den Genen liegt.

FMT: Warum hast du dir ausgerechnet die Lockheed SR-71 als Modell gewählt? Dies ist doch alles andere als ein einfach zu bauendes Modell, geschweige denn zu fliegen.
Daniel Gyr: Mich hat vor allem die Geschichte der SR-71 Blackbird fasziniert.
FMT: Bevor du dich an den Bau der eigentlichen SR-71 gewagt hast, hast du ja zuerst drei Testflugzeuge gebaut, um dich mit der besonderen Auslegung dieses Flugzeuges vertraut zu machen und um Erfahrung im Umgang damit zu sammeln. Kannst du uns etwas über diese Modelle verraten?
Daniel Gyr: Die SR-71 ist eine ganz spezielle Konstruktion. Da ich keinerlei Anhaltspunkte hatte, auf die ich zurückgreifen konnte, habe ich zuerst drei Modelle als Versuchsträger gebaut. Bei jedem habe ich vor dem Bau ein Pflichtenheft erstellt, was ich bei diesem Modell testen wollte. Diese Erkenntnisse sind dann ins nächste Modell eingeflossen.

FMT: Dann bist du nach dem Prinzip „learning by doing“ vorgegangen. Ein immenser Aufwand.
Daniel Gyr: Das kann man so sagen.
FMT: Kannst du uns etwas mehr über deine Versuchsträger verraten?
Daniel Gyr: Beim ersten Modell, von mir „SR-72“ genannt, habe ich die Geometrie und ca. 80% der Rumpffläche übernommen. Als Baumaterialien verwendete ich Balsa, Sperrholz und Oracover. Den Schwerpunkt ermittelte ich zuerst mit Gleitflügen. Die Flugeigenschaften sind gut aber die Sichtbarkeit von vorn ist problematisch wegen der Silhouette. Es handelt sich um einen Pusher. Mit 3s-LiPo erreichte ich eine Geschwindigkeit von ca. 200 km/h.

FMT: Was hast du beim zweiten Modell geändert?
Daniel Gyr: Dann bin ich auf den Impellerantrieb umgestiegen. Das zweite Modell war die „Espada“, was Schwert oder Degen in spanischer Sprache bedeutet. Dieses Modell hatte die Original-Abwicklung der Flächengeometrie und war der Versuchsträger, um die Schubachse der beiden Impeller zu bestimmen. Es erhielt 2 Hoffmann-55er-Impeller mit 4s-LiPo. Die Bauweise glich der „SR-72“. Die Geschwindigkeit war genügend…
FMT: Dann fehlt noch der Dritte im Bunde.
Daniel Gyr: Der dritte und letzte Versuchsträger war meine „Vanquish“. Vanquish ist das englische Wort für siegen oder besiegen. Langsam näherte ich mich meinem großen Ziel. Diese war das erste Modell mit eigenem Profil. Die Rumpffläche wurde gegenüber dem Original wieder reduziert. Die Aerodynamik ist sehr gut, wobei ich beim genauen Schwerpunkt immer noch am Optimieren bin. Bei der Bauweise habe ich nebst Balsa, Sperrholz und Oracover erstmals auch Styropor eingesetzt. Als Impeller verwende ich einen Amacker 120er mit 12s-LiPo. Die Geschwindigkeit liegt über 300 km/h. Die Landeeinteilung muss perfekt sein, da das Modell ausgezeichnete Gleiteigenschaften hat.
FMT: Und jetzt warst du bereit, dich an den Bau der SR-71 zu wagen. Gab es nebst den nun gemachten Erfahrungen noch weitere Grundlagen für deinen Nachbau?
Daniel Gyr: Als Basis diente ein Revell-Baukasten und eine 3-Seiten-Ansicht aus dem Internet sowie natürlich die vielen Erkenntnisse aus den Testmodellen.

FMT: Wie ging es dann weiter?
Daniel Gyr: Wenn man sich an den Nachbau eines bestehenden Flugzeuges wagt, muss man sich zuerst Gedanken über die Platzverhältnisse im Bastelkeller und die Transportmöglichkeiten zum Modellflugplatz machen.
FMT: Welchen Maßstab hast du gewählt?
Daniel Gyr: Maßstab 1:12. Dies ergibt eine Spannweite von 1,42 m und eine Länge von 2,73 m ohne Pitotrohr. Da das Modell zum Transport nicht zerlegbar ist, d.h. am Stück gebaut ist, entsprechen diese gleich den Transportmaßen.

