EIGENBAU

Nieuport VI H im Maßstab 1:6, Teil 3


DEPRON-KUNSTWERK

In Details wie die Benzin- und Öltankverschlüsse, den Gashebel und den Steuerknüppel hat Wolfgang Braun acht Stunden Bauzeit investiert, in die historische Pilotenmütze flossen zwei Stunden. Ja, in diesem Depronmodell steckt eine Menge Arbeit – und das sieht man diesem Kunstwerk an. Im letzten Teil der Artikelserie stellt unser Autor das Finish und die Entstehung der vielen Scale-Elemente vor – und dann geht’s endlich in die Luft mit der Nieuport VI H.

Das Finish

Die erste Dose Sprühlack aus dem Baumarkt hatte für das gesamte Modell gereicht. Für die notwendige zweite Lackierung der neu bespannten Tragflächen nahm ich eine als Reserve gekaufte, identisch aussehende Dose. Erst beim späteren Zusammenstecken des Modells bemerkte ich einen Farbunterschied zwischen Rumpf und Flächen. Zum Glück fand ich im Baumarkt noch eine (die letzte) Dose des Lacks. Eine anschließende Probelackierung im Garten führte zu einer gelben Hand und zu einem großen gelben Fleck im Rasen. Die ganze Dose – nicht etwa nur der Sprühkopf – war defekt! Ich rief die Herstellerfirma an, wobei es mir gelang, das Mitgefühl einer netten Mitarbeiterin zu wecken. Nach etwa zehnminütiger Unterbrechung unseres Telefonats rief sie mich zurück und berichtete mit erhöhter Atemfrequenz (das ist nicht übertrieben!), dass sie im Lager noch drei der fraglichen Farbdosen gefunden habe. Schon am nächsten Tag waren die Dosen bei mir, versandkostenfrei und zum Händlereinkaufspreis.

Wenig später war die Nieuport einfarbig so gelb, wie ich sie haben wollte und mein Lackierstress Geschichte. Schattierungen, Lichteffekte, Gebrauchs- und Alterungsspuren erzeugte ich erstmals mit einer Kombination aus Patinaöl und -farbe. Den Tipp dazu hat mir Kurt Stein gegeben: Das Öl-/Farbgemisch trägt man mit einem Pinsel auf, lässt es eine Weile einwirken, wobei sich Pigmente in Vertiefungen absetzen, und verstreicht es mit einem weichen Schwamm. An einigen Stellen setzte ich auch eine Lasur aus Klarlack und pulverisierter Pastellkreide ein, etwa um das bebügelte Nahtband mit Nahtimitation auf den Tragflächen wieder dezent hervorzuheben. Den Menz-Propeller rundete ich ab, presste in den äußeren Bereich mit einem Röhrchen eine Nietenimitation, lasierte ihn innen mahagonifarben und lackierte ihn außen mit Alu-Lack.

Geradezu beängstigend real wirkt mein 1:6er Pilot. Mit Ihrer Vermutung, den Typen (Jason Statham) in Hauptrollen verschiedener Action-Filme schon mal gesehen zu haben, liegen Sie übrigens richtig.

Bei meiner Suche nach geeigneter Bekleidung war ich erstaunt, wie viele Bekleidungsstücke man im Maßstab 1:6 zu erschwinglichen Preisen kaufen kann. Meine Frau half mir bei der Auswahl. Ich finde, dass sich der Pilot (angezogen) sehen lassen kann. Die Schuhe sind übrigens aus echtem Leder.

Bei www.pinterest.com habe ich ein geeignetes Schnittmuster für die Flatcap des Piloten gefunden. Skaliert auf den Maßstab 1:6, fertigte ich schließlich aus Kunstleder eine Kopfbedeckung, die den früher von Piloten getragenen Mützen ziemlich ähnlich sieht.

