ÜBERGÄNGE

Notstand gefährdet die Bildung


Personalmangel an Schulen ist kein neues Phänomen. Trotzdem haben weder Politik noch Wirtschaft bisher gehandelt. Franziska Peterhans, Zentralsekretärin LCH, fordert nachhaltige Massnahmen. Ein Kommentar.

Franziska Peterhans, Zentralsekretärin Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz.
Foto: Eleni Kougionis

Noch Sommerferien, und dann sitzen gegen eine Million Schülerinnen und Schüler der obligatorischen Schule in den Klassenzimmern. Wenn sie Glück haben, besuchen sie den Unterricht bei einer ausgebildeten Lehrperson, wenn sie Pech haben, sind sie von einer Notmassnahme betroffen. Anders als bei den Ferienflügen, die einfach gestrichen werden, wenn das Personal fehlt, muss Schule stattfinden. Das steht sogar in der Bundesverfassung.

«Die Politik interessierte sich bisher wenig für die Gründe des Personalmangels an Schulen. Das rächt sich jetzt.»

Nicht alle Notmassnahmen sind schlecht: Positiv zu werten sind Angebote wie das der PHBern und weiterer Pädagogischer Hochschulen, die Praxis und Ausbildung gut verzahnen. Fatal sind hingegen Dumpingangebote in Sachen Ausbildung. Sie setzen überspitzt gesagt nur voraus, dass jemand verfügbar ist und Kinder mag. Die Schule ist aber kein «Aufbewahrungsort» für Kinder. Es geht um die Bildung der Kinder und Jugendlichen und damit um deren Zukunft. Unterrichten ist ein höchst anspruchsvoller Job, der unbedingt entsprechend ausgebildetes Personal benötigt.

Viele Faktoren haben zur heutigen Misere geführt. Der LCH warnt seit Jahren davor. 

  • Die Anzahl Schülerinnen und Schüler steigt. Gleichzeitig gehen die Babyboomer in Pension: Der Höhepunkt der Pensionierungswelle ist laut Bundesamt für Statistik (BFS) ausgerechnet das Jahr 2022. 
  • Viele Lehrpersonen bleiben nicht im Beruf: Die Austritte von Lehrpersonen mit unbefristetem Vertrag bewegen sich gemäss BFS um die 7 Prozent pro Jahr. 
  • Obwohl erfreulicherweise immer mehr junge Leute an Pädagogischen Hochschulen studieren, deckt der prognostizierte Anstieg nur gerade die Hälfte des Bedarfs. 
  • Zudem werden längst nicht alle unterrichten: Je nach Fachrichtung und Beobachtungszeitpunkt betrachtet, sind zwischen 5 und 23 Prozent der Absolventinnen und Absolventen nicht als Lehrpersonen erwerbstätig.

Die Politik interessierte sich bisher wenig für die Gründe des Personalmangels an Schulen. Das rächt sich jetzt. Damit sich die Situation in den nächsten Jahren wieder entspannen kann, muss es aus Sicht des LCH wieder attraktiver sein, den Lehrberuf zu ergreifen und im Beruf auch zu verbleiben. Dazu braucht es in vielen Kantonen deutlich höhere Löhne, insbesondere für die Lehrpersonen Zyklus 1 und 2. Zusätzlich braucht es Klassengrössen, die den anspruchsvollen integrativen Unterricht ermöglichen, und eine tiefere Lektionenverpflichtung. Auch Angebote wie der begleitete Berufseinstieg sind ein nachhaltiges Mittel gegen den Lehrpersonenmangel. Die Politik und auch die Wirtschaft müssten die Bekämpfung des Personalnotstands in den Schulen ganz oben auf ihre Prioritätenliste setzen. Denn die Schülerinnen und Schüler von heute sind die Fachkräfte von morgen.

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2022-07-07

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