FMT: Und dieses Ungetüm hat Platz in deinem Auto?
Daniel Gyr: Na klar, in meinem „VW-Büssli“ hat so einiges Platz. Die Herausforderung beim Einladen ist nicht die Länge, sondern die Spannweite. Hier braucht es einige Tricks, dann klappt das Laden ohne Probleme und mit 2 cm Reserve in der Breite.

FMT: Welche Baumaterialien hast du verwendet?
Daniel Gyr: Da ich schon von Berufes wegen gerne mit Holz arbeite, kam für mich eigentlich nur wieder die Balsa-Sperrholzbauweise in Frage. Zur äußeren Formgebung kamen wie bei der „Vanquish“ noch geschnittene Styroporteile dazu.
FMT: Ich habe deine Schneideschablonen und die Spantensätze gesehen. Diese haben teilweise äußerst komplizierte Formen. Wie bist du zu diesen Umrissen gekommen?
Daniel Gyr: Einerseits habe ich einige Rumpfquerschnitte im Internet gefunden, und anderseits habe ich ein Revell-Modell in Scheiben geschnitten (Salamitaktik!). Diese habe ich dann miteinander verglichen. Diesen Cocktail mischte ich mit meinen Erfahrungen aus den Testmodellen und so sind dann die Schablonen und Spanten entstanden. Die einzelnen Styroporsegmente habe ich mit einem Kollegen freihändig geschnitten.

FMT: Welches Profil hast du verwendet?
Daniel Gyr: Eigenkreation auf der Basis meiner Testmodelle.

FMT: Wie ging es dann weiter?
Daniel Gyr: Da die tragenden Elemente aus einer Holzkonstruktion bestehen, mussten die dafür notwendigen Teile zunächst mit der Laubsäge aus Sperrholz sorgfältig ausgeschnitten werden. Dieses Holzgerüst ist verantwortlich für die Aufnahme aller wirkenden Kräfte. Die Styroporteile dienen ja nur zur äußeren Formgebung. Nachdem ich alle Teile beisammen hatte, musste das ganze Puzzle noch zusammengeklebt werden. Ein ausreichend großes Baubrett, welches fast meinen Bastelkeller sprengte, diente als Baugrundlage. Es war wichtig, dass dieses absolut plan war, damit sich ja kein Verzug beim Bau einschleichen konnte.

FMT: Welche Kleber hast du verwendet?
Daniel Gyr: Weißleim und PU-Kleber waren die Mittel der Wahl.

FMT: Gerne möchte ich noch etwas wissen über das Holzgrundgerüst.
Daniel Gyr: Im Grunde genommen bildet dieses ein großes Kreuz. Im Längsschenkel sind das Bugfahrwerk, alle Akkus und die elektronischen Komponenten untergebracht. Im Querschenkel sind innen die beiden Einziehfahrwerke befestigt. Im äußeren Teil befinden sich die beiden Impeller. Vor und hinter diesen Hauptträgern habe ich noch kleine Sperrholzspanten angebracht, welche die beiden Triebwerksgondeln abstützen. Diese sind dann nicht etwa gerade, sondern wie beim Original leicht geschwungen.

FMT: Eine zusätzliche Herausforderung an deine Baukunst! Gehen wir noch etwas ins Detail. Ein ganz wichtiger Punkt ist die Schubachse. Kannst du uns dazu noch etwas verraten?
Daniel Gyr: Wie ich schon erwähnte, habe ich bei meinem Testmodell „Espada“ Erfahrungen über den Einfluss der Schubachse auf die Flugleistungen gesammelt. Diese Ergebnisse habe ich nun beim Bau der SR-71 nutzen können. Die beiden Schubrohre habe ich aus einer Fotofolie hergestellt. Die beiden Impeller sind außen zwischen den beiden Hauptspanten abnehmbar angebracht. Der Zugang geschieht über einen Deckel. Durch diese Öffnung kann ich bei herausgenommenem Impeller die Schubrohre einsetzen. Die vordere Position ist durch den Impeller gegeben. Beim Heckauslass kann ich anhand von Stellschrauben die Schubachse aber noch justieren.