Die Scale-Details

Die Tragflächenverspannung und die Steuerseile (kunststoffummantelter Edelstahldraht) waren, bevor ich sie günstig auf einem Flohmarkt ergatterte, für die Herstellung von Modeschmuck vorgesehen. Als Motorattrappe verwendete ich zwei Le-Rhône-Rotary-Engine-Kits von Williams Brothers, die ich so modifizierte, dass sie dem Gnôme-Motor des Originals möglichst ähnlich sehen.

„Bekommt das Flugzeug auch einen Pilot?“, fragte meine Frau. Drei Wochen später kam ein Päckchen aus China an, in ihm eine unglaublich realistisch wirkende Nachbildung des Kopfes von Jason Statham im Maßstab 1:6. Es folgten weitere Päckchen mit Jacke, Hose, Handschuhen und Schnürschuhen aus echtem Leder, mit Unterstützung meiner Frau ausgesucht. „Bekommt der Pilot auch eine Mütze?“ – Mein „Aber ja doch“ war etwas voreilig, denn ich konnte nirgends eine 1:6-Flatcap (Schiebermütze), wie sie die damaligen Piloten trugen, finden. Auf www.pinterest.com entdeckte ich zumindest das Schnittmuster einer Flatcap. Etwa zwei Stunden später hatte Jason eine Mütze, deren Einzelteile ich aus einer ausgemusterten Kunstleder-Handtasche herausgeschnitten und mit UHU por zusammengeklebt hatte. Die Windschutzscheibe, Cockpiteinfassung und der Pilotensitz waren eine leichte Übung, ebenso wie die dünnwandig abgedrehten Benzin- und Öltank-Einfüllstutzen in der Motorhaube. Die letzten Baustunden widmete ich Anfang Juni 2017 dem Cockpit. Nach Bildern einer in einem schwedischen Museum zu sehenden Nieuport IV stellte ich aus Alu-, Messing-, Kunststoff- und Holz-Kleinteilen ein Zeigerinstrument, einen Gashebel, einen Steuerknüppel, eine Tankattrappe und eine Benzin-/Ölanzeige her.

Die beim manntragenden Vorbild durch die Bespannung sich abzeichnenden bzw. schimmernden Gurte, Spannseile, Schatten und Schmutzschlieren imitierte ich mit eingefärbtem Patinaöl, das ich mit einem Pinsel aufgetragen und nach kurzer Einwirkzeit mit einem Schwamm verstrichen habe.

Zwei Le-Rhône-Rotary-Engine-Kits von Williams Brothers modifizierte ich durch Drehung der Zylinder, Weglassen der Ansaugkrümmer und Montage von Stößelstangen so, dass sie dem Gnôme-Motor des Originals möglichst ähnlich sehen. In die nicht äußerlich sichtbaren Rückseiten der Zylinder habe ich große Öffnungen gefräst, damit Kühlluft durch das Kurbelgehäuse strömen kann.

Aus Alu-Blech fertigte ich mittels Dreh- und Tischbohrmaschine die beim Vorbild vor dem Propeller angebrachte Metallscheibe und komplettierte diese mit 2-mm-Senkschrauben/-muttern. Zu erkennen ist auch, dass ich das Innenteil des Propellers mahagonifarben lasiert habe – mit Klarlack und pulverisierter Pastellkreide.

Aus Aluminiumblech und einem kurzen Mes-sing-Rundling fertigte ich mit Hilfe einer Feinschnittsäge und einer kleinen Drehmaschine die 15 Einzelteile des Gashebels.

Nach Fotos vom Cockpit einer Nieuport IV, die in einem schwedischen Museum ausgestellt ist, montierte ich den Gashebel und fertigte aus Holz, Papier und Kunststofffolie das Zeigerinstrument. Dessen Holzgehäuse lackierte ich mit Messing-Lack.

In den Benzin- und Öltankverschlüssen auf der Motorhaube, dem Zeigerinstrument, dem Gashebel und dem Steuerknüppel stecken insgesamt acht Stunden Zeichnen, Drehen, Biegen, Schleifen und Lackieren. Arbeiten, die sich – wie ich finde – gelohnt haben.

