THEMA

Alle Balkone und Fassaden wurden bei den Bauteilen in der Biotope City Wienerberg üppig begrünt.
Foto: Heinz Wind

Gemeinsam für mehr Grün


Der neue Stadtteil Biotope City Wienerberg ist außergewöhnlich. Und das nicht nur aufgrund des klimafreundlichen Konzepts. Ungewöhnlich war auch der gemeinsame Weg, den die vielen Projektbeteiligten zur Erreichung der hochgesteckten Ziele beschritten haben.

STEPHANIE DRLIK

Die Biotope City Wienerberg ist grüner als andere Stadtteile: Grün im Freiraum, Grün an den Fassaden, Grün auf den Dächern und Bäume in ernst zu nehmender Größe. Dass ein weitreichendes landschaftsarchitektonisches Gesamtkonzept im mehrgeschoßigen Wohnbau realisiert werden konnte, war ein gemeinsamer Kraftakt aller Beteiligten. Gemeinsam bedeutet in der Biotope City nicht nur das kooperative Arbeiten als interdisziplinäres Team. „Die Menschen müssen in dichten Städten einen Modus Vivendi entwickeln, der nicht nur ihnen, sondern ebenso einer reichen Flora und Fauna ein Überleben bietet. Es geht nur gemeinsam“, gibt die Bioto-pe-City-Stiftungsleiterin und Stadtplanerin Helga Fassbinder vor. Der Klimawandel ist jedenfalls ein überzeugender Anlass, neue Wege zu gehen. „Wir haben den Versuch unternommen, Pflanzen und Tiere in den städtischen Lebensraum der Menschen zu integrieren und die Vorteile, die daraus entstehen, zu nutzen. Das ist gelungen, weil alle zusammengearbeitet haben“, sagt Thomas Knoll, Inhaber des für den Biotope City Freiraum verantwortlichen Planungsbüros Knollconsult Umweltplanung. Wachsende Wohndichten, die Auswirkungen des Klimawandels und des Urban-Heat-Island-Effekts sowie die zunehmende Verdrängung von gewachsenen Grünflächen durch Bau- und Infrastrukturvorhaben, das alles erfordert ein grundlegendes Umdenken.

„Die Biotope City zeigt eindrucksvoll die Möglichkeiten der Landschaftsarchitektur, an einer Stadt der Zukunft mitzubauen, besonders auch im Segment des leistbaren Wohnens. Durch wohnbauintegrierte Grünstrukturen werden die positiven Effekte von Grün genutzt, um Qualitäten für Bewohner zu schaffen und um sinnvolle Antworten auf die zunehmende städtische Verdichtung und den Klimawandel zu geben“, so Thomas Knoll.

Dialog als Lösung

Am Wienerberg wurde ein rund 5,4 Hektar großes Areal in 14 Bauplätze gegliedert, an acht Bauträger vergeben und von unzähligen Planern unterschiedlichster Disziplinen bearbeitet. „In einem solch komplexen Verfahren ist der vitale Dialog aller Beteiligten für den Bauprozess notwendig“, erklärt Maria Auböck von Auböck + Kárás Landscape Architects, die zur Entwurfsgrundlage für das Freiraumkonzept beigetragen haben. Aus diesem Dialog entstand im Zuge des interdisziplinären kooperativen Projektentwicklungsverfahrens als Vision ein „Masterplan mit Qualitätenkatalog“ (Studio Vlay). Der Qualitätenkatalog sollte sicherstellen, dass die Ergebnisse des Dialogs nicht im Laufe der Realisierung im Leeren verpuffen. Denn es ist gerade der Freiraum, der bei der Umsetzung großer Bauvorhaben anfällig für Qualitätsverluste ist. In der Biotope City Wienerberg jedoch blieben die kooperativ ausgearbeiteten Zielgrößen aus dem Qualitätenkatalog unverhandelbar. Daran hatte auch die Wiener Stadtverwaltung großes Interesse, gilt es doch als strategische Aufgabe, die Stadt klimafit zu machen. „Der Qualitätenkatalog war ein städtebaulicher Vertrag zwischen der Stadt und den Bauträgern. Die Umsetzung der Kriterien wurde von der Stadtverwaltung laufend geprüft. Auftretende Probleme wurden mit Vertretern aller Interessengruppen diskutiert und kooperative Lösungsansätze entwickelt“, so Heinz Wind, verantwortlicher Projektleiter bei Knollconsult.