FMT: Stichwort Einziehfahrwerke – welches Fabrikat verwendest du?
Daniel Gyr: Die Einziehfahrwerke entstanden aus einer Kombination der Elektron ER 50-Mechaniken mit Fahrwerksbeinen von Behotec. Diese hat mir mein Freund Michi Stürmer auf eine Doppelbereifung umgebaut. Dass ich natürlich auch Radbremsen im Einsatz habe, ist bei diesem Gewicht ein Muss.
FMT: Wo bringst du die nicht unwesentliche Anzahl von insgesamt 24 LiPo-Zellen mit 7.400 mAh unter?
Daniel Gyr: Jeder Impeller hat seine eigenen 12 LiPo-Zellen. Diese werden in zwei separaten Aufnahmekästen im Längsträger, nahe bei den Triebwerken untergebracht. Dadurch haben sie kurze Leitungen. Mit über 2 kg Gewicht setzt das eine stabile Konstruktion voraus. Die beiden Regler befinden sich übrigens auf der Unterseite des Modells an der frischen Luft.






FMT: Die nach innen geneigten beiden Seitenleitwerke sind ein Markenzeichen für die SR-71. Beim Original sind diese als Pendelleitwerke ausgeführt. Wie hast du dies beim Modell gelöst?
Daniel Gyr: Die Seitenleitwerke sind fix auf die Triebwerksgondeln geklebt. Der Nutzen einer Ansteuerung stand bei mir in keinem Verhältnis zum Aufwand.
FMT: Bei jedem Flugzeug, ob groß oder klein, ist die richtige Position des Schwerpunktes ein matchentscheidender Faktor. Nach welchen Kriterien hast du den Schwerpunkt ermittelt?
Daniel Gyr: Den Schwerpunkt habe ich einerseits gerechnet und anderseits auch meine Schlüsse aus den Erfahrungswerten meiner Eigenbaudeltas gezogen.

FMT: Wie hast du das Oberflächenfinish gemacht?
Daniel Gyr: Für das ganze Modell habe ich 12 m Oracover-Folie gebraucht. Als „Schnittmuster“ diente mir das Revell-Modell. Die zugeschnittenen Folienstücke habe ich entsprechend dieser Vorlage positionsgerecht aufgeklebt. Die Überlappungen imitieren sehr gut die Blechstöße. Die Decals sind Wasserschiebebilder von Tailormadedecals, die Signatur und Lüftungsgitter stammen von Patschbo.

FMT: Wie steuerst du die Ruderflächen an? Hast du einen Kreisel eingebaut?
Daniel Gyr: Ich setze den Deltamischer bei meiner Futaba T18SZ ein. Einen Kreisel brauche ich nicht. Schnelle Finger und die richtige Aerodynamik genügen vollauf.

FMT: Wie lange hast du am ganzen Projekt gearbeitet?
Daniel Gyr: Ab dem Jahre 2015 habe ich die Stunden nicht mehr gezählt. Geschätzt sind es wohl etwa 2.500 Stunden.
FMT: Wann findet der Erstflug statt?
Daniel Gyr: Das Modell ist komplett fertig und bereit für den Erstflug. Infolge der Coronakrise sind allerdings die Einschränkungen noch spürbar. Sobald diese genügend gelockert werden, will ich den Erstflug wagen.
FMT: Dazu wünschen wir dir viel Glück und schnelle Finger. Eine kurze Rückmeldung vom geglückten Erstflug würde unsere Leser sicher freuen. Herzlichen Dank für das Interview.

Lockheed SR-71 Blackbird
Maßstab: 1:12
Spannweite: 1.420 mm
Rumpflänge: 2.730 mm ohne Pitotrohr
Abfluggewicht: 16.950 g
Impeller: 2× Amacker 120 mm, 10-Blatt-Rotor
Motoren: 2× Leomotion 5038-700
Regler: 2× 160A-Castle Phoenix Edge HV 160r
Akku: 4× Leomotion 7.400 mAh 6s2p 30C als 2× 12s2p geschaltet
Einziehfahrwerk: Electron ER 50
Fahrwerksbeine: Behotec mod.
Servos: 4× KST HV BL 5025 im Flügel sowie ein Standard-Servo für das Bugrad