Zu guter Letzt stattete ich das Cockpit mit einer Tankattrappe aus dünnem, messingfarben lackiertem Litho-Blech und einer Kraftstoff- und Ölanzeige mit Zuleitungen aus. Als Schaugläser verwendete ich LEDs, als Leitungen dünnes Messingrohr.

Start-, Flug- und Landeeigenschaften

Zum ersten Mal setzte ich die noch nicht ganz fertige Nieuport während des Wasserflugtreffens am Edersee im Mai 2016 ins Wasser. Zu meiner Freude war die Wasserlinie auf Anhieb vorbildgetreu. Jetzt musste sie „nur“ noch gut starten, fliegen und landen. Das wollte sie allerdings mit meinen anfänglichen Ruderausschlägen und Steuervorgaben nicht.

Mit eingetauchtem Heckschwimmer ist es nahezu unmöglich, zu manövrieren. Um Kurven fahren zu können, muss ein Seitenruder-Vollausschlag mit kurzen Gasstößen kombiniert werden, damit sich der Heckschwimmer aus dem Wasser hebt. Die Nieuport kommt schnell ins Gleiten, braucht mit zunehmender Geschwindigkeit aber immer mehr Höhenruder, um nicht zu unterschneiden. Hat man sich daran gewöhnt, ist das Abwassern einfach. Kurz nach dem Abheben muss das Höhenruder schnell wieder in Mittellage gestellt werden, sonst bäumt sich die Nieuport auf. In der Luft bleibt die Fluglage bei wechselnden Geschwindigkeiten nahezu gleich – und es genügen kleinste Höhenruderausschläge. Auf Querruderverwindung reagiert das Modell sehr träge mit einem starkem negativen Wendemoment, das aber problemlos mit dem Seitenruder kompensiert werden kann. Sämtlichen Überziehversuchen folgte nur ein harmloses Nicken zum Fahrtaufholen.

Beim Landen verzeiht die Nieuport keine Fehler. Aufsetzen mit zu hoher Geschwindigkeit oder mit korrekter Geschwindigkeit ohne vollen Höhenruderausschlag führt unweigerlich zum Unterschneiden und zu einem Kopfstand. Ich vermute, dass dies zumindest bei den Testflügen des manntragenden Vorbilds auch passierte, sonst hätte man die Vorderteile der Schwimmer nicht mit den hoch angestellten Flossen am Bug ausgestattet. Wenn beim Endanflug alles passt, ist das Aufsetzen und Ausgleiten ein Genuss.

Um das Verhalten der Nieuport zu verstehen und die richtigen Ruderausschläge zu ermitteln, waren einige Testflüge nötig, welche die Maschine unbeschadet überstand. Inzwischen bleibe ich beim Steuern meiner alten „Drahtkommode“ – wie Lutz Näkel mein Modell liebevoll bezeichnete – entspannt, wobei ich vor lauter Genuss des Flugbildes gelegentlich Gefahr laufe, das Steuern zu vergessen. Die schönsten und unvergesslichen bisherigen Flüge waren zweifellos die, bei denen Lutz‘, Kurts und mein Schneider-Trophy-Racer gleichzeitig und behäbig ihre Runden drehten.

Zusammenfassend

Wieder einmal hat es sich gelohnt, länger als ein Jahr zu recherchieren, zu tüfteln, knifflige handwerkliche Arbeiten zu meistern und Rückschläge zu ertragen. Ich habe beim Bau der Nieuport dazugelernt und bin nun stolzer Besitzer eines Unikats, dessen Betrachtung und Steuerung mir große Freude bereitet. Schon jetzt freue ich mich auf das nächste Treffen, bei dem Kurt, Lutz und ich die Gelegenheit haben, mit unseren alten Kisten Schneider-Trophy-Nostalgie in die Luft zu zaubern.

Wenn unsere drei alten Kisten gleichzeitig ihre Runden drehen, schlagen nicht nur unsere Herzen höher. Links Lutz Näkel mit seiner FBA, in der Mitte Kurt Stein mit seiner Morane-Saulnier Hydro, rechts der Verfasser mit seiner Nieuport VI H.
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