Generalplanung Freiraum

Gerade die Schnittstellenthematik ist bei Projekten mit vielen Bauplätzen und dem Anspruch eines einheitlichen Ergebnisses heikel. Man denke an Wohnquartiere, wo Bauplatzgrenzen an der Freiraumgestaltung und den Oberflächenbelägen ablesbar sind. Knollconsult wurde als Generalplaner Freiraum mit der Weiterführung der Masterplanung und mit allen relevanten Fragen und Aufgaben zum Außenraum beauftragt. Die Vergabe einer solchen Generalplanung Freiraum ist heutzutage noch immer keineswegs selbstverständlich. Dabei steckt oftmals gerade darin die ausschlaggebende Qualität des späteren Quartierfreiraums. Doch am Wienerberg war die Bedeutung des Außenraums Konsens: „Die Biotope City baut als zentrales Instrument auf einer intensiveren Begrünung von Freiräumen und Gebäuden auf, und auf der Schaffung eines systemischen Ökokreislaufs. Der Frei- und Grünraum war daher die Basis der Projektentwicklung und eine Generalplanung Freiraum somit Voraussetzung für das Gelingen“, stellt Thomas Knoll klar.

Naturnahe Erholungsoasen sorgen für ein gutes Klima und für Gemeinschaftlichkeit.
Foto: Heinz Wind

Klimafittes Grün für Gebäude

Ein zentraler Ansatz des Leitbilds war auch die umfassende Begrünung der Wohnhäuser. Jedes Gebäude ist begrünt – auf den Dächern, Fassaden, Balkonen und Terrassen. „Bauwerksbegrünungen sind längst kein architektonisches Nice-to-have-Element mehr, sondern eine wirksame Maßnahme zur Gebäudeoptimierung“, erklärt Susanne Formanek, Geschäftsführerin von GrünStattGrau, dem österreichischen Innovationslabor für Bauwerksbegrünung. Doch gerade die Realisierung der Fassadenbegrünungen war am Wienerberg durchaus eine Herausforderung, da die Begrünungen sowohl auf allgemein verwalteten als auch auf privaten Flächen angebracht wurden. Das macht die Beteiligung der Bewohner erforderlich.

Die Dächer wurden entweder als extensive Naturdächer oder als nutzbare Dachgärten ausgestaltet. „Wir führen die Biotope City Wienerberg in Vorträgen gerne als Vorzeigebeispiel an, denn in diesem Quartier ist es gelungen, durch Bauwerksbegrünung einen deutlichen Beitrag zur Klimawandelanpassung zu leisten“, berichtet Susanne Formanek.

Zukunft Biotope City

Eines der nachhaltigsten und klimawirksamsten Interventionen der Biotope City Wienerberg ist zweifelsohne das Schwammstadt-Konzept, das dem Wohnquartier zugrunde liegt. Dabei wurde das gesamte Areal so konzipiert, dass anfallendes Regenwasser über Gebäudeflächen und Retentionsbereiche im Freiraum aufgenommen und verzögert versickert oder abgeleitet wird. Zur Regenwassersammlung steht ein, aus einem alten Löschteich entstandener Retentionsteich zur Verfügung.

Selbst beim Erfolgsprojekt Biotope City Wienerberg gibt es noch Spielraum für Verbesserungen. „Uns wurden mit einem fixen Quadratmeterpreis von 120 Euro Limits in der Gestaltung gesetzt. So mussten ursprünglich vorgesehene Wasserelemente gestrichen werden, und auch bei der Möblierung waren wir eingeschränkt“, gesteht Heinz Wind ein. Doch das Ziel, Wohnbau in großer Dichte mit hohen ökologischen Ansprüchen und einer größtmöglichen Funktionstüchtigkeit des Freiraums zu realisieren, wurde jedenfalls erreicht. „Die gewonnenen Erfahrungen werden helfen, zukünftigen Bio-tope-City-Projekten den Weg zu ebnen“, ergänzt Florian Reinwald vom Institut für Landschaftsplanung an der Universität für Bodenkultur, Wien, der das Projekt mit seinem Team wissenschaftlich begleitet hat. „Wir konnten wichtige Schlussfolgerungen ableiten, die für die Schaffung künftiger Stadtquartiere wichtig und wertvoll sind.“ Bleibt zu hoffen, dass das nachhaltige Konzept auf viele weitere Wohnbauvorhaben übertragen wird.

Freiräume Biotope City Wienerberg

Bei der Biotope City Wienerberg wurde ein bauplatzübergreifendes Landschaftskonzept erarbeitet.
Plan: Knollconsult_AuböckKarasz

5,4 ha Gesamtfläche 250 Bäume 15.500 m² bauplatzübergreifende Allgemeinflächen Freiraum 8.900 m² Wiesenflächen 930 m² Staudenflächen 13.600 m² begrünte Dachflächen 2.200 m² Fassadenbegrünung 760 m² Retentionsteich 2.000 m² Kinder- und Jugendspielplätze 600 m² Gemeinschaftsgärten 3.850 m² Erdgeschoßgärten 2 Pools

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2021-03-20

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